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Swiss: Wie der oberste Linienpilot versucht, Entlassungen zu vermeiden

Clemens Kopetz, hier am Flughafen Zürich, ist der neue Präsident des Pilotenverbands Aeropers.
Clemens Kopetz, hier am Flughafen Zürich, ist der neue Präsident des Pilotenverbands Aeropers.bild: Sandra Ardizzone / WIR

Abbaupläne bei der Swiss: Wie der oberste Linienpilot versucht, Entlassungen zu vermeiden

Clemens Kopetz ist der neue Präsident des Pilotenverbands Aeropers, der die Cockpit-Crew der Swiss und Edelweiss vertritt. Im Gespräch verrät der Österreicher seine Strategie im Kampf gegen die Abbaupläne – und sagt, wie viele Piloten sich frühpensionieren lassen.
02.06.2021, 05:44
Benjamin Weinmann / ch media
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«Wohin war das schon wieder?» Der letzte Flug ist schon länger her. So lange, dass sich Clemens Kopetz auf die Schnelle gar nicht mehr an die Destination erinnern kann. Denn der Alltag der Swiss- und -Edelweiss-Piloten spielt sich seit Ausbruch der Corona-Pandemie mehrheitlich am Boden statt in der Luft ab. Und da hat Kopetz viel zu tun. Der 36-Jährige ist seit wenigen Tagen neuer Präsident des Pilotenverbands Aeropers. Dieser vertritt das Cockpit-Personal der Lufthansa-Tochter Swiss und ihrer Schwesterairline Edelweiss. Insgesamt sind es rund 1500 Angestellte.

Kopetz’ Start könnte schwieriger nicht sein. Anfang Mai gab die Swiss den Abbau von 700 Vollzeitstellen bekannt, davon 120 im Cockpit. Drei Monate zuvor brach die Airline die Verhandlungen mit ihren Piloten für Corona-Sparmassnahmen ab und kündigte den laufenden Gesamtarbeitsvertrag per Frühling 2022. Beide Parteien deckten sich mit Kritik ein. Der Langstrecken-Pilot ist also gefordert. Die Verbandsmitglieder erwarten, dass der Stellenabbau so sozialverträglich wie möglich abläuft und bald ein neues Vertragswerk für die Zukunft unterzeichnet werden kann. Die Swiss fordert mehr Entgegenkommen.

Nach dem Rechtsstudium in die Aviatik

«Ja, die Situation ist sicher nicht einfach, wir durchleben gerade die grösste Krise der Luftfahrt», sagt Kopetz beim Gesprächstermin via Teams, den zweijährigen Sohn im Arm, den er zu Hause hütet. Sein älterer Stiefsohn ist in der Schule, die Partnerin, eine Französin, an der Arbeit. Kopetz wuchs in Klagenfurt auf, studierte Rechtswissenschaften in Graz, verfiel dann aber dem Kerosinduft und startete 2011 als Pilot bei der Swiss. Aktuell ist er Co-Pilot auf A330- und A340-Maschinen. «Ich bereue meine Berufswahl nicht, auch wenn der Glanz und Glamour aus früheren Tagen verschwunden ist», sagt Kopetz. Noch immer sei der Beruf äusserst vielfältig und «man sieht ein wenig von er Welt.»

Clemens Kopetz fliegt als Pilot am liebsten nach New York. Doch zurzeit ist er vor allem am Boden gefordert in den Verhandlungen mit der Swiss.
Clemens Kopetz fliegt als Pilot am liebsten nach New York. Doch zurzeit ist er vor allem am Boden gefordert in den Verhandlungen mit der Swiss.bild: Sandra Ardizzone / WIR

Die grosse, weite Welt muss derzeit warten. Immerhin: In Sachen Stellenabbau stünden die Zeichen nicht so schlecht, sagt Kopetz. Zumindest aus Aeropers-Sicht. «Wir haben im Konsultationsverfahren der Swiss eine Vielzahl von Massnahmen präsentiert, so dass aus unserer Sicht keine Entlassungen nötig sein werden.» Der Grossteil der Piloten sei bereit, über längere Zeit hinweg das Pensum zu kürzen und dadurch Lohneinbussen in Kauf zu nehmen. Knapp 90 Piloten lassen sich frühpensionieren. «Allen ist der Ernst der Lage bewusst», sagt Kopetz. Fakt ist aber auch, dass viele Piloten ihren Beruf nicht so rasch wechseln können, da sie eine sehr spezifische Ausbildung haben. Ob die Vorschläge der Aeropers von der Swiss akzeptiert werden, dürfte sich in den nächsten Tagen zeigen.

«Swiss und SBB zeigten sich nicht besonders flexibel»

Leider sei die angedachte Kooperation mit den SBB nicht zustande gekommen, sagt Kopetz. Diese sah vor, dass Swiss-Piloten für eine gewisse Zeit fix an die SBB ausgeliehen worden wären, da die Bundesbahnen im Führerstand einen Personalmangel verzeichnen. Anschliessend hätten die Piloten Teilzeit im Zug und im Flugzeug gearbeitet. «Doch die Swiss und die SBB zeigten sich bei diesem Thema nicht besonders flexibel», sagt Kopetz, ohne je allzu sehr seinem Arbeitgeber verbal an den Karren zu fahren. Spielt da der österreichische Charme mit? «Nein, am Schluss geht es um die Sache und nicht um die Persönlichkeit.»

Die Sache ist die: Die Swiss muss sparen und für eine ungewisse Zukunft planen. Zwar sieht die aktuelle Lage deutlich besser aus als noch vor einigen Wochen. Der Bundesrat hat die Quarantänepflicht für geimpfte Passagiere aufgehoben. Die Impfkampagne schreitet voran. Doch offene Fragen bleiben: Wie oft fliegen Manager nach Corona? Wie entwickeln sich die Ferienreisen? Und was, wenn die Pandemie doch noch nicht besiegt ist und gefährliche Mutationen des Virus’ auftauchen?

Das heisse Helvetic-Dossier

Die Kooperation der Swiss mit Helvetic Airways ist den Swiss-Piloten ein Dorn im Auge.
Die Kooperation der Swiss mit Helvetic Airways ist den Swiss-Piloten ein Dorn im Auge.bild: Tobias Siebrecht Photography / Helvetic Airways

«Die Zukunftspläne ändern sich praktisch täglich, und zwar bei allen Airlines», sagt Kopetz. Dafür habe er durchaus Verständnis. «Nicht aber, wenn die Swiss tatsächlich Kolleginnen und Kollegen entlassen würde, gleichzeitig aber an ihrer Partnerschaft mit der günstigeren Helvetic Airways festhält.» Die Airline von Milliardär Martin Ebner ist seit Jahren eine wertvolle Partnerin der Swiss, den Personalverbänden jedoch ein Dorn im Auge. Helvetic fliegt im Namen der Swiss, jedoch mit eigenen Flugzeugen und eigener Besatzung. Klassisches Outsourcing also. Und der neue Swiss-Chef Dieter Vranckx will wie sein Vorgänger Thomas Klühr an dieser so genannten Wet-Lease-Kooperation festhalten – notabene der letzten verbliebenen ihrer Art im gesamten Lufthansa-Konzern.

Ein weiterer Stein des Anstosses ist die Ankündigung Vranckx’, dass zwei Langstreckenmaschinen der Edelweiss nach Deutschland verschoben werden, zur neuen Ferienairline der Lufthansa, Eurowings Discover. Aeropers und Kapers, die Gewerkschaft der Flight Attendants, wandten sich darauf an die Schweizer Luftfahrtstiftung. Diese wurde vom Bundesrat gegründet, damit sie sicherstellt, dass die Schweizer Bankkredite in der Höhe von 1.3 Milliarden Franken, die vom Bund gedeckt werden, nicht nach Deutschland abfliessen und der Wiederaufbau des Standorts Schweiz gewährt ist. Copetz bezeichnet die Flugzeugverschiebung als «fragwürdig». Leider sei die Antwort der Stiftung aber enttäuschend ausgefallen. «Sie will nicht intervenieren und ihre Entscheide nicht öffentlich kommentieren.»

Die Piloten haben ein Ass im Ärmel

Ein erstes Kennenlerngespräch mit Vranckx hat Kopetz bereits geführt. «Wir haben über die aktuelle Lage und die kommenden Verhandlungen gesprochen und Telefonnummern ausgetauscht. Der erste Eindruck war soweit gut», sagt Kopetz. Der Swiss-Chef hat bei der Bekanntgabe des Stellenabbaus betont, dass er auf ein Entgegenkommen der Piloten hofft. Denn Kopetz und sein Team haben einen grossen Trumpf in den Verhandlungen. Zwar hat die Swiss den GAV per Frühling 2022 gekündigt. Doch der darin enthaltene Kündigungsschutz läuft dann noch ein Jahr weiter. Und: Kürzt die Swiss den Personalbestand zu stark, droht ihr bei einer zügigen Markterholung rasch ein Pilotenmangel.

Noch ist dieses Szenario weit entfernt, auch wenn die Buchungen wieder zunehmend. Noch stehen die meisten Swiss-Flugzeuge am Boden. An seinen letzten Flug erinnert sich Kopetz denn auch am Schluss des Gesprächs nicht. «Aber ich hoffe, schon bald wieder meine Lieblingsdestination anfliegen zu können, New York.» (aargauerzeitung.ch)

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