Oberhalb von Brienz GR bewegt sich die Schutthalde mit zunehmender Geschwindigkeit Richtung Tal. Eine Steinlawine könnte mit über 80 Stundenkilometern das Dorf erreichen. Eine zweite Evakuierung des Dorfes wird ab sofort vorbereitet, so Gemeindepräsident Daniel Albertin.
Bei einer Bevölkerungsinformation am Samstagabend erklärte der Experte Stefan Schneider, dass die Geschwindigkeit, in der sich das Geröll talabwärts bewegt, klar zugenommen hat – teilweise mit Geschwindigkeiten von über sieben Metern pro Jahr.
Auch im obersten Teil hat die Schutthalde mit bis zu 40 Zentimetern am Tag bewegt.
«Kommt es zu einem Schuttstrom, erreichen die Schuttmassen mit grosser Wahrscheinlichkeit das Dorf», heisst es in der Information. Und die Bewegungen der Masse – vor allem, wenn nass – seien unvorhersehbar.
Die 1,2 Millionen Kubikmeter absturzgefährdeten Gesteinsmassen seien im Vergleich zum letzten grossen Ereignis vom Juni 2023 sehr feucht. Deshalb müsse davon ausgegangen werden, dass sie schneller abrutschen und weiter ins Dorf vordringen könnten. Im Juni letzten Jahres stoppte eine Steinlawine kurz vor dem Dorf.
Gerade heute ist ein Schuttstrom aber unwahrscheinlich. Die Lage sei aber instabil und kann sich sehr schnell ändern, besonders wenn es vermehrt zu Niederschlägen kommt.
Es sei schwierig, solche Bewegungen vorauszusagen und die Bevölkerung rechtzeitig zu warnen. Deshalb wird ab sofort die Warnstufe Gelb ausgerufen. Die Bevölkerung muss sich sofort auf eine Evakuierung vorbereiten.
Die Einwohner von Brienz dürfen allerdings weiterhin im Dorf bleiben, müssen aber jederzeit für eine Evakuierung bereit sein. «Eine Evakuierung kann bereits in den nächsten Tagen geschehen», so Albertin.
Falls sich die Situation so verändert, dass man mit einem Ereignis rechnen muss, wird die Phase Orange ausgerufen – dann kommt es zur Evakuierung. Das Dorf muss dann sofort innert einer kurzen Zeit evakuiert werden. Danach herrscht ein Betretungsverbot für das Dorf.
Für Betroffene steht eine anonyme Hotline zur Verfügung. Die Bevölkerung des bedrohten Bergdorfs Brienz steht unter einer «riesigen psychischen Belastung».
Die Stimmung bei den Betroffenen war angespannt. Die erneute Zuspitzung der Lage versetze die Brienzerinnen und Brienzer unter grossen psychischen Druck, hiess es aus den Rängen. «Wie lange wollen sie uns das noch zumuten?», fragte ein Bewohner während des Informationsanlasses am Samstagabend.
Ein anderer bat die Gemeinde, den Schritt der erneuten möglichen Evakuierung zu überdenken. Ein Landwirt klagte, er wisse nicht, wohin mit seinen Tieren, insbesondere weil der Winter bevorsteht. Die letzte Evakuierung hatte im Frühling 2023 stattgefunden.
(cmu mit sda)