Schweiz
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Eine neue Studie zeigt den Geschlechtergraben in

Männer führen, Frauen krampfen: Eine neue Studie zeigt den Geschlechtergraben in Spitälern

In den Verwaltungs- und Stiftungsräten der Schweizer Spitäler sitzen mehrheitlich Männer. Dagegen arbeiten viel mehr Frauen in Gesundheitsberufen. Auch bei der Nationalität gibt es markante Unterschiede.
11.05.2023, 16:0811.05.2023, 21:55
Rahel Künzler / ch media
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Das Pflegepersonal in Spitälern besteht zu 85 Prozent aus Frauen. In der Führung zeigt sich das umgekehrte Bild.Bild: KEYSTONE

Kürzlich wurde mit SVP-Gemeinderätin Saskia Meyer die vierte Frau in den Verwaltungsrat des zürcherischen Spitals Bülach gewählt. Bei insgesamt neun Sitzen ist der Frauenanteil damit auf 45 Prozent gestiegen. Eine Ausnahme. In vielen anderen Spitälern sitzen eine, maximal zwei Frauen im Verwaltungsrat - oder gar keine.

Über alle Schweizer Akutspitäler gesehen, liegt der Frauenanteil in der Führungsetage bei 28 Prozent. Noch ausgeprägter ist der Geschlechtergraben an der Spitze: Die Ämter Präsidium und Vizepräsidium sind zu 15 Prozent mit Frauen besetzt. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie der auf Gesundheitsfirmen spezialisierten Beratungsfirma Muller Healthcare Consulting.

Gesundheitspersonal ist überwiegend weiblich

Dabei hat sie nicht nur das Geschlechterverhältnis angeschaut, sondern die Zusammensetzung der Verwaltungs- und Stiftungsräte auch auf andere Merkmale geprüft. Anhand der im Internet verfügbaren Daten analysierte das Beratungsunternehmen Alter, Nationalität und Expertisen der obersten Strategiegremien von insgesamt 120 Spitälern und Spitalgruppen. Die Studie erhebt keine Ansprüche auf Vollständigkeit, liefert aber Hinweise zur Situation.

Mit einer Frauenquote von 28 Prozent in der Führungsetage zeigt sich im Spitalwesen ein ähnliches Bild wie in der Gesamtwirtschaft: In den 100 grössten Schweizer Firmen besetzen Frauen insgesamt 29 Prozent der Sitze im Verwaltungsrat, wie dem neusten Schilling-Report zu entnehmen ist. Gerade in den vergangenen Jahren ist die Quote stark gestiegen.

Für die Spitäler existierte bislang noch keine solche Auswertung. Bemerkenswert ist die Männerdominanz in Führungsetagen, weil es sich beim Gesundheitspersonal genau andersherum verhält: Drei Viertel sind Frauen. Sie pflegen, arbeiten als Physiotherapeutinnen oder Ärztinnen. Am tiefsten ist der Geschlechtergraben beim Pflegepersonal: 85 Prozent der Stellen sind mit Frauen besetzt. Einzig bei den Ärztinnen und Ärzten ist das Geschlechterverhältnis annähernd ausgeglichen.

Kaum Ausländer in Führungspositionen

Der markanteste Unterschied zwischen Führungsetage und der restlichen Belegschaft zeigt sich bei der Nationalität: 93 Prozent der Verwaltungs- und Stiftungsratsmitglieder sind gemäss der Auswertung Schweizer. Dagegen stammt rund ein Drittel des Pflegepersonals aus dem Ausland. Und auch in den Verwaltungsräten grosser Schweizer Firmen haben laut dem Schilling-Report 36 Prozent der Mitglieder einen ausländischen Pass.

Das Fazit der Beratungsfirma in aller Kürze: «Die obersten Führungsebenen bestehen zu einem bedeutenden Anteil aus ‹älteren› Herren schweizerischer Nationalität.» Im Umgang mit dem Fachkräftemangel stelle sich die Frage, ob eine solche Diskrepanz zum Rest des Personals förderlich sei.

IT-Kenntnisse sind selten vorhanden

Bei den Kompetenzen der Verwaltungs- und Stiftungsratsmitglieder schwingen «Wirtschaft und Finanzen» klar obenaus. Jedes dritte Mitglied bringt Erfahrungen in diesem Bereich mit. Medizinische Kenntnisse folgen erst auf Platz zwei. In fast einem Viertel der Spitäler ist diese Kernexpertise laut der Analyse gar nicht repräsentiert.

Eine anderes vermeintlich wichtiges Fachgebiet ist Digitalisierung und IT. Nur drei Prozent der Verwaltungsräte und -rätinnen sind darin versiert - «trotz der aktuellen Relevanz von Digitalisierungsthemen im Gesundheitswesen», wie die Autorinnen und Autoren der Studie festhalten.

Auf Basis aller Merkmale berechneten sie einen Diversitätsindex. Die Top-3-Spitäler mit den am besten durchmischten Führungsgremien sind demnach: die private Spitalgruppe Pallas Kliniken, das Genfer Privatspital «Hôpital de la Tour» und die Berner Insel-Gruppe. Das Kantonsspital Aarau oder auch die Hirslanden-Gruppe liegen im hinteren Drittel. In der Auswertung habe sich kein Zusammenhang zwischen Art oder Grösse des Spitals und der Durchmischung gezeigt. (aargauerzeitung.ch)

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36 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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WatSohn?
11.05.2023 18:50registriert Juni 2020
Ich habe als Pflegefachmann während über 40 Jahren in verschiedenen Spitälern an der Front gearbeitet. Die Bereichsleiterinnen und Pflegedienstleiterinnen die ich erlebt habe, haben sich mehrheitlich dieser Männerwelt angepasst. Abgehoben, und ohne offenes Ohr für die Anliegen der Pflegenden .Es gab löbliche Ausnahmen. Ich habe eine Pflegedienstleiterin im Ohr, die mir auf meinen Hinweis, dass die Pflege qualitativ nicht mehr genügend sei, zur Antwort gab, ich müsse die Prioritäten anders setzen. Ich schlug ihr vor, sich vor Ort ein Bild zu machen. Sie hat dieses Angebot natürlich abgelehnt
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Denkenderprolet
11.05.2023 20:44registriert August 2021
Sehr reisserischer Titel...
Über die Ursachen kann anhand dieser Untersuchung keine Aussage getroffen werden. Anders als dieser Artikel suggeriert. Bitte nächstes mal als Kommentar/Meinung der Autorin kennzeichnen @Watson
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