Mit kaum einem Tier sind mehr Emotionen verbunden als mit dem Wolf. Seit mehr als 20 Jahren ist er in der Schweiz wieder heimisch, dank Zuwanderung aus Italien. Bewohner des Agglo-Mittellands freuen sich über seine Rückkehr, Schafzüchter verwünschen ihn als übles Raubtier. Im Parlament stossen sie auf Verständnis. Wölfe sollen künftig leichter abgeschossen werden.
Dies hat der Nationalrat diese Woche bei der Beratung des revidierten Jagdgesetzes entschieden. Er ging dabei weiter als der Bundesrat. Die SRF-«Arena» griff das Thema Wolf auf, wohl in der Erwartung einer emotionalen Debatte. Am Ende blieb eine gewisse Ernüchterung: Statt mit scharfer Munition schossen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer überwiegend mit Platzpatronen.
Das Potenzial für Streit war vorhanden. So wehrte sich der Berner BDP-Nationalrat und Jäger Lorenz Hess gegen die Behauptung, das Jagdgesetz sei ein Abschussgesetz: «Der Wolf wird nicht zu einem jagbaren Tier. Er bleibt geschützt. Aber wo er Schäden anrichtet, kann man in den Bestand eingreifen.» Urs Leugger-Eggimann, Zentralsekretär von Pro Natura, sah dies ganz anders.
«Man hat völlig über das Ziel hinausgeschossen», sagte er im passenden Jargon. Es bestehe kein Gleichgewicht zwischen Schutz und Jagd, und überhaupt: «Es hat Platz für den Wolf in der Schweiz.» Für den Walliser SVP-Nationalrat Franz Ruppen hingegen ist die Schweiz «zu klein für den Wolf». Der Wolf verliere immer mehr die Scheu vor den Menschen und dringe in Dörfer ein.
Als «Zeugin» wurde die Bündner Bergbäuerin Regula Schmid befragt. Sie persönlich habe noch keine Probleme mit dem Wolf gehabt, musste sie einräumen. Eine Nachbar aber habe eine Kuh verloren. Ob der Wolf dafür verantwortlich war, scheint jedoch nicht klar zu sein. In der Folge entwickelte sich eine längliche Debatte über Herdenschutzmassnahmen.
Dieses «Herdenschutzseminar», wie es Lorenz Hess nannte, war für die Zuschauer von beschränktem Erkenntnisgewinn. Interessant wurde es, wenn Franz Ruppen mit der Bündner SP-Nationalrätin Silva Semadeni aneinander geriet. Es entstand ansatzweise ein Clash zweier Kantone, die mit dem Thema Wolf ziemlich unterschiedlich umgehen.
«Wir haben doppelt so viele Wölfe wie im Wallis und halb so viele Risse», rechnete Semadeni vor. Ruppen machte sich dafür stark, dass die Kantone über Abschüsse entscheiden können, und nicht der Bund, «der weit weg ist». Das Wallis hat in Bern eine Standesinitiative eingereicht für einen Austritt aus der Berner Artenschutzkonvention und einen Wiedereintritt unter Vorbehalt.
Die fundiertesten Beiträge lieferte der Mann am Expertenpult: Andreas Moser, Inhouse-Biologe des SRF und Moderator der Sendung «Netz Natur», argumentierte differenziert und doch mit erkennbarer Sympathie für das Tier. Er habe viele Freunde in den Bergen und komme mit ihnen super aus, sagte Moser: «Aber sobald es um den Wolf geht, wird es irrational.»
Den Abschuss von Wölfen und die angestrebte Regulierung beurteilt er skeptisch. Sie erfordere ein hohes Mass an Professionalität, damit man nicht das Elternpaar wegschiesse, das ein Rudel verteidigt. «Wenn man das macht, wird das Territorium frei. Dann kommen von allen Seiten Junge herein, und dann gibt es ein Problem.»
Ansatzweise emotional wurde es, als Monika Heierli, Präsidentin der Tierpartei, darauf hinwies, dass jährlich 4000 Schafe oder mehr im Gebirge abstürzen «oder auf den Alpen einfach vergessen gehen». Damit kam sie bei den Wallisern im Plenum schlecht an, doch statt hier einzuhaken, lenkte Moderator Mario Grossniklaus die Debatte auf zwei andere, ebenfalls umstrittene Tierarten.
Die eine ist der Biber, bei dem der Nationalrat den Abschuss ebenfalls erleichtern will. Sie haben sich in der Schweiz prächtig vermehrt. Ein Exemplar tummelt sich sogar im Leutschenbach direkt beim Fernsehstudio und hat dort schon einige Jungbäume umgenagt. Sauer auf ihn sind jedoch vor allem die Bauern, weil die Biberdämme ab und zu für überschwemmte Felder sorgen.
Dies führte zu einem Scharmützel zum Verbandsbeschwerderecht, ein bekanntes Reizthema. Es werde «übermässig beansprucht», klagte Ralf Bucher, Geschäftsführer des Bauernverbands Aargau und CVP-Grossrat. Urs Leugger-Eggimann wies dies klar zurück: «Wir bekommen in 80 Prozent aller Fälle Recht mit unseren Einsprachen. Wir gehen damit verantwortungsvoll um.»
Umstritten ist auch der Luchs, der allerdings kaum Nutztiere erlegt. Der Nationalrat will seinen Schutz nicht lockern, zum Leidwesen von Lorenz Hess. Man habe heute den doppelten Bestand, als man einst angestrebt habe. Für Leugger-Eggimann hingegen ist dieser Bestand von knapp 250 Tieren «absolut labil». Die langfristige Sicherung sei nicht gewährleistet.
Damit erreichte die dahinplätschernde Debatte gegen Ende den springenden Punkt: Wie weit soll der Mensch in die Natur eingreifen? Andrea Moser mahnte zur Zurückhaltung: «Wenn man die Natur plant und nicht von ihr lernt, ist das bisher immer schief gegangen.» Die Natur sei nie konstant, sondern sehr dynamisch, und beim Luchs sei «die genetische Basis zu schmal».
Einig war man sich nur, dass beim Jagdgesetz kein Kompromiss möglich ist. Dafür sei es «zu spät», sagte Silva Semadeni. Im Parlament gehe es nur noch um die Bereinigung der Differenzen. Für die Befürworter ist das Gesetz ohnehin bereits ein Kompromiss. Kommt es durch, ist ein Referendum so gut wie sicher und damit eine Abstimmung im nächsten oder übernächsten Jahr.
Die nächsten «Arena» zum Wolf kommt somit bestimmt. Was möglich wäre, zeigte ein Gespräch mit dem Walliser Schafzüchter und Gemeindepräsident Georges Schnydrig nach der Sendung. Eindringlich, aber durchaus sachlich schilderte er die Verheerungen, die ein Wolf in einer Schafherde anrichten kann. Stoff für eine feurige Debatte wäre durchaus vorhanden.
Klar ist es unterhaltender, wenn etwas Action reinkommt, aber die Zusammwnfassung liest sich so, als ob der Autor arg entäuscht war, dass es nicht eskalierte.