Schweiz
Feministischer Streik

Brauch in Maienfeld: Der Mann muss für die Braut bezahlen

A sign in Maienfeld, Switzerland, refers to the world-famous Heidi story by Johanna Spyri that is set in this region in the Grisons, pictured on May 30, 2005. In Heididorf above Maienfeld, visitors fr ...
In Maienfeld, in der Nähe von Bad Ragaz, feiert die Knabenschaft Maienfeld Bräuche, die Fragen aufwerfen.Bild: KEYSTONE
Feministischer Streik

In Maienfeld GR muss Mann für die Braut bezahlen – «Das ist erniedrigend»

Dieser Brauch der Knabenschaft Maienfeld irritiert: Auswärtige Männer müssen dem Verein etwas bezahlen, wenn sie eine Maienfelderin heiraten wollen. Für Tamara Funiciello und die Menschenrechtsorganisation Terre des Femmes ist klar: «Das ist erniedrigend.»
07.08.2019, 16:5608.08.2019, 16:04
Mehr «Schweiz»

Eigentlich klingt es ganz harmlos: Die Knabenschaft aus Maienfeld im Kanton Graubünden feiert dieses Wochenende ihr 75-Jahr-Jubiläum. Noch heute halten die Burschen ihre Traditionen aufrecht. So dürfen nur ledige Männer Mitglieder der Knabenschaft werden. Jedes Jahr ziehen die Junggesellen durch das 2800-Seelen-Dorf und lassen die Glocken klingen. Am 1. August bauen sie ein Höhenfeuer, singen an Neujahr vor den Brunnen und befreien die Kuhpfade jeweils ein Wochenende lang von Geröll. Soweit, so gut.

Doch einer ihrer Bräuche irritiert: Wenn ein Auswärtiger eine Maienfelder Frau heiraten will, muss er die Braut der Knabenschaft «abkaufen», wie «FM1 Today» berichtet. «Der Bräutigam zahlt dabei so viel, wie sie ihm wert ist», sagt Knabenschaft-Mitglied Lukas Enderlin. Auch Naturalien und Gutscheine werden vom Männer-Verein akzeptiert. Die Knabenschaft spanne jeweils während der Hochzeit eine Kette vor das Kirchentor. «Das Paar darf die Kirche erst verlassen, wenn der Auswärtige der Knabenschaft symbolisch etwas bezahlt hat», sagt er zum Onlineportal.

Der Ursprung des Brauchs liegt in der Vergangenheit: «Früher sah man nicht gerne, wie Auswärtige unsere Frauen wegnahmen», erklärt Enderlin.

Im Jahr der landesweiten Frauenstreiks und Gleichstellungsdiskussionen wirft diese Tradition Fragen auf.

Deshalb kritisiert auch die Juso-Präsidentin und Feministin Tamara Funiciello den Hochzeitsbrauch scharf: «Das ist völlig erniedrigend.» Der Brauch suggeriere, dass die Maienfelder Frauen der Knabenschaft gehören. «Als wären Frauen Ware, die jemand kaufen kann», sagt Funiciello. Sie vergleicht den Brauch mit der Situation vor rund 40 Jahren, als die Frauen eine Erlaubnis der Ehemänner brauchten, um arbeiten gehen zu können.

Auch die Menschen- und Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes ist nicht begeistert: «Das ist äusserst problematisch und zeigt, dass die Frau früher als Eigentum der Männer gesehen wurde», sagt Sprecherin Angela Pertinez. Dazu könne man sich keinen Spass erlauben. «Es ist überhaupt nicht lustig.» Dieser Brauch der Knabenschaft Maienfeld beweise, dass die alten Vorstellungen auch heute nicht kritisch hinterfragt würden. «Dabei ist der Brauch völlig überholt.»

Solidaritaetskundgebung fuer Migranten mit Tamara Funiciello, Praesidentin Juso Schweiz, am Samstag, 15. Juli 2017, in Como, Italien. (KEYSTONE/Ti-Press/Pablo Gianinazzi)
Tamara Funiciello setzt sich immer wieder lautstark für feministische Anliegen ein. Bild: KEYSTONE/TI-PRESS

Die Knabenschaft Maienfeld hingegen versteht die Kritik überhaupt nicht. Der Verein lässt verlauten, dass er keine Stellung nehmen will und weiterhin an diesem Brauch festhalte. Die Bräuche gebe es ja, weil sie alt sind – deshalb werde daran nicht gerüttelt.

«Mir ist es egal, ob es nur ein Brauch ist – dieser Brauch muss verschwinden», sagt Funiciello. Viele Bräuche würden auf Kosten der Frauen zelebriert. Gleich sieht das Pertinez von Terre des Femmes: «Den Brauch müssen sie ganz klar abschaffen.»

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Frauenstreik am 14. Juni 2019
1 / 30
Frauenstreik am 14. Juni 2019
Sitzstreik in der Berner Kramgasse.
quelle: keystone / peter klaunzer
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Mehr weibliche Acts an Schweizer Festivals
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
231 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
olmabrotwurschtmitbürli #wurstkäseszenario
07.08.2019 17:32registriert Juni 2017
Wieviel Geld gibt es, wenn man eine Maienfelderin abgeben will?
10
Melden
Zum Kommentar
avatar
domin272
07.08.2019 20:23registriert Juli 2016
Auch wenn es eher lächerlich anmutet sich so über so etwas aufzuregen, so bin ich bei Bräuchen generell der Ansicht. Nur weil etwas alt ist, muss es noch lange nicht gut, geschweigedenn berechtigt sein. Wenn Mist 1000 Jahre zelebriert wird, so ist und bleibt es doch Mist, vor allem wenn man es heute besser weiss.
10
Melden
Zum Kommentar
avatar
Arthur Philip Dent
07.08.2019 18:16registriert Februar 2016
Hm, also wenn man sieht, was da an Poltertagen/-abenden mancherorts so veranstaltet wird, scheint das ja geradezu harmlos dagegen... Und hier ist wenigstens Tradition dahinter und ich bin mir sicher auch ein grosses Augenzwinkern... 😅 Ausserdem: wenn ich so eine Maienfelderin mit nach Zürich nehme und hier heirate, will ich den Verein ja mal sehen, wie der aufkreuzt... Ich nehme an, wenn man dem entgehen will kann man das auch... 😉

Also wirklich, ich finde den Gedanken an sich bedenklich und bin wirklich schnell für feministische Anliegen zu gewinnen, aber hier... Ich glaub nicht.
01
Melden
Zum Kommentar
231
    Bundesrat Cassis sorgt sich um die Demokratie

    Die Medien seien die Hüter der Urteilskraft, die Demokratie brauche diesen inneren Kompass dringender denn je. Bundesrat und Aussenminister Ignazio Cassis forderte die Branche am Swiss Media Forum in Luzern als Gast auf, ihrer Verantwortung gerecht zu werden.

    Zur Story