Schweiz
Migration

Neuer Migrationsplan in der Schweiz sieht drastische Massnahme vor

Neuer Plan gegen hohe Zuwanderung in die Schweiz sieht drastische Massnahme vor

Die FDP versucht, die SP für einen harten Vorschlag zu gewinnen – gegen die 10-Millionen-Initiative der SVP. Wer in die Schweiz zieht, soll eine jährliche Abgabe auf den Lohn entrichten.
15.03.2025, 12:0615.03.2025, 12:06
Francesco Benini / ch media
Mehr «Schweiz»
Die Zuwanderung in die Schweiz ist anhaltend hoch. Das Bild zeigt die Bahnhofstrasse in Zürich.
Die Zuwanderung in die Schweiz ist anhaltend hoch. Das Bild zeigt die Bahnhofstrasse in Zürich.

Im Bundesparlament kursiert ein neuer Vorschlag, wie die Zuwanderung in die Schweiz reduziert werden kann. Der Plan sieht einschneidende Massnahmen vor. Und er würde wahrscheinlich dazu führen, dass die EU-Kommission ein Verfahren gegen die Schweiz einleitet.

Die FDP, die Mitte und die Grünliberalen sind sich einig: Es braucht einen direkten Gegenvorschlag gegen die 10-Millionen-Initiative der SVP. Das Volksbegehren gilt als aussichtsreich. Und die SVP gewinnt in kantonalen Wahlen weiter Wähleranteile hinzu, weil das Thema Migration die Stimmbevölkerung an die Urnen bringt.

Eine Annahme der SVP-Initiative könnte dazu führen, dass die Zuwanderung von Arbeitskräften aus der EU von einem Tag auf den anderen drastisch reduziert wird. Und die bilateralen Verträge zwischen Bern und Brüssel könnten dahinfallen.

Vorbild ist die Abgabe der dienstuntauglichen Männer

FDP-Nationalrat und Unternehmer Simon Michel versucht nun, die Sozialdemokraten einzubinden. Die Allianz gegen die 10-Millionen-Initiative soll möglichst breit sein. Das überarbeitete Konzept Michels sieht eine Einwanderungsgebühr vor: Wer in die Schweiz zieht, soll für die Dauer von elf Jahren eine Abgabe von drei Prozent auf das Einkommen entrichten. Eine rückwirkende Anwendung ist ausgeschlossen.

Die Massnahme könnte wirksam werden, wenn die Bevölkerung in der Schweiz auf 9,5 Millionen Menschen angewachsen ist. Dieser Schwellenwert spielt auch in der Volksinitiative der SVP eine Rolle.

Mit der Abgabe würde pro Jahr ein Ertrag in der Höhe von rund einer Milliarde Franken erzielt – je nach Entwicklung der Migration. Das Geld soll umgehend an die Schweizer Bevölkerung zurückfliessen, zum Beispiel mit Beiträgen an die Verbilligung der Krankenkassenprämien.

Vorbild für dieses Modell ist die Wehrpflichtersatzabgabe: Schweizer Männer zwischen 19 und 37, die keinen Militärdienst leisten, haben eine Abgabe in der Höhe von drei Prozent ihres Einkommens zu bezahlen.

Wie reagiert die SP auf diesen Vorschlag? «Kein Kommentar», meint Co-Präsident Cédric Wermuth. Die Sozialdemokraten sind noch daran, ihre Position zu festigen. Stimmt die SP zu, wäre das ein grosser Schritt für die Partei. Bisher rüttelte sie nicht an der freien Zuwanderung aus der EU – vorausgesetzt, der Lohnschutz ist garantiert.

Zuwanderung in die Schweiz

Zuwanderung in die Schweiz
Bild: Quelle: Staatssekretariat für Migration; Grafik: ch media

Die Zuwanderung in die Schweiz ist aber anhaltend hoch. Seit 2022 kommen viel mehr Menschen ins Land als in den sechs Jahren zuvor. Die Wirtschaft ist auf Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen. Jetzt wird jedoch der Wohnraum knapp, und die Schweiz tut sich zunehmend schwer, die Infrastruktur anzupassen. Das Thema Zuwanderung wird in der Erhebung des Sorgenbarometers wieder viel häufiger genannt als in vergangenen Jahren.

Der Bundesrat will trotzdem keinen Gegenvorschlag zur 10-Millionen-Initiative der SVP präsentieren. Justizminister Beat Jans (SP) arbeitet stattdessen an Begleitmassnahmen: Die Asylverfahren sollen schneller durchgeführt werden. Und die Frauen von Expats sollen vermehrt arbeiten. In der FDP, der Mitte-Partei und der GLP bezweifeln viele, dass sich die Stimmberechtigten in genügend grosser Zahl davon beeindrucken lassen.

Auch die Schutzklausel, welche die EU-Kommission dem Bundesrat zugestanden hat – ist sie mehr als eine Beruhigungspille? Kann Bern die Klausel im neuen Vertragspaket wirklich zu einer Reduktion der Zuwanderung einsetzen? Viele Politiker sind skeptisch.

Sie finden, dass es eine griffige Massnahme brauche – wie die Einwanderungsgebühr. FDP-Präsident Thierry Burkart betont, dass die «Kündigungsinitiative» der SVP extrem schädlich wäre für die Schweiz. Darum sei es gut, dass sich nun auch andere Parteien als die FDP mit der Problematik befassten.

Thierry Burkart, FDP-AG, spricht im Staenderat, waehrend der Fruehjahrssession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 11. Maerz 2025 im Staenderat in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Hält die Volksinitiative der SVP für «extrem schädlich»: FDP-Präsident Thierry Burkart.Bild: keystone

Die FDP unterstütze eine Zuwanderungsabgabe, wenn sie eine reine Lenkungsabgabe sei und der Bevölkerung zurückerstattet werde. «Wichtig ist, dass tatsächlich ein Lenkungseffekt in Bezug auf die Zuwanderung eintritt und die Massnahme der Schweizer Bevölkerung unter dem Strich nützt», erklärt Burkart. KMU und andere Betriebe, die dringend nach Arbeitskräften suchten, dürften nicht bestraft werden.

Möglichen Konflikt mit der EU in Kauf nehmen

Was sagt der FDP-Präsident dazu, dass die EU mit Sanktionen gegen die Schweiz reagieren könnte? «Das ist von untergeordneter Bedeutung. Wir dürfen uns nicht in vorauseilendem Gehorsam üben.» Entscheidend sei, was der Schweizer Bevölkerung diene.

Burkart ist da auf einer Linie mit Mitte-Präsident Gerhard Pfister. Dieser plädiert dafür, dass ein Land bei übermässig hoher Zuwanderung vorübergehend Einschränkungen verfügen kann – auch wenn dies gegen das Prinzip der Personenfreizügigkeit verstösst.

Was hält SVP-Präsident Marcel Dettling vom möglichen Gegenvorschlag zur Initiative seiner Partei? «Das Problem wird mit einer Einwanderungsgebühr nicht behoben», sagt er. Der Dichtestress auf Strasse und Schiene, der die Leute plage, die Wohnungsknappheit – sie nähmen nur ab, wenn die Zuwanderung effektiv sinke. «Ansetzen muss man vor allem im Asylbereich und beim ungebremsten Stellenwachstum, den wir beim Staat sehen.»

Auch die Reaktion der Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone fällt ablehnend aus – wenn auch aus einem anderen Grund. Sie verweist auf den Arbeitskräftemangel in der Schweiz, gerade in den Spitälern, auf dem Bau und in der Informatikbranche. Was die FDP vorschlage, sei ein «kontraproduktives Bürokratiemonster». Die FDP solle die Initiative der SVP bekämpfen, statt die SVP zu imitieren.

Es wird sich bald zeigen, ob sich eine Mehrheit des Bundesparlaments auf einen Gegenvorschlag zur 10-Millionen-Initiative einigt. Die Einsicht wächst, dass ein Vorschlag ohne harte Bestimmungen keinen Sinn ergibt. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
222 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Lushchicken
15.03.2025 12:43registriert Oktober 2014
"Wer in die Schweiz zieht, soll eine jährliche Abgabe auf den Lohn entrichten." Äh, aber der Abzug sollte bei den Firmen gemacht werden, die solche Leute ins Land holen. Inländervorzug ist doch in anderen Ländern üblich?
19627
Melden
Zum Kommentar
avatar
RaWi - Wir sind mehr
15.03.2025 12:46registriert Februar 2014
Klar, anstelle die Gebühr bei den Firmen zu erheben, die Personen aus dem Ausland rekrutieren, belastet man lieber die im Verhältnis günstigeren Arbeitskräfte. Sehe nicht, wie das die Zuwanderung reduzieren soll.
14320
Melden
Zum Kommentar
avatar
N. Y. P.
15.03.2025 12:47registriert August 2018
Wir können in der Schweiz die Zuwanderung über die Höhe der Firmensteuern regulieren. Es wäre so einfach.

Es ist doch Kuhmist, drei Prozent pro Jahr vom Lohn der Zuwanderer zu nehmen. Die Initiative ist für dümmliche Leute natürlich auf den ersten Blick bestechend.
13525
Melden
Zum Kommentar
222
    Milliardenrücklage für Dividenden: UBS will ihre Aktionäre nicht verprellen
    Die UBS hat kein glanzvolles, aber immerhin ein solides Quartal hinter sich. Doch die Aussichten in der Finanzbranche sind trüb - zu trüb, als dass die UBS allen Ansprüchen gerecht werden kann: Die Schweiz will mehr Eigenkapital und Sicherheit, die Aktionäre mehr Dividende.

    Die UBS hat im ersten Quartal des laufenden Jahres knapp 1,7 Milliarden Dollar verdient. Das ist nicht schlecht, aber weniger gut als im gleichen Zeitabschnitt des Vorjahres. Weniger günstig als 2024 präsentieren sich heuer aber auch die wirtschaftlichen Aussichten für die weltweite Finanzindustrie. So verschärft sich das Dilemma der UBS: Die Schweiz will mehr Eigenkapital und eine sicherere Grossbank, die Aktionäre erwarten aber den Reibach aus der Jahrhundertübernahme Credit Suisse. Dass jemand unter den gegenwärtigen Bedingungen zurückstecken muss, pfeifen die Spatzen schon seit einigen Monaten von den Dächern.

    Zur Story