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Appenzeller wollte «Weltrevolution» starten – jetzt muss er in Therapie

Waffen
Im Auto führte der Appenzeller «ein kleines Arsenal an Waffen und Munition wie Sturmgewehre, Pistolen und Handgranaten» mit sich (Symbolbild).Bild: Shutterstock

Appenzeller wollte «Weltrevolution» starten – jetzt muss der Waffennarr in Therapie

26.09.2023, 13:2926.09.2023, 15:35
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Das Bezirksgericht Appenzell hat einen Waffennarr zu einer einjährigen unbedingten Haftstrafe verurteilt. Diese wurde jedoch zugunsten einer ambulanten psychiatrischen Behandlung aufgeschoben. Der Mann lieferte sich 2019 schwerst bewaffnet eine Verfolgungsjagd mit der Polizei durch die Ostschweiz.

Vor dem Gericht gab der Angeklagte zu, zahlreiche Waffen und Sprengstoff illegal erworben und auf einer Flucht vor der Polizei mitgeführt zu haben. An gewisse Einzelheiten könne er sich aber nicht mehr erinnern. Ein psychiatrisches Gutachten attestiert dem Mann schwere psychische Störungen.

«Das hätte Schwerverletzte und Tote geben können», sagte der Richter zum Beschuldigten. Dieser zeigt sich wortkarg, bestreitet aber die Vorwürfe nicht und zeigte sich auch Untersuchung geständig.

Familienangehörige alarmierten die Polizei

Von Wil SG machte er sich am 6. Januar 2019 auf den Weg auf eine besondere «Mission». In seinem Fahrzeug führte der heute 29-Jährige «ein kleines Arsenal an Waffen und Munition wie Sturmgewehre, Pistolen und Handgranaten» mit sich, wie die Staatsanwaltschaft in der Anklage festhielt.

Der Angeklagte habe nach eigenen Aussagen eine «Weltrevolution» starten wollen. Vor seiner wilden Fahrt teilte sich der Mann in einem Internetvideo mit, dass er mit einer grob geschätzten Ausrüstung von 50'000 Franken gegen die «Weltregierung» vorgehe.

Was genau seine Absicht war, wurde an der Gerichtsverhandlung nicht erläutert. «Er war in seinem Wahn nicht fähig, das Unrecht seines Tuns zu erkennen», erklärte sein Verteidiger vor Gericht. Deshalb könne er für die Verfolgungsfahrt nicht verurteilt werden. Die restlichen Vorwürfe seien aber unbestritten. Er verwies auch darauf, dass keine Waffen zum Einsatz kamen.

Grossfahndung ausgelöst

Nach einem Zwischenstopp im Elternhaus in Appenzell AI informierten Familienangehörige damals die Polizei. Diese löste eine interkantonale Grossfahndung aus. Schliesslich missachtete der Beschuldigte auf seiner Fahrt durch den Thurgau mehrere Haltezeichen der Polizei. Während ihrer Verfolgung hatten die Beamten beim Beschuldigten Geschwindigkeiten von bis 170 km/h ausserorts und 90 km/h in einer 50er-Zone gemessen.

Die wilde Fahrt endete schliesslich in Tägerwilen TG. Erneut missachtete der Beschuldigte dort ein Stopp-Signal der Polizei. Eine über die Strasse ausgelegte Nagelsperre setzte seiner Fahrt jedoch ein Ende.

Bei erfolgreicher Therapie entfällt die Haftstrafe

Dem Mann wurden vor Bezirksgericht Appenzell unter anderem mehrfaches Vergehen gegen das Waffengesetz, mehrfache grobe Verletzung der Verkehrsregeln sowie Ladendiebstähle und mehrfache Sachbeschädigungen vorgeworfen. Bei einer Hausdurchsuchung entdeckten die Beamten gemäss Anklageschrift ausserdem Drogen und zwei Videodateien mit tier- beziehungsweise kinderpornografischem Inhalt.

Es sei erschreckend, wie viele Waffen er gehabt habe, sagte der Richter bei der mündlichen Urteilsverkündigung zum Beschuldigten. Man könne froh sein, dass nichts schlimmeres passiert sei. Das Gericht verurteilte den Mann wegen Hehlerei – er kaufte gestohlene Waffen der Armee – sowie wegen Verstössen gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz zu einer unbedingten Haftstrafe von zwölf Monaten. Diese wird aber zugunsten einer ambulanten Therapie aufgeschoben. Die Delikte wegen Drogen und Pornografie verjährten.

«Sie bekommen die Chance, die psychische Krankheit in Griff zu bekommen», erklärte der Richter den Angeklagten. Die angeordnete Therapie werde jährlich überprüft. Falls er sich an die Massnahme halte, zu der auch ein Bewährungshelfer gehört, entfalle die einjährige Freiheitsstrafe. Das Gericht sah bei der Fahrt, die zu einer Flucht vor der Polizei führte, eine Schuldunfähigkeit und begründet damit die angeordnete Therapie. «Sie befanden sich in einer manischen Situation.»

Heute wohnt der Mann im Haus der Familie im Tessin. Er sei arbeitslos und beziehe eine Invalidenrente. Das Gericht verurteilte ihn auch zu einer Geldstrafe und einer Beteiligung an den Untersuchungskosten von mehreren tausend Franken. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

(yam/sda)

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40 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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BG1984
26.09.2023 10:16registriert August 2021
Einen Terroristen (und das ist er) muss man einsperren und parallel ambulant behandeln.
Aber einfach freilassen und dabei ambulant therapieren darf nicht sein. Wenn er psychisch völlig verknarkst ist, dann muss er halt in eine geschlossene Anstalt.
Andere müssen ins Gefängnis, weil sie eine kleine Busse nicht bezahlen können und der fährt mit scharfen Waffen und Handgranaten rum und darf weiterhin frei rumlaufen.
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Schlaf
26.09.2023 11:00registriert Oktober 2019
"Ihm droht eine unbedingte Freiheitsstrafe von zwei Jahren, die zugunsten einer ambulanten Behandlung aufzuschieben sei."

Einer, der mit Waffen und Munition durch die Gegend fährt um eine Weltrevolution zu starten, dies auf Video festgehalten hat und von der Polizei mittels Nagelband gestoppt werden musste..

So was gibt es auch nur in der CH...
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Methylphenidate ftw
26.09.2023 10:36registriert Oktober 2022
Putin hat ganze Arbeit geleistet mit der Desinformation. Das hört sich sehr danach an als könnten diese Erzählunges aus Russland stammen, oder zumindest durch die Russischen Medien verstärkt worden sein.
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