Die Tigermücke (Aedes albopictus) erobert die Schweiz. Die invasive Tierart wurde hierzulande erstmals 2003 im Tessin nachgewiesen. Seither hat die kleine Stechmücke, die ursprünglich aus Südostasien stammt, den Alpenkamm überquert und findet sich nun auch im Mittelland, etwa in den Städten Basel und Zürich.
Die Tigermücke ist nicht nur ein lästiges Insekt, sie kann auch Krankheitserreger wie Dengue-, Chikungunya oder Zika-Viren übertragen. Und sie ist längst nicht der einzige ungebetene Gast aus dem Tier- und Pflanzenreich, der sich in der Schweiz ausbreitet. Was sind diese sogenannten invasiven Arten und welche Massnahmen werden gegen sie ergriffen?
Der Fachbegriff für gebietsfremde Arten lautet Neobiota (von altgriechisch νέος = «neu» und βίος = «Leben»). Man unterteilt sie in Neophyten (Pflanzen), Neozoen (Tiere) und Neomyceten (Pilze). Die Begriffe «gebietsfremd» und «invasiv» sind allerdings nicht deckungsgleich: Die meisten der gebietsfremden Spezies ordnen sich unauffällig in unsere Ökosysteme ein – ein Beispiel dafür ist die Rosskastanie. Als invasiv gelten nur jene gebietsfremden Arten, die Probleme verursachen.
Solche Probleme können etwa darin bestehen, dass invasive Arten einheimische Spezies unter Druck setzen oder gar verdrängen und so unsere biologische Vielfalt, die Biodiversität, bedrohen. Zudem können sie Nutzpflanzen schädigen, Infrastrukturen beschädigen oder sonst wie wirtschaftlichen Schaden anrichten. Nicht zuletzt können manche von ihnen auch gefährlich für die Gesundheit von Menschen sein.
«Gebietsfremd» ist übrigens ein relativer Begriff: Er hängt davon ab, wann eine Art sich hier etabliert hat. So wird etwa die Kirsche, die von den Römern nach Europa gebracht wurde, nicht als Neophyt betrachtet. Definitionsgemäss gelten nur Spezies als gebietsfremd, die nach 1492 in die Schweiz gelangten. Damals wurden Alte und Neue Welt mit der Entdeckung Amerikas eine Einheit und der transkontinentale Handel setzte ein.
Gemäss dem letzten Bericht des Bundesamts für Umwelt (BAFU) aus dem Jahr 2022 gibt es in der Schweiz mehr als 1300 etablierte gebietsfremde Arten. Davon entfallen 430 Spezies auf Tiere, 730 auf Pflanzen und 145 auf Pilze. 197 von ihnen – das sind rund 15 Prozent – gelten als invasiv: 85 Tiere, 89 Pflanzen und 23 Pilze. Die Anzahl der gebietsfremden Arten in unserem Land ist in den letzten zweihundert Jahren rasant gewachsen, und auch der Anteil der invasiven Arten darunter hat stetig zugenommen, wie die untenstehende Grafik zeigt.
Bekannte Beispiele für invasive Spezies sind bei den Tieren etwa die erwähnte Tigermücke oder der Japankäfer, der ebenfalls über das Tessin in die Schweiz eingewandert ist. Bei den Pflanzen gehört der in vielen Schweizer Gärten präsente Kirschlorbeer dazu, der bald nicht mehr verkauft werden darf, oder die Nordamerikanischen Goldruten, die an Bahn- und Strassenböschungen wuchern. Von den gebietsfremden Pilzen sind nur wenige invasiv; meist handelt es sich um Baumschädlinge, die aber für den Fortbestand bestimmter Baumarten eine Gefahr darstellen – und darüber hinaus auch für mit diesen Bäumen vergesellschaftete heimische Organismen.
Invasive Arten halten sich nicht an Landesgrenzen. Die Schweiz hat sich darum durch internationale Verträge verpflichtet, einheimische Arten zu schützen. Dazu gehört neben der Biodiversitätskonvention, die von der Schweiz 1994 ratifiziert wurde, auch die Berner Konvention zum Schutz von wild lebenden Pflanzen und Tieren. Der Bund hat zudem einige der gebietsfremden Pflanzen und Tiere in der ganzen Schweiz verboten, um die Verdrängung einheimischer Arten einzudämmen. Die Freisetzungsverordnung (FrSV) regelt den Umgang mit gebietsfremden Organismen.
Seit Oktober 2008 ist die Freisetzung von elf Pflanzenarten und drei Tierarten verboten; wer also beispielsweise amerikanische Goldruten, Japanische Staudenknöteriche oder Asiatische Marienkäfer verkauft oder aussetzt, macht sich strafbar. Grundeigentümer sind überdies verpflichtet, die Verbreitung invasiver Pflanzen zu stoppen und etwa darauf zu achten, dass deren Wurzeln oder Samen nicht in den Kompost gelangen.
Die Behörden in der Schweiz reagieren zudem auf die Herausforderung durch invasive Arten, indem sie Massnahmenpläne aufstellen. So hat der Bund 2016 einen Massnahmenplan verabschiedet, der unter anderem die verschiedenen Bundesämter, kantonalen Behörden, Arbeitsgruppen und weitere Akteure vernetzt und koordiniert. Auch die Kantone, denen als verantwortliche Behörden für Prävention und Bekämpfung eine wichtige Rolle zukommt, haben solche Pläne erstellt, etwa Zürich mit dem Massnahmenplan Neobiota.
Wichtiger Bestandteil dieser Massnahmenpläne ist die Sensibilisierung der Bevölkerung, besonders von jeweils involvierten Kreisen. Am Pfäffikersee im Kanton Zürich werden zum Beispiel Fischer, Bootsbesitzer und Wassersportler im Rahmen der Initiative «Neobiota-Freihaltezone» darauf sensibilisiert, invasive Wasserlebewesen wie Kamberkrebse, Schwarzmeergrundeln oder Quaggamuscheln gar nicht erst einzuschleppen.
Gegen einige der unwillkommenen Eindringlinge gehen Behörden und Wissenschaftler mit spezifischen Massnahmenbündeln vor – etwa gegen den gefrässigen Japankäfer. Der aus Japan stammende Blatthornkäfer Popillia japonica wurde 2014 in Norditalien eingeschleppt und trat drei Jahre später erstmals im Südtessin auf. Mittlerweile hat der Käfer das Mittelland erreicht. Die Engerlinge schädigen insbesondere Wiesen- und Rasenflächen, während die adulten Tiere Blätter, Blüten und Früchte diverser Kulturpflanzen und Baumarten fressen.
Um ihn unter Kontrolle zu halten, testen etwa Wissenschaftler von der Forschungsanstalt Agroscope, ob Pilze, die Insekten befallen, gegen diese invasive Art wirksam sind. Solche Pilze werden als biologische Kontrolle bereits seit Jahren erfolgreich gegen gefrässige Engerlinge von Mai-, Juni- und Gartenlaubkäfern eingesetzt. In Laborversuchen haben sie sich als vielversprechend herausgestellt; infizierte Käfer sterben binnen weniger Tage. Bevor die Pilze in freier Wildbahn gegen den Japankäfer eingesetzt werden können, müssen die Ergebnisse jedoch in Feldversuchen bestätigt werden.
Seit 2023 setzen der Kanton Zürich und die Stadt Kloten, wo die erste Population des Schädlings nördlich der Alpen festgestellt wurde, einen weiteren Organismus gegen den Japankäfer ein: Winzige Fadenwürmer sollen im Boden Larven des invasiven Insekts aufspüren, in sie eindringen und abtöten. Private Garten- und Grundstückeigentümer sind zum Mitmachen aufgefordert; sie können das Fadenwürmer-Präparat mit der Giesskanne auf ihren Rasen und Wiesen ausbringen.
Diese biologische Methode ergänzt bereits getroffene Massnahmen wie den Einsatz von Insektiziden oder das Aufstellen von Fallen. Ein temporäres Bewässerungsverbot soll zudem verhindern, dass weibliche Käfer Eier in feuchte Böden ablegen. Diesen Frühsommer – Anfang Mai bis Ende der Flugzeit – werden zudem die Rasenplätze der Sportanlage Stighag in Kloten mit Plastikfolie abgedeckt. Sie soll verhindern, dass allfällige Japankäfer ausfliegen können.
Im Gegensatz zu heimischen Mückenarten stechen Tigermücken meistens am Tag, und ihre Brutstätten befinden sich nicht in Sumpfgebieten, sondern in Wasseransammlungen, beispielsweise in menschlichen Siedlungen. Gegen die Asiatische Tigermücke richten sich verschiedene Programme auf nationaler wie auch kantonaler Ebene, die in der Regel aus einem Monitoring sowie Präventions- und Bekämpfungsmassnahmen bestehen.
Auch hier ist die Mithilfe der Bevölkerung gefragt. Da nicht überall Fallen aufgestellt werden können, sollte man das Monitoring unterstützen, indem man verdächtige Mücken bei der Fachstelle info fauna meldet. Auch bei den Präventionsmassnahmen kann durch Vermeidung von Brutstätten und punktuell eingesetzten Larviziden mitgeholfen werden.
Im Tessin, wo das Insekt erstmals in der Schweiz aufgetreten ist, kümmern sich die Gemeinden um die Bekämpfung von Brutplätzen in Regenwasserdolen. Ein aus Bakterien gewonnenes biologisches Gift, das spezifisch gegen Mücken wirkt und für andere Insekten sowie Menschen harmlos ist, wird in die Brutplätze gespritzt.
Zudem rückt man der Tigermücke mit einer vielversprechenden, aber nicht billigen Methode auf den Leib, wie der Biologe Andreas Moser in einem Beitrag von «Netz Natur» aus dem Jahr 2018 zeigt: Männchen der Asiatischen Tigermücke werden radioaktiv bestrahlt, damit ihre Spermien steril werden. Diese sterilen Männchen werden dann in der Umwelt freigesetzt. Da sich die Weibchen nur einmal in ihrem Leben paaren, gibt es keinen Nachwuchs, wenn die Paarung mit einem sterilen Männchen erfolgt. Diese Sterile-Insekten-Technik wirkt im Gegensatz zu Insektiziden gezielt gegen die betroffene Insektenart.
Diese biologische Methode hat den Vorteil, dass keine neuen Gene in die Umwelt gelangen. Bei gentechnisch veränderten Organismen ist das indes nicht der Fall: Wenn Stechmücken-Männchen mit einem veränderten Gen, das den weiblichen Nachwuchs schon im Larvenstadium sterben lässt (nur die Weibchen stechen), ausgesetzt werden, wird das veränderte Erbgut in die nächste Generation übertragen. Die Biologin Eleonora Flacio von der Fachhochschule SUPSI sagt im «Netz Natur»-Beitrag dazu, solche Methoden, bei denen neue Gene in die Umwelt gelangten, würden mehr Fragen aufwerfen als Antworten geben.
Ohnehin kommt es auch bei der biologischen Schädlingsbekämpfung durch andere Organismen manchmal anders, als man denkt. Das zeigt das Beispiel des Asiatischen Marienkäfers, der den einheimischen Marienkäfer verdrängt. Dieses gefrässige Insekt wurde gezielt nach Europa importiert, um es gegen Blattläuse einzusetzen. Seit 2004 verbreitet sich der Käfer auch in der Schweiz – sehr zum Nachteil der einheimischen Marienkäfer-Spezies, für die er ein Nahrungskonkurrent ist und auf die er Parasiten überträgt. (dhr)
Und so schön alle die technischen Möglichkeiten der Mobilität, der globalen Vernetzung und des Austausches sind, hat dieser evolutionär-zivilisatorische Prozess eine "dunkle" Kehrseite:
Tierische, pflanzliche und menschliche "Schädlinge" reisen mit den "Nützlingen", wie Kulturpflanzen, oder Nutztieren, oder Experten und Entwicklungshelfern mit!
Wie viel Nutzen, oder Schaden sie bewirken, ist schwer voraussehbar und hängt auch vom jeweiligen Ökosystem ab, in das sie einwandern...