Es ist eine Premiere für die Schweiz: Mit dem revidierten CO2-Gesetz, über das wir am 13. Juni abstimmen, würde eine Flugticketabgabe eingeführt. Viele Länder kennen sie schon. Die Schweiz stand bislang abseits, dabei ist sie «vom Land der Bahnfahrer zum Land der Vielflieger» geworden, wie es der WWF-Klimaexperte Patrick Hofstetter formulierte.
Die Schweizer Bevölkerung sei 2017 fast doppelt so häufig geflogen wie der EU-Durchschnitt und sogar mehr als die US-Amerikaner, sagte die St.Galler Nationalrätin Franziska Ryser (Grüne) am Mittwoch an einer Veranstaltung zur Ticketabgabe in Zürich. Sie ist Co-Präsidentin des Vereins umverkehR, der sich für «Zug statt Flug» einsetzt.
Die Folgen für das Klima sind beträchtlich. «In der Schweiz sorgt der Luftverkehr für 27 Prozent des gesamten Klimaeffekts», sagte Ryser mit Bezug auf das Vor-Pandemie-Niveau. Das ist mehr als der gesamte übrige Verkehr oder Industrie und Wohnen. Die Vielfliegerei macht den grössten Anteil des Schweizer Beitrags zur Erderwärmung aus.
Die im CO2-Gesetz vorgesehene Flugticketabgabe beträgt je nach Distanz 30 bis 120 Franken pro Abflug von einem Schweizer Flughafen ins Ausland und bis 3000 Franken für Privat- und Businessjets. Ausgenommen sind einzig Kleinflugzeuge. Das sei im Vergleich moderat, meinte Franziska Ryser. Die Gegner zweifeln deshalb am Lenkungseffekt.
Die Abgabe treffe «vor allem junge, reisefreudige Leute, Familien mit Kindern und schädigt unsere Flughäfen in Genf und Zürich», behauptet das Nein-Komitee auf seiner Website. Es ignoriert, dass die Erträge zu 51 Prozent an die Bevölkerung zurückbezahlt werden, via Krankenkassenprämien. Die übrigen Mittel werden für einen Klimafonds verwendet.
Doch auch die betroffene Branche ist nicht glücklich mit der Ticketabgabe. Dieter Vranckx, der Chef der Pandemie-gebeutelten Swiss, bezeichnete sie in der «Sonntagszeitung» als kontraproduktiv: «Die Marktmechanismen werden es nicht erlauben, die Flugticketabgabe auf die Passagiere zu überwälzen», sagte der belgisch-schweizerische Doppelbürger.
Die Abgabe entziehe der Swiss auch die Investitionsmittel für emissionsärmere Flugzeuge und synthetische Treibstoffe, meinte Vranckx. Widerspruch blieb nicht aus. Der Solothurner Mitte-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt sagte zu Radio SRF, die Abgabe bezahlten «alle Fluggesellschaften, die in die Schweiz fliegen». Und GLP-Präsident Jürg Grossen erwiderte, mit dem Klimafonds würden Innovationen wie synthetische Treibstoffe gefördert.
Synthetisches Kerosin kann unter anderem durch Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre produziert werden, was eine weitgehend klimaneutrale Fliegerei ermöglichen würde. Die Entwicklung befindet sich noch in einem frühen Stadium und der Treibstoff ist entsprechend teuer. Mit dem Klimafonds könnten Investitionen in diesem Bereich unterstützt werden.
Nicht nur die Industrie setzt grosse Hoffnungen in die synthetischen Treibstoffe. Neben weniger fliegen seien sie die beste Option, um den Klimaeffekt der Luftfahrt zu reduzieren, sagte Urs Neu an der Veranstaltung in Zürich. Er ist Leiter von Proclim, dem Forum für Klima und globalen Wandel an der Akademie für Naturwissenschaften (SCNAT) in Bern.
Elektroflugzeuge hält Neu für wenig aussichtsreich. «Das Problem sind die Batterien, sie haben vor allem für die Langstrecke ein zu hohes Gewicht.» Synthetische Treibstoffe sind für ihn auch deshalb die einzig vernünftige Lösung, weil der grösste Teil der Weltbevölkerung noch nie geflogen ist. Langfristig wird der Luftverkehr deshalb weiter zunehmen.
Subventionen aus dem Klimafonds erhoffen sich auch die Bahnen, was ganz im Sinn von umverkehR ist. Die SBB wollen mit ihrem österreichischen Pendant, der in diesem Bereich führenden ÖBB, ab Dezember Nachtzüge nach Amsterdam und ab 2023 nach Barcelona und Rom anbieten. Alles Linien, die wegen der Billigfliegerei vor Jahren eingestellt wurden.
Was aber ist mit den Kosten für Passagiere? Der Politikwissenschaftler Michael Hermann präsentierte in Zürich die von seinem Institut Sotomo vor einem Jahr für den Walliser Verein «Rote Anneliese» erarbeitete Studie zur Ticketabgabe, basierend auf Daten des Bundesamts für Statistik. Sie zeigt, dass der grösste Teil der Bevölkerung profitiert.
Junge Erwachsene fliegen laut der Studie am meisten. Und Menschen mit einem Monatseinkommen von 12’000 Franken und mehr produzieren mit der Vielfliegerei doppelt so viel CO2 wie jene, die 8000 bis 12’000 Franken verdienen. «Ich habe noch nie eine Studie gesehen, bei der das Einkommen eine dermassen grosse Rolle spielt», sagte Hermann.
Das bedeutet umgekehrt, dass Leute mit geringem Verdienst von der Rückvergütung profitieren. Denn die Top 5 Prozent der Vielfliegenden sind laut Hermann für rund einen Drittel des gesamten CO2-Ausstosses verantwortlich. Unter dem Strich hätten rund 60 Prozent der Bevölkerung eine positive Bilanz, so die Schlussfolgerung der Studie.
Noch besser sieht es aus, wenn man nicht nur die Abgaben der inländischen Bevölkerung berücksichtigt, sondern auch jene der ausländischen Fluggäste ab Zürich und Genf sowie die von Firmen bezahlten Geschäftsflüge. «Dann profitieren sogar 90 Prozent der Schweizer Bevölkerung finanziell von der Flugticketabgabe», erklärte Michael Hermann.
Härtefälle wird es geben, und es werden auch Reiche profitieren, die etwa mit Rücksicht auf das Klima auf Flüge verzichten. Als «Achillesferse» wird zudem die Tatsache betrachtet, dass die Rückzahlung als Abzug bei den Krankenkassenprämien erfolgt und damit nicht direkt spürbar ist. Eine Überweisung an die Bevölkerung könnte psychologisch wirksamer sein.
Nationalrätin Franziska Ryser räumte in der anschliessenden Diskussionsrunde zudem ein, dass der Lenkungseffekt «nicht sehr hoch» sei. Und doch gebe es ihn: «Eine Familie, die einmal pro Jahr fliegt, hat am Ende mehr Geld im Portemonnaie.» Denn klar ist auch: Wenn Corona vorbei ist, werden die Leute wieder ins Flugzeug steigen.
Glaubt wirklich noch einer wir können so weiter machen?
Es wird einfach noch viel teurer und ist verantwortungslos gegenüber unseren nächsten Generationen.
wie stark hinderten diese die Suche nach alternativen Antriebskonzepten für die Flugindustrie?
jetzt darüber zu jammern, dass man lieber die Aktionäre bedient hat, statt in neue Technologie zu investieren ist schon etwas scheinheilig, lieber Verantwortlicher der Swiss.
und mein Pflanzen-Öl ist sicher keine Alternative.....
Familien profitieren vor allem, obwohl kindereiche Familien nicht die beste Ökobilanz haben.