Die Tessiner Kantonsregierung will nichts wissen von einer Gebühr für das Durchfahren des Gotthardtunnels der Autobahn A2. In einem Brief an den Bundesrat drückt sie ihre entschiedene Ablehnung entsprechender Pläne aus.
Eine Strassengebühr sei keine effiziente Massnahme zur Reduktion des Verkehrsaufkommens und zur Stauvermeidung, schrieb der Regierungsrat am Dienstag. Zudem benachteilige sie den einzigen gänzlich südlich der Alpen liegenden Kanton schwerwiegend und verstosse damit gegen das Gleichheitsgebot. Die Massnahme würde wirtschaftliche, soziale und kulturelle Probleme schaffen.
Sämtliche internationalen Erfahrungen mit Strassengebühren etwa in Italien zeigen gemäss der Kantonsregierung, dass eine Maut nur zu Umwegverkehr führt. Im Fall des Tessins würden einfach die Alpenpässe und die Autobahntunnels am San Bernardino GR und am Grossen St. Bernhard VS mehr vom Verkehr belastet.
Der Trennriegel des Gotthardmassivs zwischen dem Tessin und der übrigen Schweiz würde durch eine Maut quasi erhöht, führt der Regierungsrat weiter aus. Nicht zuletzt sei die Tessiner Wirtschaft durch die Gebührenpläne verunsichert. Die Kantonsregierung teile diese Sorge der vorwiegend kleinen und mittleren Unternehmen im Kanton.
Gebührenpläne für den Gotthard- und andere Alpentunnel tauchen in der Schweizer Politik immer wieder auf, der jüngste stammt vom Tessiner Ständerat und SVP-Präsidenten Marco Chiesa.
In einer anfangs Juni eingereichten Motion fordert er den Bundesrat auf, eine Gesetzesgrundlage eine Gebühr für die Durchfahrt durch stark belastete Alpenpässe zu schaffen. Die Gebühr müsse für Schweizer aber nicht diskriminierend und kostenneutral sein.
Nationalrat Lorenzo Quadri (SVP/TI) wollte in der zweiten Junihälfte in einer Interpellation vom Bundesrat dessen Haltung zu einer Maut erfahren, welche das Tessin zu «einem Kanton zweiter Klasse» machen würde. Schon 2019 hatte Chiesa eine Strassenbenutzungsgebühr für Ausländer gefordert, war aber zwei Jahre später im Nationalrat gescheitert.
In der Bevölkerung stösst eine Strassengebühr für den Gotthardtunnel auf Anklang. In einer Ende Juni veröffentlichten Umfrage der Tamedia-Zeitungen hielten 69 Prozent der Befragten die Gebühr für nötig. 28 Prozent sprachen sich gegen die Maut aus.
Am meisten Zustimmung erhielt die Massnahme von politisch grün ausgerichteten Teilnehmenden. Doch auch unter SVP-Sympathisanten sprachen sich 58 Prozent dafür aus. Aus dem Kanton Tessin lagen für eine Auswertung zu wenige Stimmen vor. (aeg/sda)