Die Migros ist eine Grossbaustelle. Defizitäre Abenteuer werden gestoppt, die Fachmärkte abgestossen, Firmen verkauft, Abläufe optimiert. Dadurch baut die Migros insgesamt rund 8000 Stellen ab, 6500 «wechseln» mit der Veräusserung von Unternehmensteilen zu neuen Arbeitgebern, 1500 Jobs werden gestrichen.
Doch das ist nur die Fassade. Der wohl grösste Umbau findet im Innern der Migros statt, mit der Zusammenlegung des Kerngeschäfts respektive Supermarktgeschäfts, dessen Umsatz sich konsolidiert auf rund 12 Milliarden Franken beläuft und 40 Prozent des gesamten Migros-Umsatzes ausmacht. Am Montagmorgen lud das Führungsteam rund um Konzernchef Mario Irminger und Verwaltungsratspräsidentin Ursula Nold die Medien in die Filiale am Zürcher Limmatplatz ein. Inmitten von Salaten, Rüebli und Gurken gaben die Migros-Oberen Einblick in ihre Strategie. Das sind die wichtigsten Punkte:
Seit Anfang Jahr ist das Supermarktgeschäft in einer neu gegründeten Aktiengesellschaft gebündelt. Es war eine Art Plan B, denn eine radikale Reform mit der Fusion der Regionalgenossenschaften war unmöglich. Nichts tun war jedenfalls keine Option: Denn die Situation war für die Migros äusserst ungemütlich geworden, wie Irminger einräumte: In den vergangenen zehn Jahren habe die Migros massiv Marktanteile verloren, und die Profitabilität habe sich im Kerngeschäft in dieser Zeit halbiert.
Nun will die Migros im Lebensmittelgeschäft wieder die unumstrittene Nummer 1 werden. «Wir wollen den Takt angeben», wie Irminiger und Nold mehrmals betonten. Die beiden wollen die verlorenen Marktanteile wieder zurückerobern. Dazu erkennen sie zwei Hebel, bei denen sie ansetzen können: bei den Preisen und beim Ladennetz.
Insgesamt will die Migros 2024 und 2025 die Preise von mehr als 1000 Alltagsprodukten auf ein Discount-Niveau senken, wie sie nun verspricht. Damit geht sie in den Nahkampf mit den deutschen Discountern Aldi und Lidl, die teils zuletzt mit Preisvergleichen warben, bei denen die Migros, aber auch ihre Discounttochter Denner, jeweils deutlich schlechter abschnitten.
Den Auftakt macht die Migros mit mehr als 60 Gemüsen und Früchten. Seit Montag sind sie mit einem gelben «Tiefpreis»-Schild versehen. Diese erinnern stark an die roten Schilder, die Coop mit der Bezeichnung «Markenartikel zum Discountpreis» in seinen Regalen angebracht hat. Den Entscheid dazu habe man erst vergangene Woche gefällt, sagt Supermarkt-Chef Peter Diethelm. Welche weiteren Artikel künftig ebenfalls das gelbe Schild erhalten, sei deshalb noch nicht klar. Sicher würden es aber nicht irgendwelche Nischenprodukte sein. Und was, wenn Aldi, Lidl und Co. ihre Preise bei den Vergleichsartikeln weiter senken? «Dann gehen wir auch runter», sagte Diethelm.
Insgesamt will sie in den nächsten fünf Jahren 500 Millionen Franken in Preissenkungen investieren. Das kann sich die Migros laut Irminger erlauben, weil sie sich erstens von verlustreichen Geschäften getrennt habe, zweitens «einen kleineren Gruppengewinn in Kauf» nehme und drittens nun von Effizienz- und Kostenvorteilen aus der engeren Zusammenarbeit in der gesamten Migros-Gruppe profitieren könne.
Die bereits existierende M-Budget-Billiglinie solle es auch in Zukunft geben, sagte Diethelm. Die 1000 neuen Tiefpreis-Produkte seien keine neue Linie, sondern könnten sich übers gesamte Angebot verteilen. Es sei gut möglich, dass künftig auch Bio-Produkte oder Artikel anderer Linien und Labels günstiger würden.
Die Migros will aber nicht nur günstiger, sondern auch präsenter werden: Sie will in den kommenden fünf Jahren insgesamt 2 Milliarden Franken in neue und modernere Filialen investieren. Geplant sind laut Irminger 140 Neueröffnungen, mehrheitlich kleine M-Filialen in Gebieten, «in denen die Bevölkerung stark wächst». 30 davon werden Voi-Filialen, in denen die Migros auch Wein und Bier verkauft. Bis 2030 wird das Filialnetz der Migros inklusive Voi und Migros-Partner-Filialen demnach von heute knapp 790 auf rund 930 wachsen.
Zudem will die Migros bis ins Jahr 2030 insgesamt 350 bestehende Supermärkte modernisieren. Diese sollen «ein frisches Erscheinungsbild» und ein «modernes Ladenkonzept» erhalten. Konkretere Angaben wollten die Migros-Chefs dazu nicht machen. Klar ist hingegen, dass die Läden ab 2025 alle nach einem einheitlichen, zentral entwickelten Konzept neu oder umgebaut werden. Es gibt neu einen Auftritt für alle. Die Zeiten, da jede der zehn Regionalgenossenschaften ihre eigenen Präferenzen beim Ladenbau ausleben konnte, sind vorbei.
Die Migros will wieder vermehrt ihre Eigenmarken in den Vordergrund rücken und deren Anteil von heute 78 Prozent auf über 80 Prozent heben, wie der Migros-Luzern-Chef Guido Rast festhielt, der die nationale Supermarkt-Tochter präsidiert. Mit enthalten sind in diesen Zahlen auch die eigentlich markenfreien Früchte und Gemüse.
Das heisst: Die Migros räumt den mehr als 200 Eigenmarken – vom Handy-Abwaschmittel über den Migros-Eistee bis hin zur Candida-Zahnpasta – wieder einen prominenteren Platz ein. Diese seien beliebt und gehörten zur DNA der Migros, sagte Rast. Dies ist eine Hiobsbotschaft für die Markenhersteller, schliesslich ist ihr Platz im Migros-Regal schon heute stark begrenzt. Und das verleiht wiederum Coop, dem grössten Markenverkäufer im Lande, eine noch stärkere Verhandlungsmacht gegenüber Emmi, Coca-Cola und Co.
Die Umbauarbeiten sind noch nicht abgeschlossen. Bis Ende Jahr hofft Irminger nach eigenen Angaben einen Käufer für die Reisetochter Hotelplan vorzustellen. Der Verkauf der Industriefirma Mibelle wird sich bis ins erste Quartal 2025 hinziehen.
Ebenfalls noch nicht beendet hat die Migros ihren Fachmärkte-Grossverkauf. Einige ist sie schon losgeworden: Melectronics ging an Media Markt, Bikeworld an das Fahrradgeschäft Thömus, Sport X an die Dosenbach-Ochsner-Gruppe.
Bleiben noch Micasa und die Do-it- und Garten-Fachmärkte. Das Möbelgeschäft könnte allenfalls noch im laufenden Jahr veräussert werden, bei den Handwerker- und Garten-Läden dürfte es 2025 werden.
Sie behalten ihr Reich. Erfolgreich haben sich die zehn Regionalgenossenschaften in der Vergangenheit gegen alle Fusionsideen gewehrt. Doch auch sie müssen sich jetzt bewegen, müssen mehr zusammenarbeiten. Mit der Abgabe des Kerngeschäfts an die zentral geführte Supermarkt-Tochter ist es jedenfalls nicht getan.
Erste, zaghafte Annäherungsversuche sind jüngst zwischen den beiden Regionalgenossenschaften Luzern und Tessin sichtbar geworden. Sie wollen künftig bei der Logistik zusammenspannen. Die Migros Luzern kann so ihre Kapazitäten besser auslasten, die Migros Tessin, die kleinste im ganzen Migros-Reich, spart reichlich Investitionsgelder.
Migros-Tessin-Geschäftsleiter Mattia Keller sprach bei der Bekanntgabe Anfang Oktober von einem «Leuchtturmprojekt», das aufzeige, wie unter den regionalen Genossenschaften «Synergien» genutzt werden könnten. Und Rast sagte damals: «Mit dieser Lösung erzielen wir nicht nur Vorteile für die Genossenschaften Luzern und Tessin, sondern für die ganze Migros-Gruppe, indem wir die Logistik-Landschaft vereinfachen». Nun, bei seinem Auftritt im Supermarkt, doppelte er nochmals nach und betonte, dass die Migros solche Kooperationen fördern wolle. (aargauerzeitung.ch)
Aldi und Lidl verkaufen auch Schweizer Produkte und das Verhalten der Migros motiviert mich nicht, für mehr Geld bei ihr einzukaufen. Mehr Eigenmarken unter dieser Führung bedeutet wohl mehr billige ausländische Produkte, die man wiederum bei den Discountern günstiger findet. Viel Spass denen, die mal Irmigers und Nolds Scherbenhaufen aufräumen dürfen.