Schweiz
International

Was will die Bewegung «Extinction Rebellion» genau?

Gegen die Ausrottung der Menschheit: Was will die Bewegung «Extinction Rebellion» genau?

Jeden Tag wollen sie eine von Zürichs Hauptverkehrsachsen lahmlegen. Bis ihre Forderungen erfüllt sind. Was bringt das dem Klima, fragen wir uns. Ein paar Antworten.
05.10.2021, 18:55
Sabine Kuster / ch media
Mehr «Schweiz»

Was will die Klima-Bewegung «Extinction Rebellion»?

Sie fordert, dass der Bundesrat die existenzielle Bedrohung durch die Klimaerwärmung und ihren Folgen besser kommuniziert und sofort handelt. Das Artensterben soll aufgehalten und die Treibhausgasemissionen bis 2025 auf netto-null reduziert werden.

Menschen der Klimaorganisation "Extinction Rebellion" blockieren die Strasse in der Zuercher Innenstadt, aufgenommen am Montag, 4. Oktober 2021 in Zuerich. (KEYSTONE/Ennio Leanza)
Aktivist von Extinction Rebellion am Montag in Zürich.Bild: keystone

Eines ihrer wichtigen Werkzeuge sind Bürger:innenversammlungen um über die notwendigen Massnahmen zu diskutieren. «Wir sind keine Besserwisser», sagt ein Sprecher, Martin Raaflaub. «Aber wenn man den Leuten die Folgen des Klimawandels so vor Augen führen würde, wie jene der Pandemie, dann wäre bereits vieles anders. Der Bundesrat ist darum nicht das Problem, aber auch nicht die Lösung.»

Warum treten sie gerade jetzt auf die Strasse?

2018 und 2019 erlange das Klimaproblem eine noch nie dagewesene Aufmerksamkeit. Doch es wurde von der Pandemie für über ein Jahr verdrängt. «Diese verlorene Zeit ist schlimm genug,» findet Sprecher Martin Raaflaub, jetzt müsse der Diskurs über den Klimanotstand wieder lanciert werden. «Die inzwischen längst reale Klimakrise und ihre Hauptursachen sind mindestens seit dreissig Jahren bekannt. Trotzdem haben wir es nicht geschafft, unsere Lebensweise und unsere Wirtschaft diesem Wissen entsprechend umzugestalten.»

Wie lange dauert die Aktion?

Die Bewegung will ab jetzt jeden Tag um 12 Uhr den Verkehr auf einer Strasse in Zürich blockieren, so lange bis die Forderungen erfüllt seien. Es gebe aber kein Strategiebüro, die Bewegung lebe von den Menschen, die sich persönlich einsetzten, solange sie könnten und wollten, so Sprecher Raaflaub. Intern wurden die Sympathisanten offenbar aufgefordert, zwei Wochen frei zu nehmen.

Der Informationsfluss läuft über Messengerdienste und die lokalen Gruppen. Jeweils am Morgen finden Treffen in der Zürcher Innenstadt statt, an denen die Teilnehmenden auch vorbereitet werden, wie sich bei einem Polizeikontakt verhalten sollen. Am Dienstag, 5. Oktober findet ein Zoom-Meeting für Neue statt.

Menschen der Klimaorganisation "Extinction Rebellion" blockieren die Strasse in der Zuercher Innenstadt, aufgenommen am Dienstag, 5. Oktober 2021 in Zuerich. (KEYSTONE/Ennio Leanza)
Klimaaktivistinnen und -aktivisten stellten am Dienstag auf der Uraniastrasse ein Gerüst auf und mussten von spezialisierten Höhenrettern von Schutz & Rettung Zürich heruntergeholt werden.Bild: keystone

Wie geht es weiter?

Auch andere Orte in der Schweiz kommen laut der Bewegung in Frage. Zürich habe aber als wirtschaftsstärkste und international bekannteste Schweizer Stadt eine grosse Ausstrahlungs­kraft und biete die Möglichkeit, viele Menschen direkt zu erreichen.

Wie es mit der Bewegung weitergehen werde, würden die Menschen gemeinsam entscheiden, die die Bewegung in die Zukunft tragen, so Raaflaub. «Die nächsten Schritte lassen sich darum nicht vorhersagen. Sie können mehr oder weniger spontan hier oder dort erfolgen.»

Wie gross ist die Bewegung? Und wer ist dabei?

Extinction Rebellion ist eine globale Umweltbewegung. Sie haben lokale Gruppen in den meisten grösseren Schweizer Städten. Laut Sprecher Raaflaub steht die Alterspyramide Kopf: Alle Altersklassen seien vertreten, aber viele Ältere dabei. «Hier trifft es nicht zu, dass Senioren nur den Lebensabend geniessen wollen. Sie haben ein grosses Verantwortungsgefühl.» Am Montag waren rund 300 Personen auf der Strasse, die schweizweite Grösse kann die Organisation selbst nicht beziffern, es gibt keine Mitgliedschaften.

Wie ist die Bewegung zu Aktionen mit Gewalt eingestellt?

«Extincion Rebellion» gilt durch diverse Aktion mit zivilem Ungehorsam als radikale Klimabewegung. Gewalt ist laut Sprecher Martin Raaflaub in dieser Bewegung jedoch das absolute No-Go. «Das ist nicht verhandelbar. Wer in irgendeiner Form Gewalt anwendet, gehört nicht zu Extinction Rebellion.

Gewaltfreiheit ist nicht nur ein Bestandteil unserer Strategie, sie ist unsere Strategie.» Er habe Angst davor, was kommen könnte, wenn sich trotz der gewaltlosen Proteste einfach nichts ändere. «Ich fürchte nicht, dass es keine Bienen mehr gibt, wenn meine Kinder gross sind.

Polizisten verhaften die Menschen der Klimaorganisation "Extinction Rebellion" auf der Strasse in der Zuercher Innenstadt, aufgenommen am Dienstag, 5. Oktober 2021 in Zuerich. (KEYSTONE/Enni ...
Eine Aktivistin wird von der Polizei am Dienstag weggetragen.Bild: keystone

Sondern, dass die gesellschaftlichen Spannungen riesig werden und gewalttätig. Sicher ist: Das werden keine Mitglieder von Extinction Rebellion sein. Um eine solche Entwicklung zu verhindern, mache ich hier mit», sagt Raflaub, 44 Jahre alt und seit kurzem Teil der Bewegung.

Wie reagiert die Polizei?

Am Montag wurden 134 Teilnehmende vorübergehend festgenommen. Gestern Dienstag waren es noch 15 - es waren weniger Aktivistinnen und Aktivisten erschienen und die Strasse konnte schon um 12 Uhr wieder freigegeben werden. Die Teilnehmenden des Sitzstreikes haben die Polizei unterschiedlich erlebt. «Ich kann nur von mir sprechen», sagt Martin Raaflaub, «ich fand die Zusammenarbeit mit der Polizei ausgezeichnet. Sie wurden im Vorfeld genau über unser Vorhaben informiert. Als die Zürcher Polizei am Morgen zur Arbeit ging, wusste sie: Heute gehen wir Klimaaktivisten von der Strasse wegtragen und verhaften. Die Polizei macht ihren Job und wir sind prinzipiell froh drum, dass sie das tun. Mehrere Polizistinnen und Polizisten haben mir ausserdem gesagt, sie hätten Verständnis für das was wir täten, es müsse etwas passieren.»

Die Schweiz ist klein. Was sollen Aktionen hier dem Klima bringen?

«Nur auf der Landkarte ist die Schweiz klein», sagt Martin Raaflaub. «Als Finanz- und Rohstoff­handelsplatz, als Forschungs- und Innovationsstandort sind wir ein grosser Player und in Sachen direkter Demokratie sogar Weltspitze.» Wenn die Schweiz als Gesellschaft rasch und entschieden agiere, dann könne man nicht nur für sich selbst viel erreichen, sondern ein ermutigen­des Zeichen in die Welt setzen «gegen Ohnmacht, Fatalismus und willentliche Ignoranz».

Wie klimafreundlich verhalten sich die Mitglieder? Fliegen sie noch?

Manche essen Fleisch, andere haben ein Auto und einige fliegen vielleicht sogar in die Ferien. «Man kann die Welt als Saubermann nicht retten!», sagt Sprecher Raflaub. Es gehe doch nicht darum, wie vorbildlich die Teilnehmenden seien. «Ich weiss genau, dass mein ökologischer Fussabdruck mehr als einen Planeten bedeckt. Alle von uns wissen, dass sie das Problem sind, das muss uns keiner sagen! Aber Verzichtangst habe ich nicht.» Weniger Mobilität, weniger Konsum empfinde man oft nur im ersten Moment als Verzicht, so wie beim Handykonsum, den man auf den Hauptnutzen reduzieren könnte und gleichzeitig gesundheitlich davon profitieren würde. Das gleiche geschehe, wenn man sich verstärkt lokal orientiere. «An der Bushaltestelle zu stehen und keinen zu kennen aus der Nachbarschaft, tut uns nicht gut. Der Verzicht könnte sich als Gewinn entpuppen.»

Arbeitet Extinction Rebellion mit anderen Organisationen zusammen?

Laut den Organisatoren informieren sie sich über geplante Aktionen. Beispielsweise mit dem «Strike for Future» der Klimajugend. «Noch mehr Koordination wäre sehr aufwendig. Manche wollen auch nicht enger mit ‹Extinction Rebellion› zusammenzuarbeiten, weil wir als radikal gelten», so Sprecher Martin Raaflaub. Zudem sei bei Extinction Rebellion ein hohes Engagement gefragt, da gehe es um weit mehr als ums Demonstrieren. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Artensterben: Nördliches Breitmaulnashorn vor dem Aus
1 / 8
Artensterben: Nördliches Breitmaulnashorn vor dem Aus
Angafilu war eines der letzten sechs Nördlichen Brautmaulnashörnern weltweit. Am 14. Dezember 2014 ist der Bulle gestorben.
quelle: ap/san diego zoo / ken bohn
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Immer mehr Tierarten sind bedroht
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
85 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Hadock50
05.10.2021 19:29registriert Juli 2020
Mit Leute nerven in dem man den ÖV blockiert wird man weder das Ziel erreichen noch Unterstützung und Verständnis bekommen !
9233
Melden
Zum Kommentar
avatar
Namenloses Elend
05.10.2021 19:25registriert Oktober 2014
Also wenn ich der Polizeichef von Zürich wäre, würde ich solche weiteren Aktionen sofort im Keim ersticken. 2 Min. Zeit geben die Strasse zu räumen und bei nichteinhalten sofort jeden von den Spackos verhaften. Am Wochenende nerven die Corona Trychler Deppen und unter der Woche die grünen Hippie Futzis.
Den Schaden und den Ärger haben die normalen Bürger. So langsam gehen mir diese dämlichen Demos sowas von auf den Geist. Schleichts euch einfach alle!! 🤦🤬🤬
10761
Melden
Zum Kommentar
avatar
slash_
05.10.2021 20:53registriert Juni 2017
Was will die Bewegung «Extinction Rebellion» genau? - Ihr Kindheits-Aufmerksamkeitsdefizit ausgleichen.
Das Thema ist wichtig, ja. Aber so, ne, das geht nicht. Das schadet mehr, als es nützt. Habe kein Verständnis für solche Aktionen.
4410
Melden
Zum Kommentar
85
US-Inflationsrate zieht wie erwartet etwas an

In den USA hat sich der Preisauftrieb im November wie erwartet etwas verstärkt. Die Konsumentenpreise stiegen zum Vorjahresmonat um 2,7 Prozent, wie das Arbeitsministerium mitteilte. Im Vormonat hatte die Rate noch bei 2,6 Prozent gelegen. Im Vergleich zum Vormonat stiegen die Preise im November um 0,3 Prozent.

Zur Story