Vor dem Berner Wirtschaftsstrafgericht steht seit Montag ein Paar, das trotz einem Millionenvermögen hohe Steuerschulden nicht zurückzahlte und von den Sozialwerken lebte. Der Angeklagte sah sich am Montag vor Gericht eher als Opfer, denn als Täter.
Etwas hilflos zuckte der schmächtige Mittsiebziger mit den Schultern, dann deutet er mit seinen Händen an, wie der Schuldenberg über die Jahre immer höher wurde. «Eine alte Geschichte», seufzte er und lächelte gequält.
Aus seinen vagen Angaben liess sich heraushören, dass der Unternehmer und heutige Rentner vor vielen Jahren die ihm vom Staat auferlegten Steuern als ungerechtfertigt hoch empfand. So kam wohl ein Kreislauf mit Steuer- und anderen Schulden in Gang.
Schon seit den 1990-er Jahren gab es immer wieder Pfändungen. Zwischen 2009 und 2023 ortete die Staatsanwaltschaft 15 sogenannte Pfändungsgruppen.
Bis heute resultierten Verlustscheine von über 16,4 Millionen Franken. Dies, weil der Mann und seine Partnerin den Behörden Vermögenswerte verheimlichten. Insbesondere verfügte der ehemals erfolgreiche Unternehmer eines Personalvermittlungsbüros über mehr als drei Millionen Franken auf einem Liechtensteiner Bankkonto.
Den für die Pfändungen zuständigen Betreibungsbeamten gab das Paar an, über kein pfändbares Vermögen und keine absehbaren Einkünfte zu verfügen.
Warum er denn das Vermögen nicht angegeben habe, um die Steuerschulden zu begleichen, wollte die Gerichtspräsidentin am Montag vom 75-Jährigen wissen. «Es hätte ohnehin nicht gereicht, um alle Schulden zu begleichen», sagte der Angeklagte.
Aber einen Teilbetrag hätte er ja immerhin abstottern können, hakte die Gerichtspräsidentin nach. Darauf blieb der Befragte eine klare Antwort schuldig. Seine Ex-Frau und Lebenspartnerin bestritt am Montag, etwas mit den vorgeworfenen Betrügereien zu tun zu haben.
In der Anklageschrift ist weiter zu lesen, dass die beiden versucht hatten, dem Staat Verlustscheine im Wert von 8,7 Millionen Franken für ein Butterbrot, sprich für rund 25'000 Franken, abzukaufen.
Der Mann habe bei seinen Eingaben darauf bedacht gewesen, als sittlicher, ehrenwerter, aber ungebildeter und überforderter Bürger zu erscheinen, heisst es in der Anklage. Er wolle freiwillig seine Schulden abtragen, auch wenn ihm dies nur in einem kleinen Umfang möglich sei.
Der Kanton Bern stimmte dem Gebot nach dem Motto «besser das, als gar nichts» zu, die Stadt Bern lehnte das aus ihrer Sicht weit unter dem Wert liegende Angebot hingegen ab.
Die Tamedia-Zeitungen berichteten im August 2021 über den damals publik gewordenen «dubiosen Deal» der Steuerverwaltung und übten auch harsche Kritik an den Behörden.
Weiter wirft die Anklage den beiden Beschuldigten vor, widerrechtlich Sozialhilfe und Ergänzungsleistung bezogen zu haben.
Was er sich denn gedacht habe, als er im Wissen um sein Millionenvermögen in Liechtenstein in Bern Ergänzungsleistung beantragt habe, wollte die Gerichtspräsidentin vom Angeschuldigten am Montag wissen. «Nicht viel», lautete die knappe Antwort.
Er habe Sozialhilfe und Ergänzungsleistung «bezogen, aber nicht ertrogen», beharrte er mit Blick auf seine hohen Schulden.
Schliesslich soll der Mann auch Parkkarten für Behinderte zu seinen Gunsten abgeändert haben, um einfacher parkieren zu können. Er sah dies am Montag als «Lappalie». Er habe niemanden missbraucht damit, das sei doch keine Urkundenfälschung.
Die Mitangeklagte Frau betonte vor Gericht, sie habe mit den vorgeworfenen Betrügereien nichts zu tun. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr vor, die Handlungen gemeinsam mit ihrem Mann begangen und ihn unterstützt zu haben.
Aus der Anklageschrift geht schliesslich auch hervor, dass das Paar einen luxuriösen Lebensstil pflegte. Bei einer Hausdurchsuchung fand die Polizei teure Autos, darunter zwei Porsches, Pelzmäntel, rund 180 Luxushandtaschen, Weine, und Uhren.
Für die Angeklagten gilt bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils die Unschuldsvermutung. Am Dienstag sind die Anwälte an der Reihe mit ihren Plädoyers, das Urteil fällt am Donnerstag. (sda)