Im Februar 2018 kündete der Bundesrat an, er wolle von der Rega zwei Occasions-Ambulanzjets kaufen. «Für Transporte der Swisscoy, für humanitäre Hilfsaktionen oder für die Evakuierung von Schweizerinnen und Schweizern», lautete der erste Satz im Communiqué. Ein weiterer Zweck: Ausschaffungsflüge. Die beiden Flieger stehen seit April beziehungsweise Juni 2019 für die Eidgenossenschaft im Einsatz.
Jetzt sagen bundesratsnahe Quellen, der Kauf der beiden Bombardier Challenger CL 604 sei aus heutiger Sicht kaum sinnvoll gewesen.
Tatsächlich drängt sich diese Einschätzung auf. Denn als in Khartum, der Hauptstadt Sudans, vor einem Monat bürgerkriegsähnliche Unruhen ausbrachen, rettete sich das Personal der Schweizer Botschaft mithilfe französischer Sicherheitskräfte ausser Landes, ins benachbarte Djibouti. Am 25. April wurde der Schweizer Botschafter mit seiner Entourage dort abgeholt – vom Bundesratsjet. Das ist die Falcon 900, die der Bund 2013 von Fürst Albert II. von Monaco erworben hat.
Warum aber kam nicht eines der ehemaligen Rega-Flugzeuge zum Einsatz, die für 13 Millionen Franken ausdrücklich auch für Evakuationen gekauft worden sind? Die Frage geht ans Aussendepartement (EDA) und ans Verteidigungsdepartement (VBS).
Dass kein Schweizer Flieger direkt Khartum anflog, liege daran, dass die Schweiz nicht über militärische Lufttransportkapazitäten verfüge, «die in einem halb- oder nicht-permissiven Umfeld eingesetzt werden können, wie dies im Sudan der Fall ist», lautet eine Antwort. Und weiter: Für die Mission nach Djibouti sei mit der Falcon 900 jenes «Schweizer Staatsluftfahrzeug mit der grössten Reichweite» zum Einsatz gekommen: «Aufgrund der aktuellen Situation in Afrika musste die maximal mögliche Handlungsfreiheit gewährleistet sein.»
Das tönt einleuchtend. Allerdings legte auch der Bundesratsjet in Luxor einen Tankstopp ein. Die Mission wäre insofern mit den ehemaligen Rega-Jets möglich gewesen, deren Reichweite laut Bundesratsmitteilung 6500 Kilometer beträgt. Fragt sich also: Wozu werden die beiden Occasionsjets überhaupt gebraucht?
Auf Anfrage gibt der Bund folgende Zahlen bekannt: Für die Truppe der Swisscoy im Kosovo flogen die beiden Jets in den letzten vier Jahren zusammen 171 Einsätze. 25 Mal benutzten Mitglieder des Bundesrats eine der Maschinen, 21 Mal Bundesangestellte. Weitere 21 Missionen hatten die Ausschaffung abgewiesener Asylsuchender zum Ziel.
Nur sechs Challenger-Missionen dienten humanitären Hilfsaktionen: Im Juli 2021 lieferte der Bund Corona-Hilfsgüter in die Mongolei und nach Tunis, vier Flüge führten diesen Januar ins Erdbebengebiet in der Türkei. Und ja, es gab auch schon Einsätze für Evakuationen: gerade mal fünf. Nähere Angaben macht der Bund dazu «aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes sowie der operativen Sicherheit» keine.
All dies verteilt auf zwei Maschinen und vier Jahre. Es gibt wohl Flieger, die öfter in der Luft sind. Zum Gerücht, dass stets nur einer der ehemaligen Ambulanzjets bereitsteht, heisst es in der Stellungnahme: «Prinzipiell werden beide Challenger eingesetzt.» Infolge ordentlicher Unterhaltsarbeiten stünde zeitweise nur einer der Jets zur Verfügung. Und wegen «spontan auftretender ausserordentlicher Unterhaltsarbeiten» sei phasenweise kein Challenger startklar.
Die Auslastung der beiden Occasions-Jets ist offensichtlich so tief, dass Kapazitäten für andere Missionen bleiben. Davon profitierte 2020 ausgerechnet die Verkäuferin – die Rettungsflugwacht. Ein Jahr nach der Handänderung kommunizierte die Armee eine «Win-win-Situation für beide Partner»: «Die Luftwaffe stellt der Rega bis Frühling 2021 bei Bedarf einen Jet für Ambulanzflüge zur Verfügung.» Gestützt auf die Verordnung für die Unterstützung ziviler Partner mit militärischen Mitteln (VUM).
Grund für die Aushilfe durch den Bund: Die Rega unterzog ihre Flieger im Rahmen von Garantieleistungen einer Neulackierung; das dauerte je vier Wochen. «Damit die Rega während dieser Zeit weiterhin bis zu drei Ambulanzflugzeuge gleichzeitig einsetzen kann, leistet ihr die Armee Unterstützung», hiess es in der Mitteilung. Der Gewinn für den Bund: «Die Armee sammelt damit für sehr spezielle Flüge im Bereich Planung und Flugdurchführung weitere Erfahrungen.»
Im Communiqué der Armee war von einer «bewährten Partnerschaft» die Rede: Die Rega unterstütze die Armee seit Jahren bei der Rückführung von erkrankten oder verunfallten Soldaten aus dem Ausland.
Die bewährte Partnerschaft könnte freilich auch beim Kauf der Occasions-Jets schon eine Rolle gespielt haben. Insider bringen Adrian Amstutz ins Spiel, damals Fraktionschef der SVP im Parlament und Rega-Stiftungsrat. Der Berner, der sich auch für die Stärkung des Flughafens Bern-Belp, dem Standort des Lufttransportdienstes des Bundes, einsetzte, habe hinter den Kulissen für den Occasions-Deal mit der Rega geweibelt.
Auf Anfrage teilt Amstutz mit: «Ich war nicht in die Verkaufsverhandlungen involviert.» Im Parlament habe er nach Vorlage der Anträge wie die Mehrheit im Parlament zugestimmt. «Da der Bund so oder so Ersatz-Flugzeuge für die Bundesbasis Bern-Belp beschaffen wollte, spielte die Verkäuferschaft für den Flughafen Bern-Belp keine Rolle.»
Ähnlich hatte auch der damalige Verteidigungsminister, SVP-Bundesrat Guy Parmelin, für den Kauf geworben. Die Jets würden ein Flugzeug ersetzen, mit einer Reichweite von 2200 Kilometern, das nun verkauft werden könne. Mit dem Erwerb der Rega-Jets steige zudem die Flexibilität für Einsätze in den genannten Bereichen Swisscoy, humanitäre Einsätze, Ausschaffungen und Evakuationen, für die bis dahin Ersatzmaschinen gemietet werden mussten. Man werde Mietkosten sparen. Er reagierte zudem auf Forderungen aus dem Parlament, ein Transportflugzeug zu beschaffen.
Anfang Woche, gut einen Monat nach Beginn der Kämpfe in Khartum, schreibt das Aussendepartement auf Anfrage, bisher hätten 76 Personen mit Schweizer Bezug den Sudan verlassen – «mit von Drittstaaten organisierten militärischen Mitteln».
Auf den Titel "Der Bund verfügt über zwei Jets für Evakuationen – bloss werden sie kaum eingesetzt" kommt die Antwort trocken und verständlich: Keine Kapazität "die in einem halb- oder nicht-permissiven Umfeld eingesetzt werden können, wie dies im Sudan der Fall ist" und, dass die Maschinen zum Teil am Boden stehen weil sie gewartet werden. Somit ist alles gesagt und der Rest ist wie immer öfter hier: "blabla".