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Interview

Swiss-Chef über Flugzeug-Probleme und Sexismus

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«Uns fehlen Ersatzteile» – der Swiss-Chef über Flugzeug-Probleme und Sexismus an Bord

Dieter Vranckx steht seit 2021 an der Spitze der grössten Schweizer Airline. Im Interview verrät er, wieso er Coronamassnahmen kritisch sieht, wie die Swiss mit Nachhaltigkeit für Jüngere attraktiv werden will und wieso das Kabinenpersonal erst jetzt mehr Lohn erhält.
16.01.2023, 10:3016.01.2023, 15:06
Benjamin Weinmann und Stefan Ehrbar / ch media
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Dieter Vranckx erscheint aufgeweckt ins Sitzungszimmer zum Interview am Bürohauptsitz seiner Swiss in Zürich-Kloten. «Guets Nois» wünscht er allen Anwesenden.

Der Schweiz-Belgier hat guten Grund, positiver Stimmung zu sein. Harte Verhandlungen mit dem Boden-, Cockpit- und Kabinenpersonal sind abgeschlossen, die Buchungszahlen steigen. Dennoch plagen Vranckx Sorgen.

Zur Person
Dieter Vranckx ist seit Anfang 2021 Chef der Lufthansa-Tochter Swiss. Der 49-jährige Schweiz-Belgier arbeitete nach seiner Ausbildung zum Wirtschaftsingenieur an der Universität Brüssel ab 2000 für die Swissair, die Swiss und für die Muttergesellschaft. Im Jahr 2020 wurde er zum Chef der Lufthansa-Airline Brussels Airlines ernannt, bevor er in die Schweiz zurückkehrte. Vranckx ist verheiratet und Vater zweier Kinder. Er wohnt im Kanton Zürich.
ARCHIV - ZUM ERGEBNIS 2020 DER SWISS STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG - Dieter Vranckx, CEO der Fluggesellschaft SWISS, portaitiert am 1. Februar 2021 am Hauptsitz der Swiss in  ...
Dieter Vranckx.Bild: keystone

Sie haben die Führung der Swiss 2021 mitten in der Pandemie übernommen. Die «Bilanz» nannte sie gar «Captain Covid». Haben Sie sich nun an den Normalbetrieb gewöhnt?
Dieter Vranckx: Wir sind in einer neuen Normalität gelandet, nach zwei äusserst schwierigen Jahren mit der Unternehmensrestrukturierung 2021 und einem schnellen Hochfahren des Betriebs 2022. Nun haben wir mehr Stabilität.​

Ihr Puls dürfte nun ruhiger sein, angesichts der Buchungszahlen.
In der Aviatik hat man eigentlich nie einen ruhigen Puls, irgendetwas beschäftigt uns immer. Zudem ist die Pandemie ja noch nicht vorbei, wenn man nach China schaut.

Wie lautet Ihr Fazit zum bisherigen Wintergeschäft?
Das Reisefieber ist noch immer sehr gross. Das hat sich natürlich vor allem vergangenen Sommer gezeigt. Wir hatten etwas Respekt vor dem Wintergeschäft, das traditionell schwächer ist. Aber die Nachfrage ist noch immer stark.​

Auch bei der Geschäftsfliegerei – trotz Teams- und Zoom-Meetings?
Die Geschäftsreisezahlen liegen bei etwa 60 bis 70 Prozent, im Vergleich zum Vorkrisenniveau. Die Erholung ist da, aber sie vollzieht sich etwas langsamer als erwartet.

Wie oft fliegen Sie selbst für Meetings durch die Welt?
Ich bin natürlich ab und zu per Flugzeug unterwegs.​

Im dritten Quartal 2022 haben sie einen Gewinn von 220 Millionen Franken erwirtschaftet. Womit rechnen Sie fürs Gesamtjahr?
Die detaillierten Zahlen präsentieren wir Anfang März. Aber ich kann jetzt schon sagen, dass sich unsere Profitabilität deutlich verbessert hat gegenüber dem Vorjahr. 2022 war ein sehr starkes Jahr.​

Vor der Pandemie wollten Sie neue Langstreckenziele aufnehmen, namentlich Washington DC und Osaka. Werden diese 2023 wieder zum Thema?
Nein, noch nicht. Denn was uns momentan Sorgen bereitet ist die Verfügbarkeit von Flugzeugersatzteilen wegen Problemen bei den Lieferketten. In den nächsten ein bis zwei Jahren dürfte dies die gesamte Branche stark beschäftigen.​

Spüren Sie den Mangel an Ersatzteilen schon heute?
Teilweise ja. Manche Ersatzteile fehlen uns. So wie auch anderen Airlines.

Und dann fehlen Ihnen die nötigen Flugzeuge?
Genau. Auch deswegen sind wir froh, dass wir mit Partnerairlines wie Helvetic und Air Baltic zusammenarbeiten können. Das gibt uns Flexibilität, wenn unsere eigenen Maschinen technisch nicht einsatzbereit sind. Noch hält sich dieses Problem in Grenzen, wir müssen diese Entwicklung jedoch ganz genau beobachten.

Wo liegt denn das Problem?
Unterhaltsarbeiten, die normalerweise zwei Wochen dauern, dauern jetzt manchmal drei Wochen, weil die nötigen Ersatzteile länger auf sich warten lassen. Mit der Folge, dass die Maschine nicht verfügbar ist.

Drohen deswegen gar Flug-Annullationen?
Wir setzen alles daran, um Annullationen zu vermeiden. Unsere Planung für 2023 haben wir entsprechend vorsichtiger konzipiert, um sicherzustellen, dass keine Flugstreichungen notwendig werden. Zudem haben wir aktuell noch drei Flugzeuge des Typs A330 und drei des Typs A320 in der Wüste von Jordanien parkiert, die alle im Verlauf des Jahres wieder zurückgeholt werden.​

Über die Festtage wurde in Europa zum Teil wieder mehr als vor der Krise geflogen. Die Swiss-Flugzahlen hinken dem Gesamtmarkt rund 10 Prozent hinterher. Weshalb?
Man kann die Swiss nicht mit dem gesamten Europa-Flugverkehr vergleichen. Im Ausland dominieren oft Low-Cost-Airlines, die weniger vom Langstreckenverkehr abhängen. Zudem geht es ja nicht nur um die Kapazität, für uns ist die operationelle Stabilität enorm wichtig. Wir wachsen lieber etwas konservativer, sodass wir die Flüge zuverlässig durchführen können. Qualität über Quantität, sozusagen. Das hat für uns Priorität.​

AVIS --- ZU DIETER VRANCKX, CEO DER FLUGGESELLSCHAFT SWISS, STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES NEUES PORTRAIT ZUR VERFUEGUNG. WEITERE BILDER FINDEN SIE AUF visual.keystone-sda.ch --- Dieter Vranckx, CEO der  ...
Dieter Vranckx ist ein Aviatik-Urgestein – und arbeitete schon für die Swissair.Bild: keystone

Ihre Schwesterairline Austrian schneidet bei der Pünktlichkeit deutlich besser ab, sogar ohne sogenannte Wet-Lease-Partner, wie Sie sie haben mit Helvetic und Air Baltic. Weshalb?
Es stimmt, Austrian Airlines ist derzeit äusserst pünktlich unterwegs, auch weil der Flugplan in Wien noch dünner ist als vor der Pandemie. Zudem spielt die geografische Lage von Wien eine Rolle. Viele unserer Flüge führen oft über Frankreich und Deutschland, die eingeschränkte Kapazitäten bei der Flugverkehrskontrollen haben.

Sie haben es selbst gesagt: Die Pandemie hält die Aviatik nach wie vor in Atem. Die EU empfiehlt Covid-Tests und das Tragen von Masken auf China-Flügen. Thailand führte kurzzeitig gar wieder eine Testpflicht ein. Wie nervös sind Sie?
Ich bin optimistisch, dass das Schlimmste der Pandemie hinter uns liegt. Aber ja, die Lage in China ist natürlich ernst, mit 16'000 Toten pro Tag. Wir sind diesbezüglich auch mit dem Bundesamt für Gesundheit im Austausch. Noch sind keine Massnahmen vorgesehen.

Der Airline-Verband Iata kritisiert die EU-Empfehlungen äusserst scharf. Sie auch?
Fakt ist, dass man in der Vergangenheit oftmals versucht hat, das Virus mit verschiedenen Massnahmen aufzuhalten. Meistens erfolglos ...

... Masken sind eine einfache und effiziente Massnahme.
Stimmt. Aber nehmen wir die Omikron-Variante, die in Südafrika aufgetaucht ist. Man versuchte mit einem Verbot von Direktflügen aus Südafrika die Verbreitung zu bremsen. Dabei war es dafür längst zu spät.

China hat die Reiseregeln gelockert. Fliegt die Swiss also bald wieder nach Peking und Schanghai?
Wir planen durchaus, die Flüge nach Festlandchina in Schritten wieder aufzunehmen. Wir haben aber noch keinen Zeitplan definiert. Zurzeit analysieren wir die Situation. Natürlich spüren wir aber, dass die Nachfrage nach China-Flügen über unsere Website wieder stark zunimmt.

Wie entwickelt sich das Nordamerika-Geschäft?
Es war, ist und bleibt sehr wichtig für uns, ganz klar.

Der vergangene Sommer brachte zwar eine starke Erholung, war zuweilen aber auch chaotisch an europäischen Flughäfen. Wie blicken Sie auf das Sommergeschäft?
Für 2023 bin ich sehr zuversichtlich. Wir rechnen mit 80 bis 85 Prozent Kapazität gegenüber 2019.

Werden Sie genügend Kabinenpersonal haben?
Ja, wir machen keine Planung, für die wir zu wenig Personal haben werden.​

Wie viele Bewerbungen erhalten Sie derzeit?
Wir sind positiv überrascht, wie viele Bewerbungen für die Kabine eintreffen, denn die Branche hat eine schwierige Zeit hinter sich. Sogar unsere Ausbildungskurse in den normalerweise rekrutierungsschwachen Monaten November, Dezember und Januar waren immer voll!

Wenn die Mitglieder der Kabinen-Gewerkschaft Kapers den neuen, ausgehandelten Gesamtarbeitsvertrag annehmen, steigt das Einstiegssalär von 3400 auf 4000 Franken. Eine überfällige Lohnkorrektur – einverstanden?
Das Anfangssalär ist in jedem Job wichtig. Fakt ist, dass wir in der Vergangenheit immer genügend Angestellte gefunden haben. Zudem gibt es ja nicht nur das Basissalär, sondern auch Spesen, Zuschläge für Sprachen, Prämien, und die Möglichkeit, Europa und die Welt kennenzulernen.

Dennoch: Bei so einer signifikanten Anhebung stellt sich die Frage, weshalb der Lohn nicht schon in den goldenen Jahren angehoben wurde.
Bereits 2019 hatten wir uns mit der Kapers auf einen verbesserten Gesamtarbeitsvertrag geeinigt, doch dann kam Corona. Aber ich schaue lieber nach vorne anstatt zurück. Und ich freue mich nun, dass wir ein positives Signal geben können.

Die Zufriedenheit hat in den vergangenen Jahren stark gelitten. Die Flight-Attendants tragen bis heute sogar Protestpins mit einer Zitrone als Sujet, weil diese ausgepresst sei. Wie wollen Sie das ändern?
Daran arbeiten wir schon länger. Im letzten halben Jahr hat sich die Stimmung deutlich verbessert. Auf den langen Flügen nach San Francisco und Los Angeles hat die Crew einen zusätzlichen Nachtaufenthalt zur Erholung. Zudem konnten die Ferienvergaben verbessert werden. Wir haben im vergangenen Jahr 800 neue Flight-Attendants eingestellt, dieses Jahr werden es nochmals 1000 sein. Wir haben Prämien ausbezahlt und auch unsere grossen Firmenfeierlichkeiten wieder eingeführt. Die Verbesserungen sind da, auch wenn die Situation noch immer anspruchsvoll ist.

Ihre Auslagerung von Flügen an Air Baltic steht bei Ihrer Crew in der Kritik. Diese Airline bezahlt Monatslöhne von 900 bis 1500 Euro in der Kabine. Betreiben Sie mit diesem Personalverleih aus dem Ausland nicht Lohndumping?
Nein. Air Baltic bietet unserer Crew eine Entlastung im Flugplan. Es ist eine temporäre Lösung.

Wie lange noch?
Sicher bis Ende des Sommerflugplans, allenfalls etwas darüber hinaus.

Air Baltic hat ihre Uniformregeln gelockert. Bei der Swiss hingegen müssen weibliche Crewmitglieder Lippenstift tragen und die Kosten dafür selbst tragen. Finden Sie das nicht sexistisch?
Wir sind zurzeit mit der Kapers daran, dieses Thema zu diskutieren. Möglicherweise braucht unser Reglement einen modernen Touch. Dieses soll aber nicht nur für unsere Crew stimmen, sondern auch für unsere Fluggäste weltweit. Da gibt es kulturelle Aspekte, die wir berücksichtigen wollen. Wichtig ist mir, dass sich keine Mitarbeitergruppen ausgeschlossen fühlen.

Auch sichtbare Tattoos sind tabu. Stören Sie sich persönlich daran?
Das hängt davon ab, wie gross das Tattoo ist und was zu sehen ist ...

... was wäre mit einem Ryanair-Tattoo?
Das würde ich nicht tolerieren. (lacht)

Piloten der Fluggesellschaft Swiss und Mitglieder der Pilotengewerkschaft Aeropers demonstrieren am Donnerstag, 29. September 2022 bei einem Protestmarsch vom Zentrum Schluefweg zur Swiss-Zentrale in  ...
Piloten der Swiss demonstrierten am 29. September 2022 vor der Swiss-Zentrale in Kloten gegen das Airline-Management.Bild: keystone

Ab 2025 erhalten Sie fünf neue A350 von Airbus. Geht damit ein Kapazitätssprung einher?
In erster Linie sind sie ein Ersatz für die fünf A340. Der A350 hat etwas mehr Sitze als sein Vorgänger. Und wir erwarten durchaus, dass sich die Nachfrage in den kommenden Jahren weiterhin erhöht. Deshalb ist eine leicht höhere Kapazität bei der Langstreckenflotte willkommen.

Das heisst, dass Sie ab 2025 mit der Rückkehr zum Vorkrisenniveau rechnen?
Wir rechnen wie gesagt mit bis zu 85 Prozent der Flugkapazitäten dieses Jahr und mit einer weiteren Erhöhung 2024. 2025 werden wir hoffentlich auf oder sogar leicht über dem Vorkrisenniveau sein. Aber wir haben gelernt, nicht allzu weit vorauszublicken und Prognosen zu machen. Denn die Situation bleibt volatil.

Sie erhalten bestimmt einen Rabatt auf die fünf A350-Flugzeuge. Was kostet die Bestellung am Schluss?
Das verrate ich nicht.

Aber bestimmt mehr als 1 Milliarde Franken.
Ja, bei einem aktuellen Listenpreis von über 300 Millionen US-Dollar pro Flugzeug ist dem so.​

Wird bei der Bestuhlung der neuen Flieger darauf geachtet, dass in der Economy endlich wieder mehr Beinfreiheit herrscht?
Für solche Detailfragen ist es noch zu früh. Klar ist hingegen bereits, dass wir vier Klassen darin haben werden: Economy, Premium Economy, Business und First Class. Und in allen Klassen wird ein rundum erneuertes Kabinenkonzept eingeführt. Vor allem in der Business- und First Class wird das Qualitätsniveau noch einmal angehoben.

Inklusive Dusche und Bar, wie bei gewissen Konkurrenten?
Nein, wir hatten das früher schon mal diskutiert, uns aber dagegen entschieden. Und jetzt, angesichts der Nachhaltigkeitsdebatte, ist eine Dusche definitiv kein Thema mehr. Unser Ziel ist es, unsere Passagiere komfortabel von A nach B zu bringen. Die Möglichkeit zum Duschen besteht am Boden, wie zum Beispiel in einer unserer Lounges.

Haben Sie Optionen für weitere A350 gesichert?
Gesichert noch nicht, aber das Ziel ist natürlich, in Zukunft weitere A350 einzuflotten. Wann und wie viele, das ist noch offen.

Die Lufthansa steht davor, Partnerin der italienischen ITA Airways zu werden. Ist das eine gute Nachricht für die Swiss, oder könnten vermehrt italienische Gäste nicht mehr über die Swiss-Langstrecke, sondern über ITA gelenkt werden?
Die ITA soll Teil des Lufthansa-Konzerns werden, als eine Ergänzung, nicht als Konkurrentin. Wir empfinden auch Austrian und Brussels Airlines nicht als Konkurrenten. Wir versuchen, miteinander die Nachfrage ideal abzudecken. Für mich macht es geografisch und aus Marktsicht Sinn, dass auch Italien Teil unserer Gruppe sein wird. Deshalb sehe ich den ITA-Kauf nicht als Gefahr für Swiss.

Derzeit wirbt die Swiss mit Preisen wie 380 Franken für einen Flug nach Chicago und 289 Franken nach Tel Aviv. Dabei hiess es doch, dass die Preise nach der Pandemie steigen würden – etwa doch nicht?
Die Frage ist, wie viele Sitze für diese Preise wirklich buchbar sind. Manchmal geht es auch darum, aus Marketingsicht Präsenz zu zeigen. Und jeder leere Sitz hilft unserer Nachhaltigkeitsbilanz nicht. Wir versuchen, die Auslastung so hoch wie möglich zu gestalten, um möglichst effizient, aber auch wirtschaftlich zu fliegen. Und: Wir gehören nicht zu jenen Airlines, die mit Billigpreisen wie 9.99 oder 29.99 Euro werben.

Die Langstreckenflüge sind das eine. Noch immer fliegt die Swiss aber auch nach Stuttgart, Mailand oder Genf – allesamt Städte, die problemlos mit dem Zug erreichbar wären. Weshalb?
Stimmt. Aber die Lösung ist leider komplexer. Wir arbeiten bereits sehr stark mit den SBB zusammen, um Luft und Schiene besser zu verknüpfen. Vieles dreht sich um IT-Systeme, die wir zusammenfügen müssen. Daran arbeiten wir.

Wie?
Der Hauptbahnhof München ist nun auf unserer Website buchbar. Sie können also ein Ticket bei uns kaufen, mit dem Sie den Zug von München nach Zürich nehmen und dann von hier mit Swiss nach Hongkong oder San Francisco fliegen können. Eine Website, ein Ticket. Bisher musste man ein Zugbillett bei den SBB buchen, und ein Flugticket bei uns.

Und wenn der Zug Verspätung hat?
Dann sehen wir das. Und auch, wie viele unserer Passagiere mit dieser Zugverbindung anreisen.​

Ein Punkt bleibt aus Passagiersicht eine Hürde: die Gepäckaufgabe.
Genau. Am Bahnhof in München ist das zum Beispiel möglich. Unsere Vision ist, dass die Gepäckaufgabe künftig auch am Bahnhofschalter so einfach wie möglich sein wird und dieser Service auch schon im Ticketpreis enthalten ist. Allerdings müssen da sehr viele Fragen gelöst werden, da beim Check-in-Gepäck viele Sicherheitsregeln der Aviatik eingehalten werden müssen.

Das klingt fast, als ob sie das Zugfahren bewerben möchten.
Uns geht es um die Intermodalität, die Möglichkeit für unsere Kundinnen und Kunden, die verschiedenen Transportmittel ideal zu verbinden. Unser Ziel ist nicht, weniger, sondern nachhaltig zu fliegen.

Dafür investieren Sie in die Firma Synhelion, die Kerosin aus nicht fossilen Energieträgern herstellen möchte, sondern stattdessen aus Sonnenlicht. Ist das wirklich die Lösung?
Wir sind überzeugt, dass nachhaltige Treibstoffe wie das Solarfuel von Synhelion Teil der Lösung sind. Neu können unsere Kundinnen und Kunden ihren Flug innerhalb unseres Buchungsprozesses mit nachhaltigem Kerosin kompensieren. Früher war dies nur auf einer externen Website und CO₂-Kompensationen in Form von Klimaprojekten möglich. Jetzt hat also niemand mehr eine Ausrede, nicht nachhaltig zu fliegen.

Wie gross ist die Bereitschaft bei der Kundschaft, fürs grüne Gewissen etwas zu bezahlen?
Sie ist definitiv gestiegen, seit wir die Prozesse vereinfacht haben, aber die Nachfrage ist noch überschaubar. Der Anteil der Fluggäste, die über unsere Website buchen und Klimabeiträge leisten, liegt bei rund 10 Prozent. Auch in Wirtschafts- und Politkreisen wird an Anlässen häufig über Nachhaltigkeit diskutiert. Zurecht. Ich frage die Leute jeweils, wann sie das letzte Mal geflogen sind. Meistens ist es nicht lange her. Und dann frage ich, ob sie die Emissionen kompensiert haben. Die Antwort lautet meistens: Nein. Es braucht auch Selbstverantwortung.

Das nachhaltige Kerosin – sogenanntes Sustainable Aviation Fuel (SAF) – gibt es heute aber nur in sehr geringer Menge, und es ist massiv teurer als Kerosin. Gleichzeitig haben viele Airlines finanzielle Probleme. Da sind Zweifel doch berechtigt, ob die Branche die Klimaneutralität je erreicht.
Ich teile die Ansicht, dass es schwierig wird, ohne Zweifel. Deshalb braucht es einen klaren Plan. Bis 2030 möchten wir den CO₂-Ausstoss gegenüber 2019 um 50 Prozent senken, und 2050 CO₂-neutral sein. Beim Autokauf haben Sie heute die komplette Auswahl. Sie können einen Antrieb mit Benzin wählen, Diesel, Hybrid oder Elektro. Ich kann hingegen nicht zu einem Flugzeughersteller gehen und ein Elektroflugzeug kaufen. Diese Technologie ist noch nicht vorhanden. Deshalb ist der A350 so wichtig, weil wir damit bis zu 30 Prozent an Emissionen einsparen können. Und das SAF kann mit der heutigen Infrastruktur und in den vorhandenen Flugzeugen eingesetzt werden. Bis 2030 planen wir, 11 Prozent unseres Kerosins durch SAF ersetzen zu können.

Weil das SAF viel teurer ist, werden die Preise aber steigen.
Ja, Fliegen wird in Zukunft teurer werden. Einen Teil werden wir tragen, einen Teil die Konsumenten.

Der EU-Plan Fit for 55 sieht vor, den Airlines einen SAF-Anteil vorzuschreiben und den Preis für CO₂-Emissionen zu erhöhen. Somit würden für alle die gleichen Rahmenbedingungen gelten.
Eine Beimischquote unterstützen wir. Aber der CO₂-Ausstoss endet nicht an der Schweizer oder der EU-Grenze. Unsere Konkurrenten sind auch im Nahen Osten. Die gleichen Rahmenbedingungen müssten also global gelten.

Inwiefern werden die Swiss-Angestellten in die Nachhaltigkeitsplanung miteingebunden?
In jeder Abteilung ist ein Mitarbeitender für das Thema Nachhaltigkeit verantwortlich. Wir organisieren jährlich vier Anlässe, an welchen sie sich darüber austauschen und voneinander lernen können. Ausserdem haben wir kürzlich beschlossen, dass Nachhaltigkeit Teil der gesamten Ausbildung für Pilotinnen und Piloten wird. Das Thema wird regelmässig behandelt und reicht von reduziertem Triebwerksgebrauch vor dem Start, um den CO₂-Ausstoss zu verringern, bis hin zur mehrfachen Verwendung von Kaffeebechern im Cockpit. Wir wollen dafür sorgen, dass Nachhaltigkeit Teil unserer Kultur wird.

Weil die Gen-Z aus Nachhaltigkeitsüberlegungen nicht mehr für eine Airline arbeiten will?
Nein, aus Überzeugung, und nicht, weil es gerade en vogue ist. Wir möchten da in Europa eine führende Rolle übernehmen. Aber es stimmt, für junge Leute kann es heute schwierig sein, für eine Fluggesellschaft zu arbeiten – dieser verursacht Lärm, verbraucht Kerosin und stösst CO₂ aus. Wir wollen dafür sorgen, dass alle stolz sind, für Swiss zu arbeiten. Das geht nur mit klaren, selbstbestimmten Zielen.

Die Schweiz hat einen neuen Verkehrsminister. Haben Sie mit Albert Rösti bereits gesprochen?
Ich habe ihn schon vor seiner Wahl einmal kennengelernt, und ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit ihm. Aber auch in den vergangenen zwei Jahren mit der ehemaligen Bundesrätin Sommaruga war die Zusammenarbeit sehr konstruktiv, bis hin zum revidierten CO₂-Gesetz, das aus unserer Sicht viele gute Elemente beinhaltet.

Erhält das Swiss-Management für 2022 eigentlich Boni?
Alle Mitarbeitende, die einen variablen Lohnanteil haben, erhalten diesen im Jahr 2023 ausbezahlt.

In einem KMU würde man nach so einer Krise mit Staatshilfe wohl sagen, man legt den ersten Gewinn zur Seite, statt Boni auszubezahlen, auch weil der Pandemieverlauf unsicher bleibt.
Das hängt vom Jahresresultat ab – die Voraussetzung dafür ist, dass man profitabel ist. Wir erwarten für 2022 ein starkes Finanzergebnis. Die Swiss hat zudem frühzeitig Ende Mai den vom Bund verbürgten Bankenkredit inklusive 53 Franken Millionen Steuern zurückbezahlt. Wenn das Unternehmen mit Erfolg unterwegs ist, erachten wir es auch als richtig und wichtig, unsere Angestellten am Erfolg teilhaben zu lassen, für den sie hart gearbeitet haben. Wir haben 2022 über 100 Millionen Franken an einmaligen Prämien ans Personal ausbezahlt.

Mit Klaus-Michael Kühne hat die Lufthansa einen grossen Aktionär, der in der Schweiz wohnhaft ist. Ist seine Verbundenheit mit der Schweiz ein Vorteil für die Swiss?
Ich habe ihn noch nie persönlich kennengelernt. Seine Nähe zur Schweiz ist bestimmt ein Element, das es nicht zu unterschätzen gilt.

Kurz und prägnant

  • Ihr Lieblingsfilm? «The Game»
  • Ihre nächsten Ferienpläne? Skiferien in der Schweiz
  • Edelweiss oder Helvetic? Mit Edelweiss an den Strand und mit Helvetic nach Frankfurt
  • Mit der Swissair verbinde ich... meinen Karrierestart
  • Was hat Brüssel, was Zürich nicht hat? Tintin
DANKE FÜR DIE ♥
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4 Kommentare
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JackMeMore
16.01.2023 11:07registriert Juli 2020
Nahja, das Argument als Flight Attendant die Welt kennen zulernen, stimmt leider auch mit den neuen Bedingungen immernoch nicht. nach 6 Europa Legs (Europastrecken) ist man nur noch kaputt, weil Fliegen als Beruf ist anstrengend! Am Abend ins Hote und am Morgen wieder weiter gibt einem nicht wirklich Zeit sich Orte anzuschauen. Es darf gerne geblitzt werden,, I miss you Swissair und Jetage!
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