Schweiz
Gesundheit

Milde Herzmuskelschäden sind nach erstem Booster häufiger als angenommen

Milde Herzmuskelschäden sind nach erstem Booster häufiger als angenommen

09.11.2022, 12:0409.11.2022, 14:00
Mehr «Schweiz»

Vorübergehende milde Schädigungen des Herzmuskels sind nach der ersten Covid-19-Booster-Impfung häufiger als bisher angenommen. Dies zeigt eine Studie von Basler Forschenden.

Was wurde untersucht?

Ein interdisziplinäres Forscherteam der Universität und des Universitätsspitals Basel hat bei Mitarbeitenden des Unispitals drei Tage nach der Auffrischimpfung einen Marker namens «kardiales Troponin» im Blut gemessen, wie die Universität Basel am Mittwoch mitteilte (siehe Quellen). Steigt die Menge des Troponins über den Normbereich, lässt dies auf eine Schädigung des Herzmuskels schliessen.

Der Impfstoff fuer die vierte Impfung gegen das Coronavirus wird vorbereitet, am Mittwoch, 12. Oktober 2022, im Impfzentrum Lugano Besso in Lugano. (KEYSTONE/Ti-Press/Samuel Golay)
Bei 22 von 777 Teilnehmenden (davon 540 Frauen) hat das Forscherteam milde, vorübergehende Herzmuskelschäden festgestellt.Bild: keystone

«Wir haben erhöhte kardiale Troponinwerte bei einem höheren Anteil der Geimpften festgestellt als erwartet», fasst der federführend an der Studie beteiligte Kardiologe Christian Müller die Ergebnisse zusammen.

Bei 22 von 777 Teilnehmenden (davon 540 Frauen) hat das Forscherteam milde, vorübergehende Herzmuskelschäden festgestellt. Das entspricht 2.8 Prozent der getesteten Personen. Erwartet hatten die Forscher aufgrund von früheren passiven Beobachtungen einen Anteil von 0.0035 Prozent, also 35 auf 100'000 Geimpfte.

«Wir müssen aufgrund der erhöhten kardiovaskulären Ereignisse während und kurz nach einer Coronainfektion annehmen, dass die Erkrankung zu stärkeren schädlichen Effekten am Herzen führt.»
Christian Müller, Kardiologe

Von den 22 Personen mit Troponin-Werten über dem Normbereich waren 20 Frauen und 2 Männer. Der Anteil der Frauen, die nach der Booster-Impfung Herzmuskelzellschäden zeigten, lag demnach bei 3.7 Prozent, bei den Männern lag der Anteil nur bei 0.8 Prozent. An Tag 4 lagen die kardialen Troponinwerte bei der Hälfte der Frauen und bei beiden Männern wieder im Normbereich.

Bisher gab es nur Daten aufgrund von früheren passiven Beobachtungen. Dabei handelte es sich um schwere Fälle einer Herzmuskelentzündung vor allem bei jungen Männern, die im Spital behandelt werden mussten, wie Müller betont.

Was für gesundheitliche Effekte treten auf?

Bei den in der Studie festgestellten milden Effekten handelt es sich laut Müller um Symptome wie Kurzatmigkeit, Müdigkeit und eventuell auch Druck auf der Brust.

Was die Schädigung begünstigt, steht laut Müller noch nicht fest. Im Zentrum der Annahmen stehen entweder die höhere Dosis mRNA im Impfstoff oder eine heftigere Reaktion des Immunsystems.

Der Herzmuskel kann sich gemäss heutigem Wissen nicht oder allenfalls minim regenerieren. Laut Studien-Co-Leiter Müller ist es daher möglich, dass jährliche Impfungen milde Schädigungen nach sich ziehen können.

«Wir müssen aufgrund der erhöhten kardiovaskulären Ereignisse während und kurz nach einer Coronainfektion annehmen, dass die Erkrankung zu stärkeren schädlichen Effekten am Herzen führt. Für letzteres gibt es harte Evidenz.»

Was heisst das?

Die Befunde der Basler Forscher harren noch der Begutachtung durch ein Fachjournal. Zudem gilt es gemäss Professor Müller die Herzmuskelzellschäden weiter zu erforschen.

«Wir sind auch natürlichen Infektionen ausgesetzt, Corona oder Grippe, die den Herzmuskel schädigen können. Trotzdem müssen wir die Effekte in der Risiko-Nutzen-Abwägung gerade für jüngere Menschen berücksichtigen, was aber anhand der derzeitigen Datenlage schwierig ist.»

Für Müller steht der überwiegende Nutzen der mRNA-Impfstoffe weiterhin ausser Frage. Deren effizienter Schutz sei eine «medizinische Sensation».

Ohne diese Entwicklung wäre der Schaden durch die Pandemie «um mehrere Grössenordnungen höher gewesen. Die Impfstoffe haben Millionen Menschenleben gerettet».

Insofern hätten jene Teile der Bevölkerung nicht recht erhalten, die nach wie vor skeptisch gegenüber der mRNA-Impfung seien.

Aber es braucht laut Müller weitere Verbesserungen bei diesen Vakzinen. Es liege nun an den Impfstoffherstellern, die Impfstoffe weiter zu optimieren, um bestenfalls den Herzmuskel nicht zu schädigen. «Bei der Sicherheitsprüfung der Auffrischimpfungen müssen sie künftig das Phänomen der Herzmuskelzellschädigung ebenfalls berücksichtigen.»

Auch Covid kann den Herzmuskel schädigen – wie häufig ist das?

Auf die Frage, wie viel Prozent der Corona-Infizierten Schäden an Herzmuskelzellen durch das Virus erleiden, antwortet Professor Müller:

«Auch das wissen wir nicht genau. Bekannt ist, dass schwerere Verläufe auch den Herzmuskel schädigen können, aber systematisch und auf Basis der sehr sensitiven kardialen Troponinmessung ist das bisher nicht untersucht worden. Bestenfalls müsste man dafür auch die kardialen Troponinwerte vor der Erkrankung und dann während der Erkrankung messen.»
quelle: unibas.ch
Infektion sei riskanter
Wie gross letztlich das Risiko für eine Herzmuskelentzündung (Myokarditis) und für bleibende Schäden durch Covid-19 ist, sei nach wie vor nicht ganz klar, schreibt die Deutsche Herzstiftung auf ihrer Website. «Eines kristallisiert sich allerdings aus den bisher vorliegenden Daten heraus: Das Risiko einer schweren (akuten) Herzschädigung ist bei einer Infektion mit dem Erreger SARS-CoV-2 offenbar merklich grösser als bei einer Impfung mit einem mRNA-Impfstoff zum Schutz vor Covid-19. Das hat zum Beispiel die Auswertung der Daten von rund 1,7 Millionen Menschen mit und ohne Impfung aus Israel ergeben.»

Quellen

(cpf/sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Traurige Szenen – die Heldengräber in der Ukraine
1 / 17
Traurige Szenen – die Heldengräber in der Ukraine
Ukrainische Soldaten begraben kurz nach Weihnachten 2023 ihren Kameraden Vasyl Boichuk im Dorf Iltsi.
quelle: keystone / evgeniy maloletka
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Jöö-Content! Diese Ziege spielt Nanny und lässt dein Herz schmelzen
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
48 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Chalbsbratwurst
09.11.2022 14:18registriert Juli 2020
Zitat: "Laut Studien-Co-Leiter Müller ist es daher möglich, dass jährliche Impfungen milde Schädigungen nach sich ziehen können."

Aha... aber als ich gestern geschrieben habe, dass ich mir keinen vierten Booster hole, wurde ich belehrt, dass ich ein Risiko eingehe, weil ich ja immer noch an Longcovid erkranken könne.

Was meinen die Kritiker heute?
Soll ich besser das Risiko einer irreparablen Herzmuskelschädigung oder besser das Risiko von Longcovid eingehen?

Nichts ist absolut risikofrei! Und welches Risiko man eingehen möchte, sollte jeder für sich selber entscheiden!
11040
Melden
Zum Kommentar
avatar
Xinaka
09.11.2022 17:43registriert Juli 2019
Ist die Schädigung nun 'vorübergehend' (wie es auf der Legende unter dem ersten Bild im Artikel steht) oder 'unheilbar' (Zitat aus dem Artikel : "Der Herzmuskel kann sich gemäss heutigem Wissen nicht oder allenfalls minim regenerieren")? Das macht doch einen ziemlichen Unterschied... Und ist der Effekt kumulativ, kann er mit jedem zusätzlichen Booster zunehmen?
541
Melden
Zum Kommentar
avatar
Finöggeli
09.11.2022 16:39registriert Oktober 2022
Na dann…. Einen Grund mehr, keinen Booster mehr zu machen.
Eine nachgewiesene Erkrankung plus zweimal Moderna scheinen mir ausreichend Immunisierung zu sein.
5821
Melden
Zum Kommentar
48
Der «Pink Moon» im April: 13 spannende Fakten zum Vollmond
Am 24. April 2024 um 1.48 Uhr Schweizer Zeit tritt der Vollmond zum vierten Mal in diesem Jahr ein. Er wird auch «Rosa Mond» (auf Englisch: «Pink Moon») genannt und steht im Sternbild Jungfrau. Der Name «Rosa Mond» hat nichts mit dessen Farbe zu tun – er wurde von Nordamerikas Ureinwohnern nach der rosa Flammenblume benannt, die zum Frühlingsbeginn blüht.

Der Mond begleitet uns Menschen schon seit Urzeiten. Seit jeher übt er eine anziehende Wirkung auf die Menschheit aus. Besonders in den Vollmondnächten zieht uns die silbrig strahlende Kugel am Sternenhimmel immer wieder aufs Neue in ihren Bann.

Zur Story