Auf der Leinwand lief noch die Abstimmungssendung des Schweizer Fernsehens, als sich im Berner Restaurant Grosse Schanze plötzlich ein paar Frauen zusammen aufstellten. Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone war da, FDP-Nationalrätin Jacqueline De Quattro und Mitte-Nationalrätin Priska Wismer-Felder, dazu Vertreterinnen aus der Energiebranche.
Für einen Moment drängte die Frauengruppe die Silberrücken der Energiepolitik in die hinteren Reihen: Michael Frank, als VSE-Direktor so etwas wie der oberste Stromboss, GLP-Präsident Jürg Grossen oder auch Christian Imark, SVP-Nationalrat. Ein Selfie sollte den Sieg der Frauen in der Abstimmung ums Stromgesetz festhalten. Grünen-Fraktionspräsidentin Aline Trede drückte ab.
Es ist ein Bild mit Seltenheitswert. Wer beispielsweise schon einmal an einem Stromkongress war, weiss: Die Schweizer Energiewirtschaft ist eine Männerdomäne. Wo sich Solarunternehmer mit Wind-Fachleuten und Kern-Energie-Verfechter unterhalten, sind Frauen eine Ausnahme-Erscheinung. Im Hintergrund zieht aber nicht selten ein Netzwerk von Frauen die Strippen. Das Stromgesetz ist nur ein Beispiel.
Dreh- und Angelpunkt ist Fabienne Thomas, Lobbyistin von CRK Communications und Leiterin Politik bei aee Suisse, einem Dachverband der Energiewirtschaft. Wie sie arbeitet, konnte man diese Woche in einem ausführlichen und erstaunlich offenem Porträt von SRF beobachten. Mit mehreren Bundesräten ist sie per Du, die Parlamentsarbeit begleitet sie eng, manchmal schreibt sie Vorschläge zu Gesetzestexten gleich selber.
Als ehemalige Angestellte des Bauernverbands pflegt sie ausgezeichnete Kontakte zur SVP, auch wenn sie persönlich auf einem Velo mit Gletscherinitiative-Wimpel herumradelt. Im Film sieht man, wie der Thurgauer Ständerat Jakob Stark sich mit ihr über einen Stapel Dokumente beugt und wie der Aargauer Nationalrat Alois Huber mit ihr Abstimmungsstrategien im Parlament bespricht.
Der engste Kreis von Thomas besteht aber aus drei Frauen, die mittlerweile Freundinnen sind. Die erwähnten De Quattro und Wismer-Felder, dazu Christine Badertscher von den Grünen. Mit ihr hatte sie schon beim Bauernverband gearbeitet, jetzt erhält sie von ihr einen der beiden Bundeshaus-Badges, die allen Parlamentariern zustehen. Auch wenn Thomas sagt, der Austausch sei «eher informell»: Die Bande zwischen der Lobbyistin und den Parlamentarierinnen ist sehr eng.
Als das Stromgesetz noch Mantelerlass hiess, war dies das Hauptgeschäft der Frauen-Allianz. Natürlich spielten auch andere eine wichtige Rolle, nicht zuletzt Mazzone. Doch immer wieder spielte das Frauentrio zusammen, um mögliche Kompromisse in die Fraktionen zu tragen. Als Erfolg können sie unter anderem verbuchen, dass Energieminister Albert Rösti Ausschreibungen für Solaranlagen auf Parkplätzen in Aussicht gestellt hat. Ursprünglich eine «Solardachpflicht» war dies eine der letzten Differenzen beim Stromgesetz; nun will Rösti den Verfechterinnen auf dem Verordnungsweg entgegenkommen.
«Diese Zusammenarbeit klappt über die Parteigrenzen wirklich gut», sagt Wismer-Felder. «Wir sind immer auf der Suche nach einem Kompromiss, der dann auch in unseren Fraktionen verfängt.» De Quattro als ehemalige Energieministerin des Kantons Waadt, aber auch Wismer-Felder als Vizepräsidentin des Windenergieverbands Suisse Eole geniessen viel Ansehen. Und gemeinsam sind sie wie Thomas bei aee Suisse tätig: Wismer-Felder als Co-Präsidentin, De Quattro als ihre Vize. Hier sind die Wege viel kürzer als beim Verein Women in Power, der seit zwei Jahren Frauen in der Energiebranche stärker vernetzen soll.
Auch in der Landwirtschaftspolitik gibt es Berührungspunkte zwischen den Frauen. Dort lassen die Erfolge allerdings noch auf sich warten. Badertscher und Wismer-Felder weibelten als Bäuerinnen gemeinsam für einen Gegenvorschlag zur Biodiversitätsinitiative – und unterlagen schliesslich dem Powerplay des Bauernverbands. Badertscher und Wismer-Felder waren es auch, die ein «Landkomitee» im Abstimmungskampf um das Klimaschutzgesetz gründeten. «Das geschah aus der Erfahrung nach dem gescheiterten CO₂-Gesetz heraus», sagt Badertscher. «Als Bäuerinnen waren wir gute Absenderinnen in dieser Klima-Vorlage», ergänzt Wismer-Felder.
Eine Rolle spielte die Überschneidung aus Energie- und Agrarpolitik auch bei der Wahl von Bundesrat Beat Jans. Thomas leitete vergangenen Herbst gemeinsam mit ihrem Chef die Wahlkampagne des Baslers – und konnte auf die Dienste ihrer Parlamentsfreundinnen zählen. Badertscher tüftelte Fragen aus, die Jans am Hearing der Bauern zu hören bekommen könnte. Am Anlass selber ergriff sie dann ebenfalls das Wort – und stellte eine Frage, die sie vorher im Team Jans abgesprochen hatte. Das funktionierte: Bald darauf kannte Thomas einen weiteren Bundesrat, mit dem sie per Du war. (aargauerzeitung.ch)
'Die aeesuisse vertritt ... Interessen von 40 Branchenverbänden und damit rund 42’500 Unternehmen ... (aeesuisse.ch)
Bei der Gesundheitspolitik sind Lobbysten des Teufels, bei der Energiepolitik aber nicht? Sind wir sicher, dass das neue Gesetz für die Bevölkerung gut ist, oder eher für die Unternehmen?