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Nationalrat will Reedereien in der Schweiz pauschal besteuern

Nationalrat will Reedereien in der Schweiz pauschal besteuern

13.12.2022, 11:09
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So absurd es auch klingen mag: Die Schweiz hat tatsächlich eine Hochseeflotte.
So absurd es auch klingen mag: Die Schweiz hat tatsächlich eine Hochseeflotte.bild: wikipedia

Reedereien sollen künftig pauschal besteuert werden. Der Nationalrat hat am Dienstag der Einführung der sogenannten Tonnagesteuer als Erstrat zugestimmt. SP, Grüne und GLP kritisierten die «branchenspezifische Steuersubvention» - und drohen bereits mit dem Referendum.

Ziel der Vorlage ist es, für die Schweizer Hochseeschifffahrtsunternehmen die Möglichkeit einer Besteuerung nach der Ladekapazität anstelle einer Besteuerung basierend auf dem tatsächlich erwirtschafteten Gewinn oder Verlust zu schaffen. Für die Seeschifffahrt gibt es in der Schweiz heute keine besonderen Steuerregelungen.

Die Vorlage für die Tonnagesteuer geht auf einen Auftrag des Parlaments von 2016 zurück. Über zwanzig Länder der EU kennen diese Möglichkeit bereits. «Das Förderinstrument für die Seeschifffahrt ist international sehr akzeptiert», sagte Kommissionssprecher Leo Müller (Mitte/LU). Es gehe nun darum, gleich lange Spiesse zu schaffen und die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Schweiz sicherzustellen.

Dieser Meinung waren im Nationalrat die Fraktionen von SVP, FDP und Mitte. «Es geht darum, etwas Gutes für den Wirtschaftsplatz Schweiz zu versuchen», sagte Beat Walti (FDP/ZH).

Die Vorlage biete steuerpolitisch Chancen, da die Ansiedlung zusätzlicher Unternehmen, Aktivitäten und neuer Stellen zu Mehreinnahmen führen könnten, gab Thomas Burgherr (SVP/AG) zu Protokoll. «Das ist das, was wir im Moment brauchen.» Auch Finanzminister Ueli Maurer empfahl im Namen des Bundesrats, der Tonnagesteuer zuzustimmen. Die Vorlage sei «vertretbar».

«Steuerdumping für Klimasünder»

Die Ratsminderheit - eine Allianz von SP, Grünen und GLP - hegt Zweifel am Vorhaben, einerseits grundsätzlicher Natur, andererseits aber auch bezogen auf die Verfassungsmässigkeit. «Wir bestreiten, dass es ein öffentliches Interesse an einer Gewinnsteuersubvention für diese Branche gibt», hielt Kathrin Bertschy (GLP/BE) fest. Die Seeschifffahrt sei nicht existenziell bedroht. Deshalb brauche es auch keine strukturelle Unterstützung durch den Staat.

Die Vorlage bringe eine Vorzugslösung für eine Branche, der es ohnehin gut gehe, doppelte Cédric Wermuth (SP/AG) nach. Ausserdem würden Steuerschlupflöcher geschaffen und es fehle an griffigen ökologischen Kriterien. Schliesslich wisse man nicht einmal, wie viele Unternehmen betroffen sein würden. «Meinen Sie es wirklich ernst mit dieser Vorlage?», fragte Wermuth rhetorisch an die Adresse der Bürgerlichen.

Die Grünen drohen bereits mit dem Referendum, falls die kleine Kammer der Einführung einer Tonnagesteuer ebenfalls zustimmen sollte. «Es ist absurd, ein spezifisches Steuerdumping für eine Klimasünder-Branche einzuführen, während wir uns anderswo für die Erreichung der Pariser Klimaziele abrackern», so Balthasar Glättli (ZH).

Unterstützung erhielten die Gegner von einer Mehrheit der Finanzkommission. Für diese drängt sich die Einführung einer Tonnagesteuer nicht auf, wie sie in einem Mitbericht an die federführende Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N) schrieb. Problematisch seien insbesondere die unklaren finanziellen Auswirkungen der Vorlage.

Verschiedene Details angepasst

Die bürgerliche Mehrheit liess sich von den kritischen Stimmen nicht beirren und stimmte der Vorlage in der Gesamtabstimmung mit 99 zu 85 Stimmen bei 3 Enthaltungen zu. Anträge für Nichteintreten beziehungsweise Rückweisung an den Bundesrat waren zuvor abgelehnt werden.

Der Nationalrat beschloss einige wenige Anpassungen am Entwurf des Bundesrats: So sollen auch Kreuzfahrten unter die Zwecke aufgenommen werden, die zur Unterstellung unter die Tonnagesteuer berechtigen. Zudem sollen die Zulassungsbedingungen insofern verschärft werden, als das strategische und kommerzielle Management des betreffenden Schiffes in der Schweiz sein muss.

Die Tonnagesteuer soll freiwillig sein: Die Unternehmen könnten für jedes ihrer Schiffe entscheiden, ob sie es der Tonnagesteuer unterstellen oder der ordentlichen Bemessung. Es sollen aber Auflagen bestehen, sodass die Unternehmen nicht rasch hin- und herwechseln können.

Neben der Schweizer Hochseeflotte sind Dutzende international tätige Seeschifffahrtsunternehmen in der Schweiz ansässig, rund die Hälfte davon in der Westschweiz.

Die Vorlage geht nun an den Ständerat. (sda)

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15 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Eisvogel
13.12.2022 12:19registriert Februar 2019
Unser aktuelles Parlament:
Kein Geld für zusätzliche Prämienverbilligungen.
Steuererleichterungen für eine Branche, der es finanziell gut geht und die dem Klima schadet.
Mit Cédric Wermuth sage ich: wo sind wir hier?
Es halt einfach eine Tatsache: SP, Grüne und GLP sind eine Minderheit , SVP, FDP und Mitte, kurz die Bürgerlichen bis Rechtsbürgerlichen, sind in der Mehrheit. Nächstes Jahr sind Wahlen, wäre doch eine Gelegenheit, die Mehrheitsverhältnisse zu ändern.
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banda69
13.12.2022 13:23registriert Januar 2020
Die selbst ernannte "Partei des Volkes" zieht das Volk mal wieder hemmungslos über den Tisch. Hauptsache die SVPler können den Reichen und Abzockern zudienen. Verlogener gehts nimmer. Ekelhaft diese SVPler. Wie immer.
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nafets
13.12.2022 12:49registriert Januar 2020
ich glaubte zuerst an einen groben Scherz aus Bern... wen dem so sei, dann müsste man fairerweise auch das ganze Transportsystem auf der Strasse mit einer Besteuerung nach der Ladekapazität anstelle einer Besteuerung basierend auf dem tatsächlich erwirtschafteten Gewinn oder Verlust umstellen.
oder was ist der wahre Grund dieses Vorschlages? erwarten zu viele Politiker mit Ihren Firmen im Hintergrund zu hohe Gewinne für die Rekord-Jahre? oder machen die Lobbyisten im Hintergrund zu viel Druck? anders kann ich mir das wirklich nicht vorstellen und bedanke mich für das erwartete Referendum.
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