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Der Weltwoche-Journalist, die Edelprostituierte und was daraus wurde

Salomé Balthus
Salome BalthusBild: Uwe Hauth Photography, Berlin

Der Weltwoche-Journalist, die Edelprostituierte und was daraus wurde

05.12.2019, 15:1306.12.2019, 10:50
Dennis Frasch
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Man stelle sich vor, man geht an ein Geschäftsessen mit einem Kunden. Das Gespräch läuft gut, man ist sich sympathisch und plaudert auch bald mal über Persönliches. Ein paar Tage oder Wochen später liest man über die ausgetauschten Intimitäten in der Zeitung. Genauer gesagt in der Weltwoche. Glaubt man Salomé Balthus, ist dies genau so geschehen.

Die Edelprostituierte und Kolumnistin Salomé Balthus wurde dieses Jahr einer breiten Öffentlichkeit bekannt, weil Roger Schawinski sie vor laufender Kamera fragte, ob sie als Kind missbraucht wurde*. Der Fall wurde in den Medien breit diskutiert, auch weil Balthus von ihrem damaligen Arbeitgeber, der «Welt», danach gefeuert wurde.

Die Wogen haben sich mittlerweile geglättet, Schawinski und seine gleichnamige Talksendung wurden abgesetzt – aus Spargründen.

Nun erregt Klara Johanna Lakomy, wie Balthus mit richtigem Namen heisst, wieder die Gemüter. Vorerst aber nur auf Twitter. Dort fand sich gestern Abend zur späten Stunde dieser Tweet:

Balthus beschuldigt den Weltwoche-Journalisten Roman Zeller, eine Geschichte über ein Treffen der Beiden ohne ihr Einverständnis niedergeschrieben und nun veröffentlicht zu haben.

Zeller habe sie in Berlin privat als Escort gebucht, nachdem er monatelang versuchte, ein Interview mit ihr zu führen.

Balthus willigte ein, weil «er mir ein bisschen leid tat». Bedingung sei jedoch gewesen, dass das Gespräch nicht journalistisch verwendet würde. Daran hielt sich Zeller offensichtlich nicht.

Intimitäten bei Rotwein und Kalbskotelett

Bei dem dreiseitigen Artikel handelt es sich um eine Nacherzählung des Treffens aus der Sicht Zellers. Seiner Ansicht nach war es ein Gespräch «über Kunst, Philosophie und Sex».

Die Beiden trafen sich in Berlin und gingen in ein vornehmes Restaurant. Dort sprachen sie bei Rotwein und Kalbskotelett über Schawinski, ein bisschen über Nietzsche und viel über Sex. Darüber, wie Balthus als 26-Jährige zu ihrem Beruf gekommen ist und wie der Sex mit den Kunden so abläuft. Dabei gab sie sehr viel Persönliches preis.

Zeller beschreibt auch, wie Balthus ihm immer näher gekommen sei. Als er ihr das Duzis anbot, hätte sie mit folgenden Worten abgelehnt: «Wenn ich dich jetzt duze, habe ich weniger Respekt, und das macht mich nur noch schärfer. Ich sag’s nur. Wir müssen aufpassen.»

Das sagt Köppel

SVP - Nationalrat Roger Koeppel an einer Medienkonferenz in Wallisellen am Donnerstag, 24. Oktober 2019.(KEYSTONE/Walter Bieri)
Bild: KEYSTONE

Roger Köppel, Chefredaktor der Weltwoche, schreibt auf Anfrage von watson:

«Die Weltwoche widerspricht der Darstellung von Frau Balthus. Nicht nur gab sich Herr Zeller von Anfang an als Weltwoche-Journalist zu erkennen. Er machte auch deutlich, dass er in journalistischer Mission unterwegs sei und das hoch stehende Gespräch journalistisch verwenden werde.»

Die Reaktionen auf Twitter fallen hingegen ganz anders aus. Die Meisten fordern eine Anzeige gegen Zeller und finden sein Verhalten eines Journalisten unwürdig.

Verletzung des Journalistenkodex

Sollte Balthus Zeller tatsächlich nur unter der Bedingung, dass das Gespräch nicht journalistisch verwendet wird, getroffen haben, so würde das auf jeden Fall eine Verletzung des Journalistenkodex darstellen.

Unter Punkt 7.1 – «Schutz der Privatsphäre» steht nämlich:

Jede Person – dies gilt auch für Prominente – hat Anspruch auf den Schutz ihres Privatlebens. Journalistinnen und Journalisten dürfen im Privatbereich keine Ton-, Bild- oder Videoaufnahmen ohne Einwilligung der Betroffenen machen (Recht am eigenen Bild und Wort).

Weiter steht unter Punkt 4.5 – «Interview»:

«Das Interview basiert auf einer Vereinbarung zwischen zwei Partnerinnen / Partnern, welche die dafür geltenden Regeln festlegen. [...] Im Normalfall müssen Interviews autorisiert werden. Ohne ausdrückliches Einverständnis des Gesprächspartners sind Medienschaffende nicht befugt, aus einem Gespräch nachträglich ein Interview zu konstruieren.

Ob es zu einer Anzeige kam oder kommen wird, ist bis jetzt nicht bekannt.

*In einer ersten Version haben wir fälschlicherwiese geschrieben, Schawinski habe gefragt, ob sie von ihren Eltern missbraucht worden sei. Das stimmt nicht. Wir bedauern den Fehler und haben ihn korrigiert.

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95 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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TanookiStormtrooper
05.12.2019 15:28registriert August 2015
Die serbelnde Weltwoche hat noch Geld um ihren Journalisten einen Besuch bei einer Edelprostituierten zu bezahlen?
Der Maurice darf sich hier nie mehr darüber beschweren, dass Nico zu viel Spesen verpulvert, sonst wandert der einfach zur Weltwoche ab. 🤣
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ingmarbergman
05.12.2019 15:19registriert August 2017
Sowas ist kein Journalismus mehr.
Da braucht es endlich ein griffiges Gesetz.

Vorschlag: Eine Busse in der Höhe eines Jahresumsatzes.

Das würde dann auch Blick und Konsorten mal richtig weh tun und deren Unsinn abstelle.
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Dani B.
05.12.2019 16:05registriert August 2018
Auch für ein Satiremagazin gibt es Grenzen.
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