Sie war die letzte Hoffnung für Studentinnen und Studenten, die ihre Arbeiten auf den letzten Drücker erledigen: Die Zürcher Sihlpost-Filiale genoss Kultstatus. Bis 22.30 Uhr konnten hier Arbeiten abgegeben, Briefe verschickt oder Einzahlungen getätigt werden – ein Segen für jene, die den Poststempel des jeweiligen Tages brauchten.
Auch an den Universitäten ist die Digitalisierung noch nicht so weit, dass alle Arbeiten elektronisch abgegeben werden können. Selbst in einem offiziellen Merkblatt eines Lehrstuhls der Universität Zürich wird auf die Möglichkeit hingewiesen, Arbeiten in der Sihlpost noch bis spätabends innert der Frist abgeben zu können. Doch damit ist nun Schluss.
Während der Coronakrise reduzierte die Post die Öffnungszeiten ihrer bekanntesten Stadtzürcher Filiale drastisch. Dabei belässt sie es nun. Statt um 6.30 Uhr morgens wird um 8 Uhr geöffnet und statt um 22.30 Uhr löschen die Mitarbeitenden hinter den 16 Schaltern bereits um 20 Uhr das Licht. An Samstagen und Sonntagen ist sogar um 18 Uhr Schluss.
Unter den verkürzten Öffnungszeiten leiden auch Anwälte – eine Berufsgruppe, die viele Dokumente physisch verschickt, oft bis spätabends arbeitet und den Poststempel benötigt. «Die ausgedehnten Öffnungszeiten der Sihlpost waren lange Zeit ein wichtiger Service für Anwältinnen und Anwälte, die mit fristgebundenen Eingaben konfrontiert sind und die Fristen ausnützen müssen», sagt Simon Bachmann vom Zürcher Anwaltsverband.
«In der Zürcher Anwaltschaft bestand die Erwartung, dass die pandemiebedingte Reduktion der Öffnungszeiten der Sihlpost nach der Normalisierung der Lage wieder korrigiert wird», sagt er. «Das ist nicht erfolgt und stellt einen Serviceabbau dar, der bedauert wird.»
Seit ein paar Jahren bestehe die Möglichkeit, Gerichten auch Eingaben in elektronischer Form zukommen zu lassen. Diese Form nutzten aber erst wenige Anwältinnen und Anwälte. Das liege auch daran, dass zwischen Anwaltschaft und Gericht noch kein vollständig elektronischer Datenaustausch möglich sei. Das soll sich voraussichtlich ab 2025 ändern. «Heute ist der Stellenwert des physischen Versands aber noch sehr gross», sagt Bachmann. Selbst das Bundesgericht beschäftigte sich kürzlich mit den verkürzten Öffnungszeiten (siehe Box).
Die Post hat wenig Gehör für die Klagen. Zu den angepassten Öffnungszeiten der Sihlpost-Filiale seien «sehr wenige Rückmeldungen» eingegangen, sagt Sprecher Stefan Dauner. «Das Verhalten der Kunden verändert sich, auch in Zürich. Insbesondere am Abend tätigen immer weniger Kundinnen und Kunden Bareinzahlungen am Schalter oder geben Briefe und Pakete auf. Entsprechend passt die Post auch ihre Öffnungszeiten an.»
Zudem seien viele Dienstleistungen an den Automaten vor Ort möglich. So gebe es einen MyPost24-Automaten, an dem Pakete aufgegeben oder abgeholt werden könnten. Das sei auch mit eingeschriebenen Briefen möglich. Zudem gebe es zwei Einzahlungsautomaten. Was Dauner nicht erwähnt: Wer seinen Brief um 20.30 Uhr am Automaten aufgibt, erhält nicht mehr den Poststempel desselben Tages. Der Annahmeschluss des Automaten ist nämlich schon um 16 Uhr.
Die Post biete ein «breites Angebot an Postdienstleistungen», sagt Dauner. In Zürich-Wipkingen gebe es etwa eine Postagentur in einer Coop-Filiale, die bis 21 Uhr geöffnet sei (Annahmeschluss: 18 Uhr). Und am Flughafen Zürich empfange die Postfiliale auch jeden Tag bis 21 Uhr Kundschaft. Die Öffnungszeiten dort sind allerdings eine Vorgabe des Flughafens – und Annahmeschluss ist auch am Airport um 20 Uhr.
Zürich ist nicht das einzige Opfer des Serviceabbaus der Post. In Luzern schloss die letzte Filiale vor der Coronakrise um 20 Uhr abends, jetzt um 19 Uhr. In Basel war die Poststelle Basel 2 vor Corona ab 7 Uhr morgens geöffnet, jetzt geht es erst um 9 Uhr los.
Hart traf es die Einwohner von Lausanne: Statt wie früher bis um 20 Uhr haben sie nur noch bis 18.30 Uhr Zeit, in einer von der Post betriebenen Filiale auf Mitarbeitende zu treffen. Weiterhin bis 21 Uhr geöffnet ist die Berner Filiale beim Postparc. Auch dort ist der Annahmeschluss allerdings um 20 Uhr.
Auf die Frage, ob er solche Öffnungszeiten für einen ausreichenden Service in den grössten Städten des Landes halte, antwortet Sprecher Stefan Dauner mit einem «Ja».
Beat_
Ökonometriker
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