«Trinken Sie gerne Grapefruitsaft?» Diese Frage stellte der Gynäkologe der 17-jährigen Cassandra B., als sie sich bei ihm untersuchen lässt. Sie ist im ersten Monat schwanger, obwohl sie die Pille nimmt. Es ist Spätsommer 2012. Cassandra ist gerade von ihren Ferien auf dem Kreuzfahrtschiff zurück – und sie ist schwanger, was sie sich nicht erklären kann.
«Ja, ich liebe Grapefruitsaft, ich habe ihn den ganzen Sommer über getrunken», antwortet Cassandra. Dies sei wahrscheinlich der Grund, weshalb sie jetzt schwanger sei, meinte der Gynäkologe.
Hebt die Frucht den Schutz der Pille tatsächlich auf? Bereits 1996 wies eine Studie von Forschenden der Friedrich Schiller Universität in Jena darauf hin, dass der Saft von Grapefruit einen Einfluss auf die Wirkung der Antibabypille hat. Für die Untersuchung trank ein Teil der Probandinnen Kräutertee, ein anderer Teil Grapefruitsaft. Daraufhin wies der Körper der Grapefruitsaft-trinkenden Frauen ein höherer Östrogenspiegel auf – trotz Pille, die das Östrogen auf einem gewissen Level halten soll.
Die Studienautoren vermuteten, dass die Grapefruit den Abbau von Östrogen hemmt. Sie empfahlen, auf Grapefruitsaft zu verzichten, wenn man Medikamente wie die Pille einnimmt. Ausserdem seien weitere Studien für die Erforschung dieses Gebietes nötig.
Obwohl weitergeforscht wurde, konnte keine Studie beweisen, dass der Grapefruitsaft den Schutz der Pille aufhebt. Die Wirkung ist bis heute umstritten.
Die Gynäkologin Sibil Tschudin, leitende Ärztin am Universitätsspital Basel, bestreitet einen Einfluss gar ganz: «Grapefruit hat auf die Wirkung der Pille keinen negativen Einfluss.» In der Grapefruit enthaltene Wirkstoffe hemmen den Abbau von Östrogen, sodass der Verhütungsschutz sicher nicht verringert ist.
Tschudin weist hingegen darauf hin, dass für Frauen, die Medikamente wie Antiepileptika oder HIV-Mittel einnehmen, die Antibabypille kein geeignetes Verhütungsmittel ist.
Denn die Wirkstoffe in der Grapefruit, die den Östrogenspiegel erhöhen, können auch die Wirkung anderer Medikamente beeinflussen. Sie binden Enzyme im Verdauungstrakt, was die Aufnahme von Arzneistoffen wie Sildenafil – besser bekannt als Viagra – oder Saquinavir, das zur Behandlung von HIV eingesetzt wird, tangiert.
Ob und wie ein Medikament mit der Grapefruit interagiert, hängt vom Medikament selber und von der Person ab, die es einnimmt. Die Gene sind entscheidend, wie stark die Frucht den sogenannten Arzneimittelstoffwechsel beeinflusst.
Die verdächtigen Wirkstoffe kommen übrigens auch in Bitterorangen und Tangelos vor, einer Hybride aus Grapefruit und Mandarine. Diese Früchte wurden zwar nicht im Detail untersucht, doch theoretisch sollten sie den gleichen Effekt wie die Grapefruit verursachen.
Für Cassandra B. spielt es keine grosse Rolle mehr, ob der Grapefruitsaft tatsächlich Auslöser für die ungewollte Schwangerschaft war. Sie lebt heute mit ihrer 7-jährigen Tochter in Greyerz, Kanton Freibourg. Die PH-Studentin wollte trotz des Schocks die Schwangerschaft fortsetzen. «Ich kann nicht sagen, wie viel Grapefruitsaft ich im Sommer damals getrunken habe – doch es war viel».
Die Wirkung der Zitrusfrucht auf die Antibabypille bleibt umstritten. Wie viel Saft man maximal trinken kann, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Gynäkologin Tschudin meint dazu: «Es ist grundsätzlich nicht gesund, wenn man etwas in komplettem Übermass zu sich nimmt.» Wer sicher gehen will, wendet sich an seine Ärztin oder seinen Arzt.
Aber eben, auch weil man nur vage Erkenntnisse hat und Komplikationen nicht ausgeschlossen sind.
Ich finde es müsste in der schulischen Aufklärung vor solchen Problemen gewarnt werden.
https://www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=Grapefruitsaft