Bundesrat Cassis sorgt sich um die Demokratie
Die Medien seien die Hüter der Urteilskraft, die Demokratie brauche diesen inneren Kompass dringender denn je. Bundesrat und Aussenminister Ignazio Cassis forderte die Branche am Swiss Media Forum in Luzern als Gast auf, ihrer Verantwortung gerecht zu werden.
Die schwindende Zustimmung zur Demokratie sei eine seiner grössten Sorgen, sagte Cassis am Donnerstag im Luzerner Kongress- und Kulturzentrum in seiner Rede vor der versammelten Schweizer Medienbranche. «Rechtsstaatliche Institutionen werden unter dem Banner der Demokratie geschwächt und demokratische Rechte im Namen der herrschenden Ideologie eingeschränkt», sagte Cassis. Was bleibe, sei eine «Demokratie light» ohne Substanz – oder ein Rechtsstaat ohne Rückhalt.
Der Tessiner erinnerte daran, dass der Demokratieindex im vergangenen Jahr weiter gesunken sei. Nur 6,6 Prozent der Menschheit leben in einer voll funktionsfähigen Demokratie. Im Jahr 2024 wurden in 73 Staaten mehr als vier Milliarden Menschen zu den Urnen gerufen, mit einem «ernüchternden Ergebnis». Keine der regierenden Parteien habe Anteile gewonnen, betonte der Bundesrat.
Auch die Schweiz bleibe nicht unberührt von den geopolitischen Entwicklungen. Die politische Urteilskraft der Bürgerinnen und Bürger zu stärken, sei deshalb die zentrale Aufgabe der Medien, so Cassis. «Informieren, einordnen, kontrollieren. Alle drei Funktionen sind unverzichtbar», bilanzierte der Tessiner FDP-Magistrat. «Ich fordere Sie deshalb auf, Ihrer Verantwortung gerecht zu werden», sagte er.
Techkonzerne treiben Polarisierung voran
Cassis griff in seiner Rede auch die grossen Techkonzerne an, die mit ihren Algorithmen gezielt Empörung schüren und dadurch mehr Klicks generieren würden. «Das entzieht den klassischen Medien nicht nur Werbegelder, sondern treibt die gesellschaftliche Polarisierung voran», sagte Cassis.
Künstliche Intelligenz und sogenannte Bots, die sich als Menschen ausgeben, würden den Populisten und Manipulatoren neue Mittel verschaffen, um Lügen im Gewand der Wahrheit zu verbreiten.
Fundamentalere Probleme als die SRG
Cassis war der Hauptredner am ersten Tag des Swiss Media Forums, das nicht zuletzt im Zeichen des Schulterschlusses zwischen der SRG und den privaten Schweizer Verlegern stand. Die SRG schränkt künftig ihre Aktivitäten im Online-Bereich ein, darf dafür aber auf den Support der Verleger zählen im Kampf gegen die Initiative zur Senkung der Radio- und TV-Gebühren auf 200 Franken.
Marc Walder, der CEO von Ringier, sagte aber im Rahmen der «Elefantenrunde» der Verleger, es gebe für die Medienunternehmen fundamentalere Probleme als den Umgang mit der SRG. Walder bekräftigte stellvertretend, dass fehlende Regulierungen von künstlicher Intelligenz und ein fehlendes Leistungsschutzrecht die grössten Herausforderungen seien. Das geforderte Leistungsschutzrecht soll journalistische Inhalte auf den Tech-Plattformen urheberrechtlich schützen.
2025 bisher Licht und Schatten
Die Schweizer Medien verlieren derweil immer mehr an Attraktivität für die Werbeindustrie. 2024 sei das digitale Werbevolumen erstmals nicht gewachsen, erklärte Walder weiter. Dies dürfte vielen Verlagen mit Blick nach vorne zusätzliche Schwierigkeiten bereiten. Die fortschreitende Verschiebung der Werbung zu BigTech sieht auch Michael Wanner, CEO von CH Media, als grosses Problem.
Zusätzlich zu dieser strukturellen Verschiebung dämpfen 2025 die wirtschaftlichen Unsicherheiten die Werbeausgaben. Das laufende Jahr habe bezüglich Werbevolumen bisher Licht und Schatten gezeigt, sagte Wanner.
Am Freitag, dem zweiten Tag des Medienkongresses, spricht Martin Schlegel, der neue Präsident der Schweizerischen Nationalbank, zur Branche. (sda)
