Schweiz
Deutschland

Raser-Tourismus: Schweizer liefern sich auf deutschen Autobahnen immer wieder illegale Rennen

Raser-Tourismus: Schweizer liefern sich auf deutschen Autobahnen immer wieder illegale Rennen

15.12.2015, 10:3315.12.2015, 11:12
Mehr «Schweiz»

Für Fans illegaler Autorennen aus der Schweiz sind sie ein verlockendes Ziel: deutsche Autobahnen ohne Tempolimit in Grenznähe. Die Polizei versucht, mit intensiven Kontrollen dagegen anzugehen.

Der Ablauf ist meist der gleiche: Zwei, drei oder mehr Autos bremsen auf der Autobahn nebeneinander ab. Sie gehen auf 60 oder 70 Stundenkilometer runter – und geben dann plötzlich Gas. «Sie testen, wer schneller ist», sagt Peter Hauke vom Polizeipräsidium in Konstanz. Illegale Autorennen sind in.

Grosse Dunkelziffer

Nicht nur in Grossstädten, sondern auch auf den Autobahnen in der Grenzregion zur Schweiz. 2015 hat die Polizei mehrere Dutzend Anzeigen wegen Beteiligung an solchen Rennen erstattet. In etwa 30 Fällen wurde ein Bussgeldverfahren eingeleitet, in zehn Fällen ein Strafverfahren, weil Unbeteiligte gefährdet wurden. Die Dunkelziffer könnte aus Sicht der Beamten aber noch deutlich höher sein.

Genaue Statistiken gibt es nicht. Zur Nationalität der Fahrer oder zur Aufklärungsrate könne man daher nichts Genaues sagen, erklärt ein Sprecher des Innenministeriums von Baden-Württemberg. Die Behörden unterschieden bei den Rennen jedoch zwischen spontanen Aktionen und Verabredungen mit hohem Organisationsgrad.

Es gebe sogar Rennen wie das «Gumball 3000» oder den «Cannonballrun», die in der Regel über das Internet organisiert würden und durch mehrere europäische Länder führten. Um mitzumachen müssten die Teilnehmer sogar Gebühren oder Startgeld zahlen, heisst es beim Ministerium. Da die Rennen im Netz veröffentlicht würden, werde eine Vielfalt von Nationalitäten angezogen.

Eidgenossen geben Gas

Laut Polizei in der Grenzregion kommen die Fahrzeughalter bei illegalen Rennen oft aus der Schweiz – sie nutzten aus, dass es in Deutschland kein generelles Tempolimit gebe.

So gab es etwa Anfang November eine Wettfahrt von Eidgenossen auf der A98 bei Stockach. Sechs Autos hätten sich mehrfach formiert, den Verkehr auf der Autobahn bis zum Stillstand ausgebremst und dann massiv beschleunigt, heisst es im Polizeibericht. Die Beamten konnten die Teilnehmer des Rennens am Grenzübergang festhalten – sie mussten eine Kaution hinterlegen und erhielten unter anderem eine Strafanzeige wegen Nötigung im Strassenverkehr.

36 Chinesen lieferten sich ein Rennen

Eine deutlich weitere Anreise hatten 36 Chinesen, die sich im Juni ein illegales Rennen zwischen Isny und Wangen lieferten – allerdings auf einer Bundesstrasse. Mit gemieteten Autos rasten sie über Sperrflächen und überholten trotz Verbots und Gegenverkehr vorausfahrende Fahrzeuge.

«Ein Autofahrer fühlte sich von den rücksichtslosen Fahrern im Alter von 26 bis 51 Jahren so sehr bedrängt und gefährdet, dass er an einer Bushaltestelle anhielt und die Raser vorbeifahren liess», heisst es im Bericht. Die Beamten bremsten die elf Autos schliesslich. Die Insassen seien nur widerwillig bereit gewesen, eine Sicherheitsleistung von 200 Euro zu bezahlen.

Strasse

Zeugenhinweise fehlen

Was die Ermittlungen für die Beamten schwierig macht: Oftmals fehlen Zeugenhinweise. Nur wenige meldeten sich bei der Polizei, sagt Hauke. Einen Erfolg verzeichnete die Polizei aber in Weil am Rhein. Dorthin hatten Schweizer Auto-Tuner ihren Sitz von Basel aus verlegt.

Intensive Kontrollen hätten aber dazu geführt, dass die Szene inzwischen nicht mehr vor Ort aktiv sei, sagt ein Sprecher des Polizeipräsidiums Freiburg. Beispielsweise werde an den entsprechenden Autobahnabschnitten der Geräuschpegel gemessen, es gebe Geschwindigkeits- und Abstandsüberwachungen.

Ausserdem prüften die Beamten die rechtlichen Möglichkeiten zur Übermittlung der Verstösse an die Schweiz. «Vereinzelt wurden auch schon Fahrzeuge beschlagnahmt, um weitere Rennen zu verhindern.» (whr/sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
0 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
    Über 110'000 Betreibungen wegen Serafe-Gebühren – die Sonntagsnews
    Die Schwimmkompetenz in der Schweiz sinkt, Klaus Schwab unterbreitet dem WEF ein Friedensangebot und die Zahl der Betreibungen durch die Serafe hat sich verdoppelt: Das und mehr findet sich in den Sonntagszeitungen.

    17 Prozent der Erwachsenen in der Schweiz haben laut einer Studie bereits einen nichttödlichen Ertrinkungsunfall erlebt. Dies zeige eine noch unveröffentlichte Befragung des Forschungsinstituts GfS im Auftrag der SLRG, die der «NZZ am Sonntag» vorlag. Demnach seien Betroffene dabei in eine Situation geraten, in der sie Angst gehabt hätten, zu ertrinken. In den meisten Fällen sei es beim Schreckmoment geblieben, doch 1 Prozent habe reanimiert werden müssen und 3 Prozent seien kurzzeitig bewusstlos gewesen. «Diese Zahlen zeigen, wie wichtig es ist, dass die Bevölkerung nicht nur schwimmen kann, sondern auch Gefahren realistisch einschätzt», sagte SLRG-Sprecher Christoph Merki zur Zeitung. Die SLRG warne zudem vor einem Rückgang der Schwimmkompetenz. 2016 hätten 6 Prozent angegeben, nicht schwimmen zu können, 2024 seien es bereits 8 Prozent. Zudem erhielten rund 13 Prozent der Kinder und Jugendlichen in der Schweiz keinen Schwimmunterricht aufgrund mangelnder Infrastruktur.

    Zur Story