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Quagga-Muschel befällt Vierwaldstättersee – Bund bleibt passiv

Felchensterben im Bodensee. Eine Reportage mit Berufsfischer Gallus Baumgartner, 31. August 2023
Die Quagga-Muschel breitet sich in der Schweiz rasant aus.Bild: watson

Quagga-Muschel befällt Vierwaldstättersee – doch der Bund bleibt passiv

Die invasive Quagga-Muschel wurde erstmals im Zuger- und Alpnachersee gefunden und wird auch den Vierwaldstättersee befallen, trotz verschiedener Massnahmen seitens der kantonalen Behörden. Nun wird der Ruf nach schweizweiten, einheitlichen Regeln laut – doch der Bund bleibt passiv.
19.07.2024, 09:5319.07.2024, 13:24
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In einem Punkt ist sich die Fachwelt einig: Ist die Quagga-Muschel einmal in einem Gewässer angekommen, lässt sich deren Ausbreitung kaum mehr verhindern.

Deswegen war die Nachricht vom Dienstag auch ein Schock: Erstmals wurde die invasive Art im Zuger- und Alpnachersee – der in den Vierwaldstättersee mündet – entdeckt. Noch unklar ist momentan, ob auch der Ägerisee befallen ist. Die Proben hätten keine eindeutigen Ergebnisse geliefert, die Behörden würden darum die Hoffnung hegen, dass dies noch nicht der Fall sei.

Diese Hoffnung besteht für den Alpnacher- und Zugersee nicht mehr. Philip Baruffa, Gesamtprojektleiter Schiffsmelde- und Reinigungspflicht in der Zentralschweiz, sagt gegenüber watson:

«Die Ausbreitung der Quaggamuschel lässt sich in den beiden Seen nicht mehr aufhalten.»
Philip Baruffa

Und da der Alpnachersee Teil des Vierwaldstättersees ist, «wird sich die Quagga-Muschel auch beim Vierwaldstättersee ungehindert ausbreiten können», so Baruffa.

Die Quagga-Muschel wird sich auch im Vierwaldstättersee ausbreiten.
Die Quagga-Muschel wird sich auch im Vierwaldstättersee ungehindert ausbreiten.Bild: Shutterstock

Zusammen mit diesen drei (den Ägerisee nicht mitgezählt) sind gemäss dem Bund stand heute in mindestens neun Seen der Schweiz Quagga-Muscheln gefunden worden. Bereits betroffen waren:

  • Genfersee
  • Bodensee
  • Neuenburgersee
  • Bielersee
  • Lac Hongrin
  • Murtensee

Um die noch restlichen nicht befallenen Seen vor der invasiven Art zu schützen, haben mittlerweile etliche Kantone Massnahmen ergriffen, die über die Eigenverantwortung der Bootsbesitzerinnen und Bootsbesitzer hinausgehen.

So soll eine weitere Ausbreitung verhindert werden

So zum Beispiel in der Zentralschweiz. Hier wird demnächst eine Melde- und Reinigungspflicht (SMRP) für Schiffe eingeführt. Will eine Schiffsführerin oder ein Schiffsführer von einem Dritt-See in ein Gewässer der Zentralschweiz (Kantone Luzern, Obwalden, Nidwalden, Uri, Zug und Schwyz) einwassern, muss dies vorgängig auf einer kantonsübergreifenden Plattform gemeldet werden.

Die Schiffe werden dann durch Fachpersonen gereinigt – und diese Reinigung dann durch die Fachperson auch bestätigt –, «was das Risiko einer Verschleppung sehr stark reduziert», so Baruffa.

Mit der Meldung und dem erhaltenen Reinigungsnachweis wird eine Einwasserungsfreigabe erteilt. Wer ohne diese Bewilligung einwassert, macht sich strafbar. Diese Pflicht und das System greifen ab August, vorerst aber nur in den Zentralschweizer Kantonen.

Baruffa sagt: «Wenn wir es schaffen, schweizweit die SMRP einzuführen, kann jedes immatrikulierte Schiff zu jedem Zeitpunkt eindeutig einem Gewässer zugewiesen werden, wo dessen SMRP-Freigabe besteht.»

Das ist die Quagga-Muschel
Die Quagga-Muschel, auch als Dreissena rostriformis bekannt, ist eine invasive Art, ein sogenannter Neozoon, die ursprünglich aus dem Aralsee und dem Schwarzmeerraum stammt. Das erste Mal in Schweizer Gewässer entdeckt wurde die Quagga-Muschel im Jahr 2014 im Rhein. Die Muschel kann eine Grösse von bis zu 40 mm erreichen und wird rund drei bis fünf Jahre alt. Sie sitzt ähnlich wie Austern am Boden fest, hat aber freischwimmende Larven. Im Unterschied zu ihrem nächsten Verwandten, der Dreikantmuschel, hat die Quagga-Muschel abgerundete Schalenseiten.

Das System findet Anklang

Um die weitere Ausbreitung zu verhindern, sei die konsequente Einhaltung der SMRP nötig. «Nur so kann es gelingen, die invasiven aquatischen Organismen durch die Reinigung abzutöten und eine Verschleppung zu vermeiden, wenn gleichzeitig der Gewässerwechsel von Freizeitschiffen beibehalten werden soll», sagt Baruffa.

Er gehe davon aus, dass sich weitere Kantone dem SMRP anschliessen werden. Interesse gezeigt hätten bisher St.Gallen, Zürich, Glarus, Thurgau und der Aargau. Der Kanton Bern wird sich voraussichtlich im Herbst 2024 dem System anschliessen.

Und was macht der Bund?

Aber Baruffa sieht nicht nur die Kantone, sondern auch den Bund in der Pflicht. Er plädiert für einheitliche, schweizweite Massnahmen:

«Gelingt es, eine für die ganze Schweiz einheitliche Regelung zu finden, können Quagga-freie Seen am besten vor einer Einschleppung geschützt werden.»
Philip Baruffa

Dies sieht auch Roman Keller, Abteilungsleiter Jagd & Fischerei des Kantons Zug, so: «Die Problematik geht weiter als die Kantonsgrenzen. Es funktioniert nur, wenn alle mitmachen. Es wäre viel einfacher, wenn der Bund einheitliche Massnahmen für die ganze Schweiz erlassen würde.»

Darauf angesprochen, bleibt der Bund aber vage. Er verweist auf seine Strategie aus dem Jahr 2016 zur Handhabung von invasiven gebietsfremden Arten. Damit diese Strategie aber umsetzbar ist, bräuchte es rechtliche Anpassungen und darum eine Revision des Umweltschutzgesetzes.

In einer Medienmitteilung anlässlich der Revision von 2019 schreibt er: «Für die Umsetzung der Massnahmen sind weiterhin die Kantone zuständig.» Allerdings sei der Bund für Massnahmen an der Landesgrenze sowie für die Festlegung und Koordination kantonsübergreifender und landesweiter Massnahmen verantwortlich, heisst es weiter.

Auf mehrmaliges Nachfragen von watson, ob der Fall der Quagga-Muschel nicht in den Zuständigkeitsbereich des Bundes falle, will man sich nicht konkret äussern.

Einschneidende Folgen für das Ökosystem

Dabei sollte die weitere Verbreitung der Quagga-Muschel für alle Beteiligten oberste Priorität haben. Denn für die betroffenen Gewässer ist die invasive Art ein Desaster.

Felchensterben im Bodensee. Eine Reportage mit Berufsfischer Gallus Baumgartner, 31. August 2023
Die Quagga-Muschel hat einschneidende Folgen für das Ökosystem der Schweizer Seen. Bild: watson

Das BAFU schreibt dazu: «Von den Great Lakes in Nordamerika weiss man, dass die Präsenz der Quagga-Muschel aufgrund ihrer Eigenschaften (Wasserfiltration, Veränderung der Struktur des Seebodens und der Ufer) einschneidende Folgen für das Ökosystem von Seen hat.»

Noch seien die Auswirkungen für die hiesigen Ökosysteme nicht bekannt. «Im Boden- und Genfersee zeigt sich aber, dass die Quagga-Muschel die Struktur der Ufer und des Seebodens bereits verändert hat», so das BAFU.

Und nicht nur die Natur könnte irreparable Schäden davontragen, auch für Menschen hat die Quagga-Muschel bereits spürbare Konsequenzen. Denn ist sie einmal in einem Gewässer angelangt, kann sie zu Verstopfungen in Rohren bei Wasserentnahmesystemen und Anlagen zur Wärme- und Kältenutzung führen. Die Kosten, um diese wieder zu reinigen, gehen in die Millionen, wie das Beispiel des Bodensees zeigt.

Weiter kann eine Ausbreitung dazu führen, dass sich die Quagga-Muschel an den Uferbereichen eines Sees flächendeckend ausbreitet. Wegen der scharfen Kanten der Muschel werden Menschen nicht mehr barfuss baden gehen können.

Wenn sich die Quagga-Muschel weiter so rasant ausbreiten wird, könnte dies auch bald am Vierwaldstättersee der Fall sein.

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Turicensis
19.07.2024 11:26registriert Januar 2021
Schon noch lustig. Bei den Wölfen ging es ruckzuck und sie wurden "entnommen". Die Seen haben in dem Fall keine hetzerischen Lobbyisten.
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Sharkdiver
19.07.2024 10:04registriert März 2017
doch der Bund bleibt passiv: das sind wir uns gewohnt, in jeder Hinsicht.
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Irrlycht
19.07.2024 10:12registriert September 2018
Die Lage muss zuerst beobachtet werden, ihr wisst Bescheid.
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