5,4 Milliarden Tonnen Kohlendioxid: An Emissionen in dieser Höhe sind die in der Schweiz ansässigen Kohlehändler und -förderer jedes Jahr mitbeteiligt. Das ist klimapolitisch bedeutsam, entspricht diese Menge doch dem CO2-Fussabdruck der Vereinigten Staaten.
Erstmals hat die Nichtregierungsorganisation Public Eye die Auswirkungen des Schweizer Kohlegeschäfts untersucht. Anlässlich der UN-Klimakonferenz COP27 in Ägypten, die am Sonntag begonnen hat, wollen die Aktivisten damit auf den «blinden Fleck der Schweizer Klimapolitik» aufmerksam machen und die enge Verflechtung des Rohstoffstandorts Schweiz in das Geschäft mit der Kohle aufzeigen.
Die Recherche fördert eindrückliche Zahlen zu Tage. So sind laut Handelsregister in der Schweiz 245 Unternehmen registriert, die entweder in der Produktion und der Vermarktung von Kohle tätig sind – oder sie stellen entsprechende Finanzdienstleistungen bereit. Die Schweiz wurde in den 2000er-Jahren die Wahlheimat der Kohleindustrie, besondere Anziehung üben die Standorte Genf (78 Firmen), Zug (54) und das Tessin (55) aus. Gemäss Schätzungen werden 40 Prozent des weltweiten Kohlehandels über die Schweiz abgewickelt.
Zwei, die von der Schweiz aus das Geschäft dominieren, sind Glencore und die Sibirische Energie- und Kohlegesellschaft (Suek). Der russische Kohlekonzern wurde vom Oligarchen Andrei Melnitschenko gegründet. Der sanktionierte Milliardär versuchte kürzlich, die Sanktionen zu umgehen, indem er seine Frau als Vorsitzende des Vehikels bestimmte, das die Suek kontrolliert.
Mittlerweile steht auch sie auf der Sanktionsliste; die Firma handelt nun über Dubai. Die Suek fördert pro Jahr über 100 Millionen Tonnen Kohle. Dieselbe Menge holt Glencore jährlich aus dem Boden. Der Konzern mit Sitz in Baar (ZG) ist mit 26 eigenen Minen der grösste und einflussreichste Schweizer Akteur im globalen Kohlegeschäft.
Für den Rohstoffstandort Schweiz spielt auch der hiesige Finanzplatz eine wichtige Rolle. Gemäss der Analyse von Public Eye haben die Kohle-Firmen mit Sitz in der Schweiz seit 2016 von Banken auf der ganzen Welt 72.9 Milliarden US-Dollar an Krediten erhalten. Darunter befinden sich Unternehmen wie Glencore und die SUEK, aber auch Trafigura, Vitol oder Gunvor.
Als grösster Kapitalgeber aus der Schweiz fungiert die Credit Suisse. Sie stellt mehr als die Hälfte der Schweizer Gelder für die besagten Unternehmen zur Verfügung. Dabei mischen auch die Kantonalbanken der Kantone Zürich, Waadt und Genf mit. Aufgrund dieser finanziellen Verstrickungen fordert Public Eye neben einem kompletten Kohleausstieg bis 2030 weiter, dass Finanzinstitute das Kreditgeschäft mit der Kohleindustrie kappen.
Dass die «Finanzflüsse klimafreundlich ausgerichtet werden», dafür will auch die Schweizer Delegation an der Klimakonferenz in Ägypten sorgen. Die Schweiz hat bereits am letzten Klimagipfel in Glasgow den Kohleausstieg mitunterzeichnet, ebenfalls unterstützt hat sie die Forderung nach einem Investitionsstopp in den Energieträger. Am diesjährigen Treffen in Ägypten muss der Schweizer Umweltbotschafter Franz Perrez nun darlegen, wie er diese Ziele konkret erreichen will.
Der Bundesrat hat dem Diplomaten den Auftrag erteilt, sich für ein «ambitioniertes Arbeitsprogramm» einzusetzen. «Dies insbesondere in den Sektoren, die für den Grossteil der Emissionen verantwortlich sind», heisst es – also auch bei der Kohle. Inwiefern dabei die Schweiz selbst die hier ansässige Kohleindustrie in die Pflicht nimmt, wird sie am Treffen noch überzeugend darlegen müssen.
In der ersten Woche des Treffens reist zudem Bundespräsident Ignazio Cassis an und trifft andere Staats- und Regierungschefs. In der zweiten Woche ist Umweltministerin Simonetta Sommaruga vor Ort für Gespräche mit ihren Amtskolleginnen und -kollegen «auf höchster politischen Ebene».
Während es bei früheren Klimakonferenzen vordringlich darum ging, Klimaziele zu fixieren und diese in einen verbindlichen Rahmen zu giessen, steht in Ägypten die konkrete Umsetzung im Zentrum. Die Staaten, die die Pariser Klimaziele mittragen, haben sich zum 1.5-Grad-Ziel verpflichtet. Sie müssen in Sharm-el-Sheikh nun darlegen, mit welchen Massnahmen sie ihre versprochenen Reduktionsziele bis 2030 erreichen können. Für Diskussionen sorgen wird auch der sogenannte Marktmechanismus, mit dem sich Länder Klimaschutzprojekte im Ausland anrechnen lassen können.
Da war doch mal was.
Abgelehnt. JedeR NeinstimmerIn trägt eine Mitverantortung.