Im nahen Ausland ist das Einkaufen günstiger: Das hat man ja gewusst, aber das Ausmass erstaunt dann doch, wenn man plötzlich einen Vergleich entdeckt auf den letzten Seiten im neuen Agrarbericht des Bundesamts für Landwirtschaft.
Sie sind enorm, die Preisunterschiede zu Frankreich und Österreich – und vor allem zu Deutschland. Das zieht sich quer durch alle Kategorien landwirtschaftlicher Produkte: von Milch und Milchprodukten über Eier, Früchte und Gemüse bis zum Fleisch. Vor allem beim Fleisch geht es richtig ins Geld.
Beim Liter Milch sind es 60 Rappen oder 60 Prozent, um welche es in der Schweiz teurer ist als in Deutschland. Für das Kilo Butter legt man fast 9 Franken oder 109 Prozent mehr hin. Bodenhaltungs-Eier kosten 10er-Pack pro Stück fast 17 Rappen oder 86 Prozent mehr.
Und so weiter und so fort. Für ein Kilo von festkochenden Speisekartoffeln muss man 68 Rappen oder 65 Prozent mehr ausgeben. Das Kilo «Tafeläpfel Golden Delicious» kostet 1.03 Franken oder 47 Rappen mehr. Beim Kilo Karotten sind es 90 Rappen oder 82 Prozent mehr.
Man staunt. Ins Grübeln kommt man, wenn man aufs Fleisch blickt. Die Schweiz ist da teilweise zwei Mal oder gar drei Mal teurer als Deutschland. Beispielsweise kostet das Kilo Schweinskoteletten in Deutschland umgerechnet lediglich 7.11 Franken – hierzulande 21.63 Franken. Also 14 Franken oder 200 Prozent mehr.
Wie kommen solch enorme Unterschiede zustande? Man hat ja in Coronazeiten gelesen von skandalösen Zuständen in deutschen Fleischfabriken. Hat die Schweiz den besseren Tierschutz und darum die höheren Preise?
Bei dieser Frage verweist das Bundesamt für Landwirtschaft auf eine Studie, welche den Tierschutz in der Schweiz und ihren Importländern anschaut. Erstellt wurde sie von der Beratungszentrale Agridea.
Verglichen werden da die jeweiligen nationalen Gesetze, staatliche Förderung und private Labels zum Tierschutz. Wie viele Betriebe beteiligen sich an solchen Programmen? Wie detailliert sind die Vorschriften? Wie strikt die Kontrollen? Anhand solcher Kriterien gelangt die Studie zum Schluss: Im internationalen Vergleich habe die Schweiz eine «Spitzenposition».
Zum Beispiel gebe es in der Schweiz genaue Regeln zu den Unterkünften der Tiere: wie viel Platz sie haben, wie viel Licht, wie viel Lärm sie ertragen müssen. In anderen Ländern sei teilweise nur der Transport geregelt – hauptsächlich zur Vermeidung von Seuchen.
Alles in allem hat die Schweiz also tatsächlich einen guten Tierschutz – der wohl die Produktion verteuert. Ist Einkaufstourismus also teilweise eine Umgehung dieses Tierschutzes, ein Ausweichmanöver zulasten der Tiere?
Sara Stalder, Geschäftsleiterin des Konsumentenschutzes, ist nicht wirklich einverstanden. Der Tierschutz erkläre zwar tatsächlich einen Teil der Preisunterschiede – aber wirklich nur einen Teil.
Daneben gebe es für die hohen Preise eine grosse Zahl von Gründen, gute wie schlechte. So müssten die Bäuerinnen und Bauern hierzulande einiges mehr zahlen für Futter, Tier-Medikamente oder Stalleinrichtungen. «Damit hat die heimische Landwirtschaft bereits einen deutlichen Wettbewerbsnachteil.»
Letzten Endes möchten sehr viele Akteure profitieren: Bauern, verarbeitende Industrie, Detailhandel, Agrokonzerne. Manche würden vernünftige Margen mitnehmen, manche wohl überzogene. Doch all dies sei für Aussenstehende nicht transparent. Stalder: «Wir wissen nicht, welche Akteure wie stark daran verdienen.»
Auf eine andere Sichtweise trifft man beim Schweizer Tierschutz STS, der nach eigenen Worten grössten Organisation für Tierschutz und Tierwohl in der Schweiz. Der Verband kritisiert Einkaufstouristen, wenn auch nicht alle, sowie Verarbeiter und Händler.
In einer Stellungnahme heisst es zunächst, die Schweiz habe zwar noch Verbesserungsbedarf, aber grundsätzlich stimme es: Sie habe das höhere Tierschutzniveau als die Nachbarländer.
Dieser Vorsprung könne zum Kostenfaktor werden. So beschränke die Schweiz etwa, wie viele Nutztiere in einem Stall gehalten werden dürfen, was teurer komme als eine industrielle Massentierhaltung. Doch das sei von der Bevölkerung in der Schweiz so gewünscht, sagt der Verband. Es werde nicht akzeptiert, wenn es gigantische Pouletställe von 100'000 Tieren geben würde wie im Ausland.
Wie Stalder betont auch der Verband, der Tierschutz sei nicht der einzige Grund für die höheren Preise von Schweizer Fleisch. Es liege auch am Grenzschutz mit hohen Zöllen und Mengenbeschränkung, welcher die Produktion verteuere. So koste etwa der Import von Futtermitteln mehr. Zudem würden höhere Margen als im Ausland verdient, und zwar in der Verarbeitung sowie in Handel und Vertrieb.
Was auch immer alles verantwortlich ist für die hohen Schweizer Fleisch-Preise – der Tierschutz sendet kritische Worte an die Einkaufstouristen. «Es ist sehr bedenklich, dass Menschen ohne akute soziale Not auf Kosten des Tierwohls billiges Fleisch im Ausland einkaufen, nur um ein paar Franken einzusparen.»
Die Produzenten würden gerechte Preise verdienen, wenn sie den Tieren Sorge tragen würden. Es brauche darum vermehrte Kontrollen an der Grenze und es gebe grossen Handlungsbedarf bei der Aufklärung der Konsumenten.
Der Verband ruft auf, Ernährungsgewohnheiten zu ändern, nach dem Motto: «Weniger Fleisch – dafür aus tiergerechter Haltung.» Das sei für alle besser: Mensch, Tier und Umwelt. «Aufklärung tut not.»
Das würden nicht alle so sehen, aber es zeigt sich deutlich: Die hohen Preisunterschiede beim Fleisch, welche da auf den letzten Seiten eines Berichts aufgezeigt werden, werfen Fragen auf. (aargauerzeitung.ch)
Die Preisunterschiede sind ja auch bei vielen anderen Produkten genauso hoch, ohne, dass da Tiere dafür sterben mussten. Der Preisunterschied ist also nicht wegen dem Tierschutz.