Im Bundesparlament kursiert ein neuer Vorschlag, wie die Zuwanderung in die Schweiz reduziert werden kann. Der Plan sieht einschneidende Massnahmen vor. Und er würde wahrscheinlich dazu führen, dass die EU-Kommission ein Verfahren gegen die Schweiz einleitet.
Die FDP, die Mitte und die Grünliberalen sind sich einig: Es braucht einen direkten Gegenvorschlag gegen die 10-Millionen-Initiative der SVP. Das Volksbegehren gilt als aussichtsreich. Und die SVP gewinnt in kantonalen Wahlen weiter Wähleranteile hinzu, weil das Thema Migration die Stimmbevölkerung an die Urnen bringt.
Eine Annahme der SVP-Initiative könnte dazu führen, dass die Zuwanderung von Arbeitskräften aus der EU von einem Tag auf den anderen drastisch reduziert wird. Und die bilateralen Verträge zwischen Bern und Brüssel könnten dahinfallen.
FDP-Nationalrat und Unternehmer Simon Michel versucht nun, die Sozialdemokraten einzubinden. Die Allianz gegen die 10-Millionen-Initiative soll möglichst breit sein. Das überarbeitete Konzept Michels sieht eine Einwanderungsgebühr vor: Wer in die Schweiz zieht, soll für die Dauer von elf Jahren eine Abgabe von drei Prozent auf das Einkommen entrichten. Eine rückwirkende Anwendung ist ausgeschlossen.
Die Massnahme könnte wirksam werden, wenn die Bevölkerung in der Schweiz auf 9,5 Millionen Menschen angewachsen ist. Dieser Schwellenwert spielt auch in der Volksinitiative der SVP eine Rolle.
Mit der Abgabe würde pro Jahr ein Ertrag in der Höhe von rund einer Milliarde Franken erzielt – je nach Entwicklung der Migration. Das Geld soll umgehend an die Schweizer Bevölkerung zurückfliessen, zum Beispiel mit Beiträgen an die Verbilligung der Krankenkassenprämien.
Vorbild für dieses Modell ist die Wehrpflichtersatzabgabe: Schweizer Männer zwischen 19 und 37, die keinen Militärdienst leisten, haben eine Abgabe in der Höhe von drei Prozent ihres Einkommens zu bezahlen.
Wie reagiert die SP auf diesen Vorschlag? «Kein Kommentar», meint Co-Präsident Cédric Wermuth. Die Sozialdemokraten sind noch daran, ihre Position zu festigen. Stimmt die SP zu, wäre das ein grosser Schritt für die Partei. Bisher rüttelte sie nicht an der freien Zuwanderung aus der EU – vorausgesetzt, der Lohnschutz ist garantiert.
Die Zuwanderung in die Schweiz ist aber anhaltend hoch. Seit 2022 kommen viel mehr Menschen ins Land als in den sechs Jahren zuvor. Die Wirtschaft ist auf Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen. Jetzt wird jedoch der Wohnraum knapp, und die Schweiz tut sich zunehmend schwer, die Infrastruktur anzupassen. Das Thema Zuwanderung wird in der Erhebung des Sorgenbarometers wieder viel häufiger genannt als in vergangenen Jahren.
Der Bundesrat will trotzdem keinen Gegenvorschlag zur 10-Millionen-Initiative der SVP präsentieren. Justizminister Beat Jans (SP) arbeitet stattdessen an Begleitmassnahmen: Die Asylverfahren sollen schneller durchgeführt werden. Und die Frauen von Expats sollen vermehrt arbeiten. In der FDP, der Mitte-Partei und der GLP bezweifeln viele, dass sich die Stimmberechtigten in genügend grosser Zahl davon beeindrucken lassen.
Auch die Schutzklausel, welche die EU-Kommission dem Bundesrat zugestanden hat – ist sie mehr als eine Beruhigungspille? Kann Bern die Klausel im neuen Vertragspaket wirklich zu einer Reduktion der Zuwanderung einsetzen? Viele Politiker sind skeptisch.
Sie finden, dass es eine griffige Massnahme brauche – wie die Einwanderungsgebühr. FDP-Präsident Thierry Burkart betont, dass die «Kündigungsinitiative» der SVP extrem schädlich wäre für die Schweiz. Darum sei es gut, dass sich nun auch andere Parteien als die FDP mit der Problematik befassten.
Die FDP unterstütze eine Zuwanderungsabgabe, wenn sie eine reine Lenkungsabgabe sei und der Bevölkerung zurückerstattet werde. «Wichtig ist, dass tatsächlich ein Lenkungseffekt in Bezug auf die Zuwanderung eintritt und die Massnahme der Schweizer Bevölkerung unter dem Strich nützt», erklärt Burkart. KMU und andere Betriebe, die dringend nach Arbeitskräften suchten, dürften nicht bestraft werden.
Was sagt der FDP-Präsident dazu, dass die EU mit Sanktionen gegen die Schweiz reagieren könnte? «Das ist von untergeordneter Bedeutung. Wir dürfen uns nicht in vorauseilendem Gehorsam üben.» Entscheidend sei, was der Schweizer Bevölkerung diene.
Burkart ist da auf einer Linie mit Mitte-Präsident Gerhard Pfister. Dieser plädiert dafür, dass ein Land bei übermässig hoher Zuwanderung vorübergehend Einschränkungen verfügen kann – auch wenn dies gegen das Prinzip der Personenfreizügigkeit verstösst.
Was hält SVP-Präsident Marcel Dettling vom möglichen Gegenvorschlag zur Initiative seiner Partei? «Das Problem wird mit einer Einwanderungsgebühr nicht behoben», sagt er. Der Dichtestress auf Strasse und Schiene, der die Leute plage, die Wohnungsknappheit – sie nähmen nur ab, wenn die Zuwanderung effektiv sinke. «Ansetzen muss man vor allem im Asylbereich und beim ungebremsten Stellenwachstum, den wir beim Staat sehen.»
Auch die Reaktion der Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone fällt ablehnend aus – wenn auch aus einem anderen Grund. Sie verweist auf den Arbeitskräftemangel in der Schweiz, gerade in den Spitälern, auf dem Bau und in der Informatikbranche. Was die FDP vorschlage, sei ein «kontraproduktives Bürokratiemonster». Die FDP solle die Initiative der SVP bekämpfen, statt die SVP zu imitieren.
Es wird sich bald zeigen, ob sich eine Mehrheit des Bundesparlaments auf einen Gegenvorschlag zur 10-Millionen-Initiative einigt. Die Einsicht wächst, dass ein Vorschlag ohne harte Bestimmungen keinen Sinn ergibt. (aargauerzeitung.ch)
Es ist doch Kuhmist, drei Prozent pro Jahr vom Lohn der Zuwanderer zu nehmen. Die Initiative ist für dümmliche Leute natürlich auf den ersten Blick bestechend.