Die Schweiz gerät zwischen die Fronten im Machtkampf um die Nachfolge von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas (80). Dieser liess am Dienstag per Dekret die Nichtregierungsorganisation Palestinian Peace Coalition (PPC) auflösen und deren Vermögen beschlagnahmen. Vermögen, die zu einem bedeutenden Teil vom Schweizer Steuerzahler berappt wurden: Das Aussendepartement (EDA) unterstützt die NGO jährlich mit sechsstelligen Beträgen, 2015 waren es rund 200'000 Franken.
Zielscheibe des präsidentiellen Dekrets dürfte indes nicht die PPC selbst, sondern deren Vorsitzender Jassir Abed Rabbo sein. Dem 71-Jährigen werden Ambitionen auf den Chefposten der palästinensischen Autonomiebehörde nachgesagt. Das scheint Amtsinhaber Abbas nicht zu passen: Bereits Anfang Juli hatte er seinen Rivalen als Generalsekretär der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) abgesetzt.
Für das Schweizer Engagement im Nahen Osten ist Rabbo ein wichtiger Mann: Er vertrat die palästinensische Seite in der sogenannten Genfer Initiative, einem von der Schweiz mitfinanzierten virtuellen Abkommen zur friedlichen Beilegung des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern. Seine PPC ist eines der Komitees der Genfer Initiative, mit denen das EDA zusammenarbeitet.
Das Aussendepartement in Bern (EDA) ist über die Vorgänge in Ramallah denn auch alles andere als erfreut: «PPC ist seit über zehn Jahren ein strategischer Partner der Schweiz. Das EDA ist tief besorgt und ruft den Präsidenten auf, diesen Entscheid zu widerrufen», erklärt Sprecher Stefan von Below auf Anfrage von watson. Man werde die «Angelegenheit auf diplomatischer Ebene in Ramallah und Bern weiterverfolgen».
Vor einer Woche hatte Abbas die Konten einer anderen NGO, Future For Palestine, einfrieren lassen. Sie wird von Ex-Premier Salaam Fayad geleitet, einem weiteren heissen Anwärter auf das Präsidentenamt. «Die Schweiz ist beunruhigt über die zunehmende Einschränkung des demokratischen Spielraums im besetzten Palästinensischen Gebiet, insbesondere über die jüngsten Massnahmen der palästinensischen Autonomiebehörde gegen die Aktivitäten von NGOs», so von Below weiter.
In Ramallah kursieren Gerüchte, wonach ein kritischer Artikel des ehemaligen israelischen Justizministers Jossi Beilin (siehe Bild oben) Abbas zu den Strafmassnahmen bewogen hat. Darin warf der Mitbegründer der Genfer Initiative dem 80-jährigen Palästinenserpräsidenten vor, «wie so viele arabische Autokraten» an seinem Sessel zu kleben. In diesem Zusammenhang kritisierte er auch die Entfernung Rabbos aus dem Vorstand der PLO.
Der Machtkampf in der Palästinenserbehörde, in den die Schweiz nun hineingeworfen wurde, wird zusätzlich von Gerüchten befeuert, wonach Abbas in den kommenden Wochen zurücktreten will. Laut Medienberichten hat er den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi über seine Absicht informiert.
Im Juni war die Schweiz für ihr finanzielles Engagement für die israelische NGO «Breaking the Silence» kritisiert worden. Diese besteht aus ehemaligen israelischen Soldaten, die über Kriegsverbrechen bei ihren Einsätzen in der Westbank und im Gazastreifen sprechen.
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