Sara hat einen Master in Biomedizin. Ihr Mann verdiente 180'000 Franken Brutto im Jahr. Christian arbeitete als Anwalt bei Baker McKenzie in Zürich. Das Paar hat zwei Kinder in die Welt gesetzt – Roméo (3,5) und Romy (1,5). Die beiden wachsen aber nicht in der Schweiz auf. Grund dafür seien die mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie der gesellschaftliche Druck auf Familien – insbesondere mit Kleinkindern, wie Sara gegenüber watson sagt.
«Nach drei Monaten war ich nicht in der Lage, mein Kind in die Kita abzugeben. Denn ich hatte ein Schreikind, das sehr viel Liebe und Zuneigung verlangte». Sara befürchtete, dass die Kita-Angestellten nicht die Kapazität hatten, sich angemessen um ein Schreikind zu kümmern. «Und ich weiss, wie schlimm es für die neurologische Entwicklung ist, wenn ein Kind ignoriert wird.»
Saras Plan war ursprünglich, 40 Prozent als Technician im Labor an der Universität Zürich zu arbeiten. Roméo hätte sie an folgenden zwei Tagen in der Kita untergebracht. 2400 Franken Brutto wäre ihr monatliches Salär gewesen. Sara rechnet vor: «1400 Franken hätte die Kita-Betreuung monatlich gekostet. Acht Prozent Abzüge – das sind 200 Franken. Aufgrund der Steuerprogression und der Besteuerung als Ehepaar wären darauf 500 Franken monatlich als Steuern entfallen.» Übrig geblieben wären also 250 Franken.
Die Entscheidung, ob Job oder Mutter, habe sie stark belastet. Denn sie merkte, dass es für ihren Fall keine Vereinbarkeit für beides gebe. «Entweder wirst du als Rabenmutter beschimpft oder bist ‹nur› Hausfrau.»
Da Sara das Kindeswohl priorisierte, entschied sie sich gegen den Job an der Uni. Nicht, weil sie generell gegen Kitas ist, sondern weil ihr Kind spezielle Betreuung benötigte. Während ihr Mann nur noch Überstunden leistete und an seine Grenzen kam, widmete sich Sara voll und ganz der Erziehung.
Doch dann, als ihr erstes Kind 1,5 Jahre alt war, der Bruch: «Mein Mann kam zu mir und meinte, er wolle weg von hier, sonst bekäme er ein Burnout.» Mit «hier» meinte Christian die Schweiz. Zu diesem Zeitpunkt wollten die beiden noch ein zweites Kind. Sara war es wichtig, dieses in der Schweiz auf die Welt zu bringen.
Gesagt, getan. 2023 kam Tochter Romy in Zürich zur Welt. Wenige Monate später packte die Familie ihre Koffer und reiste nach Costa Rica.
«Es war uns zu anstrengend in der Schweiz. Gehst du mit Kindern einkaufen, nerven sich die Menschen. Fährst du ÖV mit Kindern, nerven sich die Menschen. Im Restaurant genau dasselbe. Darauf hatten wir keine Lust mehr». Sie wollten sich aus der Konsumgesellschaft zurückziehen und herausfinden, wie es sich in anderen Ländern lebt.
In Costa Rica angekommen, bemerkten sie den Unterschied zur Schweiz unerwartet schnell. Kinder wurden herzlich empfangen und liebevoll behandelt. Das Paar hatte nie das Gefühl, andere Menschen mit ihren Kindern zu nerven. Die Grundstimmung war angenehmer als in der Schweiz.
Saras Mutter hatte drei Kinder und war alleinerziehend. Sie mussten jeden Rappen umkehren. «Ich weiss, dass viele Mütter für 50 Franken im Monat arbeiten müssen.» Sara konnte es sich jedoch leisten, nicht zu arbeiten. Immer wieder erwähnt sie, dass sie dies nicht für selbstverständlich halte und ihr bewusst sei, dass sie in einer privilegierten Situation ist. Trotz des vielen Geldes müsse auch sie ihre Bedürfnisse zurückstecken.
«Nicht jeder Mann ist Anwalt und nicht jede Frau möchte sich abhängig machen von ihrem Mann», so Sara. Um sich nicht komplett vom Arbeitsmarkt abzuschotten, absolvierte die zweifache Mutter bereits in der Schweiz eine Ausbildung zur Pilates- und Rückbildungs-Lehrerin. Ihr sei bewusst, dass sie für den Arbeitsmarkt attraktiv bleiben müsse, da eine Beziehung keine Garantie darstelle. Was, wenn ihr Mann sich von ihr trennt oder tödlich verunfallt? Auf solche Situationen möchte sie bestmöglich vorbereitet sein.
Sara hat ihre Karriere für diejenige ihres Mannes geopfert. Dabei wollte sie nie finanziell von einer Person abhängig sein. Sie habe aber vollstes Vertrauen in ihn und führe viele Gespräche über die finanzielle Situation. «Er nennt es unser Geld, nicht sein Geld», erklärt sie. In Costa Rica hat er sich inzwischen selbständig gemacht als Anwalt bei Decentlaw und verdient pro Monat 8000 Franken.
Spätestens wenn Roméo in die 3. Klasse kommt, möchte die Familie zurück in die Schweiz ziehen. Den Kindergarten soll er noch in Thailand absolvieren, die geplante Destination nach Costa Rica. Und zwar an einer französischen Schule, da Roméo ist Doppelbürger. Wichtig ist der Familie, dass auch die Kinder möglichst viel vom Reisen profitieren sollen.
«Ich möchte nach der Rückkehr in die Schweiz unbedingt wieder arbeiten», sagt Sara. «Ich bin sehr gerne Mami. Aber ich bin nicht nur Mami», ergänzt sie. Sie versteht, wenn eine Frau mit einer guten Ausbildung findet, sie möchte keine Kinder. Deshalb sei es notwendig, dass man den Vater in die Elternzeit mit einschliesst. Die aktuellen drei Monate, die das Gesetz vorschreibt, seien unmöglich. «Es geht so viel Potenzial verloren an Frauen, die nicht arbeiten gehen».
Ihr Studium habe sie nicht umsonst absolviert. Irgendwann möchte Sara gerne wieder arbeiten gehen. Bis dahin geniesst sie das Leben als Vollzeitmami auf Reisen.
In was für einem Umfeld bewegen sich diese Leute? In meinem bekannten Kreis sind solche Diskussionen zwischen "Rabenmutter und nur Hausfrau" nie aufgetaucht. Vielleicht das Umfeld wechseln wenn dies so negativ ist
Hoffentlich merkt sie auf ihren Reisen, dass sie zu den 1% auf der Welt gehört und nicht das Opfer, sondern Entscheidungsträgerin ist.