Es ist ziemlich viel in Unordnung beim Onlinemagazin «Republik». Chefredaktion und Geschäftsführung sind nur interimistisch bestellt. Die Gründer sind ausgebrannt. Im Verwaltungsrat hagelte es zuletzt Rücktritte. Dazu drohen Nach- und Strafsteuerzahlungen in Höhe von über 900'000 Franken. Und dies bei einer instabilen Basis von Unterstützern und Abonnenten.
Doch nun tritt ein Mann auf die Bühne, der neues Vertrauen vermitteln soll: Roger de Weck (69), Publizist, ex-Chefredaktor des «Tages-Anzeiger» und «Der Zeit» sowie ex-Generaldirektor der SRG. Er ist der «Republik» schon lange verbunden, hatte eine eigene Gesprächsserie, die allerdings keine grosse Beachtung fand.
Nun haben ihn die Genossenschafter in einer Urabstimmung mit 3189 Stimmen (und 73 Gegenstimmen) in den Vorstand gewählt. Und da der Vorstand der Trägerorganisation Projekt R. gleichzeitig auch den Verwaltungsrat der operativen Firma «Republik» bilden soll, hat ihn deren Generalversammlung am Mittwoch, dem 30. November, in den Verwaltungsrat gewählt.
Nach drei unkoordinierten Rücktritten und der Zuwahl von de Weck agiert das strategische Führungsgremium nun als Trio. Als Präsidentin amtiert seit vier Jahren die IT- und Start-up-Unternehmerin Sylvie Reinhard. Aus dem Nichts aufgetaucht und seit Juni im Gremium ist Alfonso von Wunschheim, der sich ebenfalls gerne in der Start-up-Szene zeigt. Zu den in der Öffentlichkeit unbekannten Grössen gesellt sich nun als Dritter im Bunde: der für Publizistik zuständige Roger de Weck.
Es gibt für ihn reichlich zu tun. In der Chefredaktion herrscht ein unübersichtliches Kommen und Gehen. Die Gründer und journalistischen Treiber der «Republik», Christof Moser und Constantin Seibt, schweben zwar noch als Schatten über der Redaktion. Doch das Tagesgeschäft haben sie weitergereicht. Zuletzt an Oliver Fuchs, der diese Position seit Februar allerdings nur ad interim besetzt. Wo die formellen Hierarchien flach und schwach gehalten werden, da wuchern die informellen. Übernächste Woche soll dazu ein weiterer Personalentscheid gefällt werden.
Dabei ist die Publizistik die kleinste der Baustellen. Nur vorläufig liegt die Geschäftsleitung in der Hand von zwei Personen, die ebenfalls interimistisch versuchen, die «Republik» zu navigieren. Auch in diesem Bereich sind zeitnah personelle Entscheide versprochen. Das Vakuum ist allerdings gefährlich für das Onlinemedium, das den Neulingsbonus verliert und doch weit davon entfernt ist, ein wirtschaftlich etabliertes Medium zu sein.
Für das Überleben sind die ersten drei Monate des neuen Jahres entscheidend; in dieser Zeit müssen rund die Hälfte der «Mitgliedschaften» erneuert werden. Ein gutes Resultat ist dabei schon erreicht, wenn nicht mehr als jede fünfte «Verlegerschaft» aufgelöst wird. Anders gesagt: Es braucht jährlich mehr als 5600 neue «Republik»-Bezahlende, nur schon, um den Stand von derzeit rund 28'000 zu halten.
«Wir sind aber auf Wachstum angewiesen», sagt Co-Geschäftsleiterin Katharina Hemmer. 33'000 ist die ehrgeizig neue Zauberzahl, die angestrebt wird, um zu finanzieren, was sich die «Republik» vorgenommen hat. Es ist ein teuflischer Kreis: Ohne kostentreibende journalistische Innovationen gibt es keine neuen Abonnenten, ohne zusätzliche Einnahmen keine Innovationen. «Wir sind am Ausprobieren, was funktioniert und was nicht», sagt Hemmer.
Operativ hat die «Republik», deren Geschäftszyklus jeweils auf Mitte Jahr endet, zuletzt mit einer schwarzen Null abgeschlossen. Und doch ist der Abschluss bedrohlich rot: Eine Überprüfung hat ergeben, dass in der Vergangenheit gleich zweifach zu wenig Steuern bezahlt wurde.
Zum einen hat die «Republik» auf mäzenatische Gelder in der Höhe von rund zwei Millionen Franken keine Schenkungssteuer abgeführt. Um die Nach- und möglichen Strafsteuern zu bezahlen, müssen dafür in der Bilanz 820'000 Franken zurückgestellt werden. Ein Entscheid mit den Steuerbehörden in verschiedenen Kantonen steht noch aus. Damit nicht genug. Da die Genossenschaft Leistungen bei der «Republik» eingekauft hat, dafür aber keine Mehrwertsteuer zahlte, drohen auch hier Nach- und Strafsteuern in Höhe von 110'000 Franken. Und da die Abklärungen komplex sind, werden die juristischen Arbeiten wohl 35'000 Franken verschlingen.
Das Onlineportal «Insideparadeplatz» spricht von «Steuerhinterziehung», wobei an Absicht wenig zu erkennen ist. Viel eher scheint die «Republik» über die eigene Komplexität zu stolpern. Im Bemühen, die Abonnenten als «Verleger» wichtig zu machen, werden deren Zahlungen nicht etwa als normale Einnahmen verbucht, sondern direkt dem Eigenkapital angerechnet. Dies führt zur Anomalie, dass die Konzernbilanz von Projekt R. und «Republik» zwar über ein Eigenkapital von gut 25 Millionen Franken verfügt, sich gleichzeitig Verlustvorträge türmen, sodass ein dünnes Eigenkapital von 1.4 Millionen Franken übrig bleibt. Mit den Darlehen ist die «Republik» buchhalterisch ein Sanierungsfall.
Co-Gründer Christof Moser, der mittlerweile von Berlin aus redigierenderweise für die «Republik» arbeitet, hat seine Erfahrung in einem Post auf Linked-in auf Englisch als Ratschlag für andere Start-up-Unternehmen formuliert: «Achten Sie darauf, was hinter Ihrem Rücken in den strategischen Gremien passiert. (?) Es passiert sehr schnell und Sie sind plötzlich mit einer Anhäufung von Inkompetenz, Mobbing und schlechten Entscheidungen konfrontiert.»
Roger de Weck, der neue Verwaltungsrat, wird sich nicht auf den publizistischen Bereich beschränken können. Er hat um Verständnis zu werben für die schwierige Situation eines Mediums, das doch angetreten ist, die Demokratie zu retten. Und er hat um Geld zu werben. Ein schwieriges Unterfangen, wenn damit Steuerschulden beglichen werden müssen. (aargauerzeitung.ch)
Hoffe organisatorisch und finanziell bekommen sie es auch noch hin.
Wäre echt schade falls nicht.