Seit ein paar Wochen nehmen die Spitalanweisungen von Corona-Patientinnen und -Patienten stark zu. Hauptgrund für den Anstieg dürfte die tiefe Durchimpfungsrate sein: In der Schweiz sind 56 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal geimpft, in der Europäischen Union dagegen 63 Prozent. Die Zahl der nicht-immunen Personen, die sich anstecken können, ist nach wie vor gross. Hinzu kommen weitere mögliche Gründe für den Anstieg: die leichtere Übertragbarkeit der Virusvariante Delta, die Reiserückkehrerinnen und -rückkehrer, die schrittweise Aufhebung der Massnahmen, die Aufhebung der Homeoffice-Pflicht und des Verbots des Präsenzunterrichts an Hochschulen sowie ein verändertes Verhalten der Bevölkerung.
Bis Massnahmenverschärfungen sich auf die Spitaleinweisungen auswirken, braucht es zwei bis drei Wochen. Der Bundesrat will deshalb mit der Verschärfung von Massnahmen nicht zuwarten, bis die Spitäler überlastet sind.
Der Bundesrat hat deshalb beschlossen, die Kantone und die Sozialpartner vorsorglich zu möglichen Verschärfungen der Massnahmen zu konsultieren. Wie im Drei-Phasen-Modell vorgesehen steht dabei das Covid-Zertifikat im Vordergrund. Das Zertifikat steht allen offen. Es erlaubt es, eine Covid-19-Impfung, eine durchgemachte Erkrankung oder ein negatives Testergebnis einheitlich und fälschungssicher zu dokumentieren.
Anders als in früheren Infektionswellen soll auf die Schliessung ganzer Branchen oder Verbote von bestimmten Aktivitäten verzichtet werden. Mit dem Zertifikat wird das Übertragungsrisiko reduziert, weil nur noch Personen zusammentreffen, die nicht ansteckend sind oder ein geringes Risiko aufweisen, ansteckend zu sein. Wie bis anhin soll die Zertifikatspflicht nicht für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahre gelten.
Nicht geändert werden sollen zudem die bekannten und breit akzeptierten Hygiene- und Abstandsempfehlungen, die Quarantäneregeln sowie die generelle Maskentragpflicht in öffentlich zugänglichen Innenräumen, Läden und im öffentlichen Verkehr.
Der Bundesrat schlägt vor, die heute in Diskotheken und Tanzlokalen bestehende Zertifikatspflicht auf alle Innenbereiche von Restaurations-, Bar- und Clubbetrieben auszudehnen. Die Kontrolle kann am Eingang oder beim ersten Kontakt am Platz erfolgen. Auf Terrassen und weiteren Aussenbereichen soll weiterhin keine Zertifikatspflicht gelten. Die Zertifikatspflicht gilt nicht für das Personal. Für dieses gelten allerdings weitergehende Massnahmen wie etwa eine Maskenpflicht. Nur wenn sämtliche anwesende Mitarbeitende die Zertifikatspflicht erfüllen, darf auch das Personal auf die Maske verzichten.
Auch für Hotelrestaurants sollen dieselben Regeln gelten. Die reine Übernachtung im Hotel soll dagegen nicht unter die Zertifikatspflicht gestellt werden, weil die Nutzung von Hotels auch Personen offenstehen sollte, die kurzfristig keinen Zugang zu einem Test haben.
Im Weiteren soll eine Zugangsbeschränkung auf Personen mit einem Covid-Zertifikat für Veranstaltungen eingeführt werden, die in Innenbereichen stattfinden (Konzerte, Theater, Kino, Sportveranstaltungen, Privatanlässe wie Hochzeiten). Aus Gründen des Grundrechtsschutzes ausgenommen sind etwa religiöse Veranstaltungen, Bestattungen sowie Anlässe zur politischen Meinungsbildung bis maximal 30 Personen. Bei diesen gilt in Innenbereichen eine Maskenpflicht. Bei Veranstaltungen im Freien sollen die bisherigen Regeln gelten.
Neu soll auch der Zugang zu Orten wie Museen, Zoos, Fitnesscenter, Kletterhallen, Hallenbäder, Aquaparks, Thermalbäder, Billardhallen oder Casinos auf Personen mit einem Zertifikat eingeschränkt werden. Ausgenommen sind Betriebe, die ausschliesslich Aussenbereiche umfassen.
Auch bei sportlichen und kulturellen Aktivitäten in Innenräumen wie Trainings oder Musik und Theaterproben, bei denen bereits heute keine Maskenpflicht besteht, soll künftig der Zugang auf Personen mit Covid-Zertifikat eingeschränkt werden. Diese Beschränkung gilt nicht für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren und für beständige Gruppen von maximal 30 Personen, die in abgetrennten Räumlichkeiten regelmässig zusammen trainieren oder proben.
Für Diskotheken und Tanzlokalen besteht heute bereits eine Zertifikatspflicht. Neu soll als zusätzliche Massnahme eine obligatorische Kontaktdatenerhebung eingeführt werden, um das Contact Tracing zu vereinfachen.
Der Bundesrat schlägt zudem vor, den Einsatz des Zertifikats im Arbeitsbereich in der Verordnung zu klären. Es soll explizit festgehalten werden, dass die Arbeitgeber das Vorhandensein eines Zertifikats prüfen dürfen, wenn dies der Festlegung angemessener Schutzmassnahmen oder der Umsetzung des Testkonzepts dient.
Der Bundesrat hat heute zudem die nationale Teststrategie angepasst. Das Testen bleibt eine wichtige Massnahme, um die Pandemie zu kontrollieren, Übertragungsketten zu unterbrechen und eine Überbelastung der Spitalstrukturen zu verhindern. Dazu soll insbesondere das repetitive Testen in Schulen und Betrieben weitergeführt werden. Diese repetitiven Tests werden weiterhin vom Bund finanziert.
Ab dem 1. Oktober 2021 müssen Personen, die sich testen lassen, um ein Zertifikat zu erhalten, den Test selber bezahlen. Alle Personen, die sich impfen lassen wollen, konnten das inzwischen tun. Der Bundesrat erachtet es nun nicht mehr als die Aufgabe der Allgemeinheit, die Testkosten für Personen zu übernehmen, die nicht geimpft oder nicht genesen sind. Die Möglichkeit zur kostenlosen Impfung besteht weiterhin.
Tests für Personen mit Symptomen werden weiterhin vom Bund übernommen. Allerdings berechtigen diese nicht zum Erwerb eines Zertifikats. Antigen-Schnelltests für Personen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können sowie Tests für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren werden weiterhin vom Bund bezahlt. Auch wer eine Gesundheitseinrichtung, etwa ein Alters- oder Pflegeheim oder ein Spital, besucht, kann sich weiterhin gratis testen lassen. Der Schutz von Personen mit hohem Risiko ist besonders wichtig. Bei einem negativen Testresultat wird anstelle eines Zertifikats eine Bescheinigung ausgestellt.
Neu will der Bund die Möglichkeit schaffen, dass sich Personen ohne Symptome auf eigene Kosten in einer Apotheke mit einem Speichel-PCR-Pooltest testen lassen können. Diese Tests haben den Vorteil, dass sie aussagekräftiger sind als Antigen-Schnelltests. Auch wird es möglich sein, sich zuhause selbst eine PCR-Speichelprobe zu entnehmen. Dabei muss die Entnahme der Probe kontrolliert und die Identität der Person klar sein.
Die überwiegende Mehrheit der Kantone und Sozialpartner sowie auch die zuständige Kommission des Nationalrats war mit der Weiterentwicklung der Teststrategie einverstanden. Insbesondere begrüssten sie die weiterführende Finanzierung von repetitiven Tests in Schulen und in Betrieben. Sie schlugen jedoch Änderungen bei der Vergütung der Tests und strengere Bestimmungen zur Vorbeugung von Missbrauch vor.
Der Bundesrat ist den Anliegen teilweise nachgekommen. So sollen sich Jugendliche neu bis zum 16. Altersjahr gratis testen lassen können. Gleichzeitig soll das Zertifikat für Personen ab 16 Jahren nur noch dann ausgestellt werden, wenn der Test selbst bezahlt wurde.
Im Weiteren hat der Bundesrat entschieden, die systematische Testung des Abwassers von Kläranlagen auf Spuren von Corona-Viren auszuweiten. Damit wird ein Siedlungsgebiet erfasst, in dem rund 60 Prozent der Bevölkerung leben. Hinzu kommen epidemiologisch wichtige Tourismusgebiete. Lokale Ausbrüche können so schnell entdeckt und entsprechende Massnahmen eingeleitet werden.
Der Bundesrat hat heute auch eine Änderung der Epidemienverordnung beschlossen. Damit können sich Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer, deren enge Familienangehörige (Ehepartnerin oder Ehepartner, Kinder, Eltern und Schwiegereltern im selben Haushalt) sowie Grenzgängerinnen und Grenzgänger ohne obligatorische Krankenpflegeversicherung in der Schweiz impfen lassen. Wie von den Kantonen gefordert, werden diese Impfkosten vom Bund übernommen.
Wir können es gerne ausdiskutieren, aber eigentlich gibt es in dieser Situation nicht mehr zu sagen. Die, die eine bessere Situation aus egoistischen Gründen verhinderten, werden sich jetzt noch mehr gegen das Zertifikat stellen und sich als Opfer aufführen.
Als Gesellschaft müssen wir für den mutwillig verursachten Schaden anderer bezahlen. Ich möchte aber von allzu grossen Schuldzuweisungen absehen, schlussendlich steht wohl jeder einmal auf der Nehmerseite der Gesellschaft...