Schweiz
Tessin

Zeuge in IS-Prozess: «Gab den Auftrag, seine Ex-Frau zu beseitigen»

Zeuge in IS-Prozess: «Gab den Auftrag, seine Ex-Frau zu beseitigen»

07.07.2021, 13:17
Mehr «Schweiz»

Vor Bundesstrafgericht in Bellinzona ist am Mittwochmorgen die Berufungsverhandlung gegen einen mutmasslichen IS-Terroristen eröffnet worden. Der 53-jährige Iraker kurdischer Herkunft war im Oktober 2020 zu 70 Monaten Gefängnisstrafe verurteilt worden. Gegen das Urteil hatten der Verurteilte sowie die Bundesanwaltschaft Beschwerde eingelegt.

Am Bundesstrafgericht in Bellinzona hat am Donnerstag der erste Kriegsverbrecher-Prozess begonnen. (Archivbild)
Am Bundesstrafgericht in Bellinzona hat am Mittwochmorgen die Verhandlung gegen einen mutmasslichen IS-Terroristen begonnen. Bild: sda

Der Beginn der Berufungsverhandlung war von einer Zeugeneinvernahme eines Irakers dominiert, der seit mehr als neun Jahren im Thurgauer Kantonalgefängnis in Frauenfeld einsitzt – in der gleichen Haftanstalt wie der Verurteilte. Dieser Mithäftling erhob in der Befragung durch die vorsitzende Richterin Andrea Blum schwere Vorwürfe gegen den Angeklagten. Dieser habe im Gefängnis ein Terrorregime installiert und Mitgefangene unter Druck gesetzt. Aus der Haftanstalt habe es sogar den Auftrag erteilt, «seine Ex-Frau zu beseitigen». Diese steht mittlerweile unter besonderem Schutz der Behörden.

Laut dem von der Bundesanwaltschaft aufgebotenen Zeugen habe der Beschuldigte zudem weiter Propaganda für den IS gemacht. Alle Häftlinge hätten Angst vor ihm. Delikat: Die Gefängnisleitung habe sich für diese Vorgänge nicht interessiert. Schliesslich konnte der Zeuge jedoch gegenüber der Thurgauer Kantonspolizei Aussagen machen. Richterin Blum gab in diesem Zusammenhang bekannt, dass sie eine Verlegung des Beschuldigten in eine andere Haftanstalt veranlasst habe.

«Fanatiker» im mittleren Kader

Der Zeuge listete im Übrigen auch eine Reihe von mutmasslichen Delikten des Beschuldigten auf, von denen in der erstinstanzlichen Verhandlung im September 2020 nicht die Rede war, darunter ein Tötungsdelikt sowie Drogen- und Frauenhandel. Dieser habe einst in Zürich und Winterthur schwarz in Clubs gearbeitet.

Am späten Vormittag begann die Befragung des Beschuldigten zur Sache. Er wies erneut die in der Anklageschrift enthaltenen Vorwürfe zurück. In der erstinstanzlichen Hauptverhandlung hatte das Bundesstrafgericht den Beschuldigten am 8.Oktober 2020 wegen Beteiligung an der verbotenen Terrororganisation Islamischer Staat (IS), das heisst wegen Beteiligung an einer kriminellen Organisation und weiterer Delikte zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 10 Monaten sowie 15 Jahren Landesverweis verurteilt.

Das Gericht erkannte in ihm einen «IS-Fanatiker», der «im mittleren Kader» Führungsaufgaben für den IS übernommen hatte. Das Strafmass lag leicht unter dem Strafantrag der Bundesanwaltschaft. Die Verteidigung hatte weitgehend auf Freispruch plädiert.

Den erstmals von der Bundesanwaltschaft in einem solchen Verfahren gestellten Antrag zu einer «Verwahrung» des Straftäters wies das Bundesstrafgericht damals ab. Ebenso scheiterte die BA beim Gericht mit dem Vorwurf, wonach der Iraker Vorbereitungen für einen Anschlag in der Schweiz getroffen habe. Die Ermittlungsbehörde konnte keine ausreichenden Beweise vorlegen. (sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Terror in Paris: Das schreiben die Schweizer Medien am Montag
1 / 13
Terror in Paris: Das schreiben die Schweizer Medien am Montag
«Neue Zürcher Zeitung»: «Die enge Verzahnung von Polizei, Nachrichtendiensten und Armee bringt in der Epoche des globalen Jihad die besten Resultate. Die Amerikaner haben so die Kaida zerschlagen.»
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Das könnte dich auch noch interessieren:
0 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
«Staat und Kapitalismus brauchen normierte Gutmenschen»
In seinem Buch «Die Verselbstständigung des Kapitalismus» beschreibt der Ökonom Mathias Binswanger, wie sich Grossunternehmen und der Staat dank der Künstlichen Intelligenz verhängnisvoll ergänzen.

«Menschen reagieren auf Anreize», lautet die psychologische Grundlage der Ökonomie. Gilt das auch für Sie?
Mathias Binswanger: Sind die Anreize stark genug, können sich Menschen nur schwer gegen sie zur Wehr setzen.

Zur Story