Ein Raunen ging am Donnerstagabend durch das Publikum im Zürcher Hallenstadion. Bundesrätin Karin Keller-Sutter sprach am «Digital Economy Award». Der Vergleich sei ein wenig zugespitzt, kündigte sie ihre Aussage an. Dann meinte die Justizministerin:
Wer sind die Velodiebe? Keller-Sutter bezog sich auf amerikanische Tech-Giganten wie Google und Facebook. Ihre Kritik erläuterte die Bundesrätin am Rande der Veranstaltung so: «Produkte, die man nicht selber hergestellt hat, kann man nicht kostenfrei zur Verfügung stellen.»
Thema der Bundesrätin war das Leistungsschutzrecht. Das ist die Anwendung des Urheberrechts auf digitalen Plattformen. Die Schweizer Medienunternehmen verlangen Geld von Google und Facebook, weil diese einen Teil ihrer Gewinne mit den Inhalten der Medienhäuser erzielen.
Den Leistungsschutz gibt es in der Schweiz bisher nicht. Aber das Europäische Parlament und der Rat haben im Frühling 2019 eine Richtlinie erlassen. Sie wird nun von den EU-Mitgliedern umgesetzt. In Deutschland ist das entsprechende Gesetz bereits in Kraft; in Österreich finden derzeit parlamentarische Beratungen statt. Die Presse schreibt von der «Lex Google».
Ein Gesetz über den Leistungsschutz besagt nicht, wie hoch die Summe ist, die fliesst. Es ist die Grundlage dafür, dass die Medienunternehmen Forderungen an Google und Facebook erheben können. Auf dem Spiel steht viel Geld, denn die Tech-Konzerne erzielen Milliardengewinne. Von diesen sollen sie einige Prozente an die Medienunternehmen weitergeben.
Das Departement von Keller-Sutter arbeitet derzeit einen Bericht aus: Es geht um die Evaluation des Urheberrechts und um den Leistungsschutz. Die Justizministerin betonte, dass sie nicht für den ganzen Bundesrat sprechen könne. Sie persönlich sei der Meinung, dass in der Schweiz ein Leistungsschutzrecht nötig sei. Keller-Sutter sagt:
Die Online-Plattformen generierten Werbeeinnahmen. Gleichzeitig präsentierten sie fremde Inhalte, die sie nicht selber entwickelt hätten. Das müsse man abgelten. «Ordnungspolitisch ist das eine saubere Lösung.»
Aus diesen Aussagen lässt sich schliessen: Keller-Sutter wird dem Gesamtbundesrat beantragen, dass in der Schweiz ein Leistungsschutzrecht eingeführt wird. Offen ist, ob ihr das Gremium zustimmt.
Was sagt Google dazu, dass die Schweizer Justizministerin das Geschäftsmodell des Unternehmens mit jenem eines Fahrraddiebs vergleicht? Google-Sprecher Samuel Leiser will nichts dazu sagen. Er verweist stattdessen auf «partnerschaftliche Gespräche», die Google derzeit mit den Verlagen führe. Inhalt ist der «Google News Showcase», ein Lizenzprogramm für Nachrichteninhalte. In den Medienhäusern herrscht allerdings die Meinung vor, dass das Modell nicht genüge, um die geforderten Abgeltungen zu erfüllen.
Die Techkonzerne stehen unter zunehmendem Druck der Politik und der Justiz. Der Vorwurf lautet, dass sie ihre marktbeherrschende Stellung ausnützten und der Verantwortung im Umgang mit irreführenden Inhalten nicht nachkämen. Das EU-Gericht stützte diese Woche eine Busse gegen Google in der Höhe von 2.42 Milliarden Euro wegen Missbrauchs der Marktmacht. (bzbasel.ch)