Wildtiere wie Rehe, Rothirsche oder Gämsen machen dem Berner Wald mehr zu schaffen. Das geht aus einem am Mittwoch publizierten Wildschadengutachten für das Jahr 2023 hervor. Die Berner Waldbesitzer kritisieren derweil den Kanton und fordern tiefere Schalenwildbestände.
Nur so könne sichergestellt werden, dass ein klimatauglicher Wald wieder nachwachsen und seine vielfältigen Funktionen erfüllen könne, schreibt der Verband Berner Waldbesitzer (BWB) in einer Mitteilung vom Mittwoch.
Die aktuelle Situation bezeichnet der Verband als unhaltbar. Er spricht von «schwerwiegenden ökologischen Schäden». Die Waldleistungen wie Schutz vor Naturgefahren sowie die öffentlichen Investitionen in den Wald «werden wortwörtlich weggefressen», kritisiert der BWB.
Die bisherigen jagdlichen Massnahmen werden alle zwei Jahre geplant, mit dem Fokus auf die aktuellen Wildbestände. Für den Verband der Berner Waldbesitzer BWB ist dies unzulänglich: «Der Kanton Bern muss klare und langfristig gesenkte Bestandesziele verfolgen», schreibt er in seiner Mitteilung.
Der Kanton betont derweil die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes, wie Jagdinspektor Niklaus Blatter vor den Medien sagte. Seit 2019 erstellt der Kanton Bern sogenannte Wald-Wild-Konzepte, wenn dies aufgrund einer vom Bund vorgegebenen Schwelle notwendig ist.
Jüngst wurden solche Konzepte für den Raum Oberaargau und den Raum Niederhorn erarbeitet. Ein Konzept für den Raum Giferspitz im Saanenland soll folgen. Ziel sei es, Wald und Wild im Gleichgewicht zu halten, führte Michel Brügger, Leiter Waldabteilung Alpen aus.
Seit 2021 wird ein erstes Konzept umgesetzt. Noch sei es zu früh, um wirklich sagen zu können, wie erfolgreich die Umsetzung sei, denn viele der Massnahmen bräuchten einige Jahre Zeit, sagte die wissenschaftliche Mitarbeiterin Isabelle Ballmer.
Die Verantwortlichen führten aus, dass es für ein gesundes Gleichgewicht jagdliche und waldliche Massnahmen braucht. Bei der Jagd habe der Kanton mit der Jagdplanung ein Instrument in der Hand, um den Wildtierbestand zu regeln, allenfalls auch mit einer Schwerpunktbejagung, wo dies die Situation erfordere.
Die Wildzahlen zu reduzieren sei die Voraussetzung, um Wildtiereinflüsse im Wald zu verringern, räumte Blatter ein. Ansätze sieht er etwa in der stärkeren Bejagung von Weibchen und Jungtieren, zusätzlichen Jagdangeboten oder zusätzlichen Abschüssen durch die Wildhut.
Waldbesitzer wiederum könnten junge Triebe und Bäume schützen, etwa durch Zäune oder mit chemischen Mitteln. Solche Massnahmen sind aber unter Umständen aufwändig im Unterhalt und teuer. Als besonders wichtig erachteten sowohl Forst- wie auch Jagdfachleute am Mittwoch einen klimaresistenten, sich aus eigener Kraft verjüngenden und artenreichen Wald. Gebe es in einem dunklen, wenig artenreichen Wald nur wenige Jungpflanzen, konzentriere sich das Wild auf sie.
Das Gutachten untersuchte, auf welchen Flächen sich der Wald genügend verjüngen kann und wo das nicht mehr ausreichend geschieht, weil das Wild beispielsweise junge Triebe wegfrisst.
Schon seit geraumer Zeit zeigt sich, dass die Wälder zunehmend unter dem Wildeinfluss leiden. Manche Regionen mehr, andere weniger, wie Verantwortliche des kantonalen Amts für Wald und Naturgefahren und des Amts für Landwirtschaft und Natur am Mittwoch vor den Medien in Bern sagten.
Über das gesamte Kantonsgebiet betrachtet, fielen die Veränderungen nicht dramatisch aus. Doch das Gutachten zeige, dass etwa die Flächen mit unhaltbaren Wildschäden seit 2015 von 10 auf 15 Prozent zugenommen hätten. Demgegenüber seien die Kategorien tragbar und kritisch etwas zurückgegangen. Besonders betroffen sind die Regionen Oberaargau, Emmental und Interlaken-Oberhasli.
Berücksichtige man im Gutachten auch den Klimawandel und die Baumartenvielfalt, akzentuiere sich der negative Einfluss der Wildtiere noch, führten die Fachleute des Kantons aus.
Diese Betrachtung bestätige, dass auf etwa der Hälfte der Waldfläche klimataugliche Baumarten wegen überhöhter Wildbestände kaum bis gar nicht mehr aufwachsen, monierte der Verband. (sda)