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Zwangsräumung in Hefenhofen – eine Chronologie der Ereignisse

Hofräumung in Hefenhofen während Verhandlungen – eine Chronologie der Ereignisse

Der Fall Hefenhofen machte schweizweit Schlagzeilen. Der Bauer, der gemäss den veröffentlichten Erkenntnissen einer Untersuchungskommission über Jahre hinweg Tiere quälte, wurde 2023 in fast allen Anklagepunkten freigesprochen. Nun verhandelt das Obergericht über den Fall. Aktenkundig ist der Bauer seit 1997. Eine Chronologie der Ereignisse.
20.11.2024, 11:1720.11.2024, 13:47
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Die Chronologie ist nicht vollständig, soll jedoch einen Einblick in die wichtigsten Ereignisse und Entwicklungen geben.

1995

Ulrich K. übernimmt den Hof seines Vaters in Hefenhofen. Ein Jahr davor ist gegen den Vater Anzeige wegen Gewässerverschmutzung eingegangen. Bei einer Polizeikontrolle sei ein Anwesender den Bach hinuntergestossen worden. Dieser soll auf eine Anzeige verzichtet haben.

1997

Wegen Drohung gegen einen Beamten wird U.K. erstmals verurteilt.

2001

Ulrich K. wird wegen Verstössen gegen die Lebensmittelgesetzgebung verurteilt. Er unterliess die zwingend vorgegebenen Fleischkontrollen bei Schlachtungen.

Nachdem in seinem Heustock ein Brand ausgebrochen war, bedrohte er die Hilfskräfte, sie zu erschiessen, weil er die Behörden für den Brand verantwortlich machte. Die Polizei beschlagnahmte daraufhin mehrere Waffen.

2002

Das Veterinäramt erstattet Strafanzeige wegen Verdachts verschiedener Sachverhalte, darunter Schächtung (Schlachten ohne Betäubung), fehlende Fleischkontrollen, Schlachtung in nicht bewilligten Räumen.

Eine Gefriertruhe mit Fleischvorräten –angeblich für den Eigengebrauch – sei mit «Maden übersät» gewesen. Es bot sich «ein Bild, als ob das darin gelagerte Fleisch zu neuem Leben erweckt worden wäre», steht in einem Rapport. Bei der Kontrolle habe Ulrich K. den Deckel des Gefrierfachs zugeschlagen, ein Kantonstierarzt ist dabei leicht am Daumen verletzt worden. «Hätte er den Daumen nicht weggezogen, wäre eine Verletzung an der Hand eine unabdingbare Folge gewesen», heisst es im Bericht.

Am Telefon droht er dem Chef des Veterinäramts:

«Falls ihr glaubed, dass ihr mich schliesse chönd, denn gits dich plötzlich au nüme. Denn lohn ich denn mal eine abe.»

2003

Wegen mehrfachen Widerhandlungen gegen das Tierschutzgesetz sowie der Drohung gegen Amtspersonen: Ulrich K. wird vom Bezirksgericht Arbon zu einem Monat Gefängnis (bedingte Freiheitsstrafe) verurteilt.

2004

Aus Inspektionen geht hervor, dass die Schafe ohne Wasser und Witterungsschutz leben und viele der Tiere krank sind. Das Veterinäramt erstattet erneut Strafanzeige wegen Verstoss gegen die Tierschutzbestimmungen. 2005 und 2006 kommt es wegen unterschiedlichen Verstossen zur Verurteilung.

2006

Eine deutsche Tierschutzorganisation meldet sich beim Veterinäramt: «Über 100 Pferde werden in inakzeptablen Umständen gehalten werden. Auf engstem Raum, im Dunkeln und in Anbindehaltung.»

Aktivisten des Vereins gegen Tierfabriken (VgT) demonstrieren gegen die fehlenden Massnahmen gegen den mutmasslichen Tierquaeler Ulrich K. vor dem Verwaltungsgebaeude des Kantons Thurgau am Montag, 7. ...
Tierschutzorganisationen rufen nach Bekanntwerden der Zustände 2017 zum Handeln auf. Bild: KEYSTONE

2007

In einer unangemeldeten Kontrolle stellt das Veterinäramt diverse Mängel fest, so werden beispielsweise die Mindestmasse bei der Haltung von Pferde, Kühe und Kälber nicht eingehalten und einige Tiere im Dunkeln gehalten. Das Veterinäramt erstattet erneut Strafanzeige.

2008

Ulrich K. wird wegen Drohungen, mehrfacher Tierquälerei sowie mehrfacher Übertretung des Tierschutzes, Lebensmittel- und Tierseuchengesetzes zu einer unbedingten Strafe verurteilt.

Ein Tierschutzverein schreibt dem Veterinäramt: Viele der Pferde von Ulrich K. sind abgemagert.

2009

Kot und Urin werden via Schlitze und Löcher dem nahen Bach zugeführt, schreibt das Amt für Umwelt in einem Bericht. Bei der Kontrolle wird ein Mitarbeiter trotz Anwesenheit der Polizei mehrfach von Ulrich K. bedroht. Mit einem Metallschaber mit Holzstiel in der Hand schreit er: «Du verdammte Dreckschaib ich schlahn di abe, ich bring di um.»

Im selben Jahr bedroht Ulrich K. den Kantonsarzt mit einer Pistole. Später behauptet er, es habe sich dabei um eine Spielzeugpistole gehandelt.

Eine angemeldete veterinärrechtliche Kontrolle ergibt zahlreiche Tierschutzverstösse. Einige Verstösse wurden bereits in früheren Kontrollen dokumentiert und waren offensichtlich nicht behoben worden. Verurteilung von Ulrich K. durch das Obergericht TG wegen Drohung, mehrfacher Tierquälerei sowie mehrfacher Übertretung verschiedener Gesetzgebungen.

2010

Bei einer Hausdurchsuchung stellt die Polizei Waffen und Munition sicher.

Ulrich K. kommt wegen Gefährdung des Lebens einer Privatperson in Untersuchungshaft. Ein Monat später wird er in die Psychiatrie Münsterlingen gebracht. Ulrich K. wird wegen mehrfacher Gewalt und Drohung gegen Amtspersonen zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Freigesprochen wird er der mehrfachen Tierquälerei. Das Verfahren gegen Gewässerschutzgesetze wird eingestellt.

Eine Privatperson wendet sich ans Veterinäramt: «Die Tiere hätten nicht genügend Futter, nicht einmal Heu. Ausserdem habe jedermann Angst, Ulrich K. in der Nacht zu begegnen».

2012

Ein Tierschutzverein reicht Strafanzeige wegen Verdacht auf Tierquälerei gegen Ulrich K. ein. Er habe ein Pferd trotz starken Schmerzen aufgrund einer Huferkrankung nicht behandelt.

Die Pferde, warten im Stall, die aus der geschlossenen Pferdezucht des muttmasslichen Tierquaelers Ulrich K. ueberfuehrt wurde, auf der Anlage des Kompetenzzentrums Veterinaerdienst und Armeetiere, am ...
Nicht nur Pferde, sondern auch Schweine, Ziegen, Rinder, Schafe und Lamas lebten auf dem Hof.Bild: KEYSTONE

2013

Das Veterinäramt erlässt ein Teil-Tierhalteverbot mit einer Beschränkung auf 60 Pferde. Ulrich K. hält sich nicht daran, 2014 hält er noch immer 120 Pferde.

2014

Ein Tierarzt untersucht ein Pferd von Ulrich K. und schreibt in seinem Befund: Pferd ist in einem sehr schlechten Nähr- und Pflegezustand, diverse Liegeschwielen, ältere Verletzungen an den Fesseln, Kronrand hochgradig geschwollen und blutig.

Das Veterinäramt erstattet wegen Tierschutzverstössen erneut Strafanzeige. Ulrich K. habe die Chance, seine Tierhaltung zu verbessern, nicht wahrgenommen. Die Verstösse betreffen unter anderem die Mindestflächen für diverse Tiere sowie ungenügende Pflege. Das Veterinäramt erlässt ein Total-Tierhalteverbot, da Ulrich K. nicht willig sei, seinen Pferdebestand zu reduzieren und sich an die Vorschriften zu halten.

Eine Regionalzeitung veröffentlicht einen Bericht über Ulrich K.: Wie lange schaut der Kanton noch zu? Der Rechtsvertreter von Ulrich K. wird später gegen Vorverurteilungen der Medien vorgehen. Ulrich K. wird eine Genugtuung von 6000 Franken erhalten. Dies, obwohl er wegen Tierquälerei bereits verurteilt war.

2015

Aufgrund einer Meldung veranlasst das Veterinäramt eine Beschlagnahmung eines verletzten Fohlens, um es im Tierspital zu untersuchen. Ulrich K. weigert sich und erschiesst das Tier. Als es um die Herausgabe des Kadavers geht, spricht Ulrich K. Morddrohungen gegen den Chef des Veterinäramts aus.

2016

Das Bundesgericht hebt das vollständige Tierhalteverbot auf, da U.K. das rechtliche Gehör verweigert worden war, was einen schwerwiegenden Verfahrensfehler darstellt.

2017

Der Zustand hat sich erneut verschlechtert. Die Tiere leiden besonders unter der ungenügenden Wasserversorgung. Dies berichtet eine Vertreterin des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen nach einer durchgeführten Kontrolle. Privatpersonen haben sich an das Veterinäramt gewandt. Sie berichten von verendeten Tieren sowie von Tieren in einem stark unterernährten Zustand. Eine Person erstattet Strafanzeige wegen Tierquälerei gegen Ulrich K. und übermittelt die Bilder an die Zeitung «Blick», die diese daraufhin veröffentlicht.

Der Fall entwickelt sich zum Medienskandal. Es finden Demonstrationen statt, viele Menschen fordern die Behörden zum Handeln auf.

Der Hof wird geräumt.

Das Militaer sichert die Pferde vom Hof von Ulrich K., der unter dem Verdacht der Quaelerei von Pferden steht, aufgenommen am Dienstag, 8. August 2017, in Hefenhofen. (KEYSTONE/Ennio Leanza)
Die Hofräumung findet im August 2017 statt.Bild: KEYSTONE

Sichergestellt wurden 93 Pferde, rund 50 Kühe, 80 Schweine, Ziegen und Schafe sowie vier Lamas. Einige Tiere befinden sich in einem so schlechten Zustand (Knochenbrüche sowie Krankheiten), dass sie vor Ort eingeschläfert werden. Die Pferde werden versteigert. Ein Drittel der Kühe wird aus wirtschaftlichen Gründen geschlachtet, die übrigen Tiere für den Verkauf angeboten.

2022

Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Ulrich K. und fordert eine Haftstrafe von sechseinhalb Jahren. Darüber hinaus verlangt sie ein 20-jähriges Verbot, im Bereich der Tierhaltung tätig zu sein.

Mehrere involvierte Akteure mussten sich vor Gericht verantworten
Die Staatsanwaltschaft hob Klage gegen den damaligen Kantonstierarzt wegen Amtsmissbrauchs und Begünstigung ein. Die Angeklagten wurden in allen Punkten freigesprochen. Darüber hinaus waren (unter anderem) zwei Metzger wegen illegalem Fleischhandel angeklagt. Auch sie wurden freigesprochen.

2023

Ulrich K. wird in allen wesentlichen Anklagepunkten freigesprochen und erhält eine bedingte Freiheitsstrafe von acht Monaten sowie eine Geldstrafe. Zudem wird ihm eine Genugtuung in der Höhe von 6000 Franken für die in den Medien erfolgten Verunglimpfungen zugesprochen. Die Staatsanwaltschaft sowie Ulrich K. legen Berufung gegen das Urteil ein.

Der Hof wird zwangsversteigert.

Doch Ulrich K. weigert sich, den Hof zu verlassen. Der neue Besitzer muss auf dem Rechtsweg dafür kämpfen, sein erworbenes Eigentum in Besitz zu nehmen.

2024

Thurgauer Obergericht prüft, ob Beweismittel im Strafverfahren gegen einen ehemaligen Pferdehändler verwendet werden dürfen. Den Entscheid darüber fällt das Thurgauer Obergericht in einigen Tagen.

Der Anwalt des ehemaligen Pferdehändlers argumentiert, dass die 2017 durchgeführte Hofräumung sowie die anschliessende Beschlagnahmung und der Verkauf aller Tiere unverhältnismässig gewesen seien.

Sämtliche Beweise, mit denen versucht werde, seinen Mandanten zu verurteilten, seien wegen Verfahrensfehler nicht verwertbar.

Während die Verhandlung im Berufungsprozess stattfindet, wird der Hof von Ulrich K. zwangsgeräumt.

(Mit Material der sda)

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Ulrich K. äussert sich zum Quäl-Hof
Video: srf
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73 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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RicoH
20.11.2024 12:05registriert Mai 2019
So vieles falsch gemacht... Warnungen ignoriert, den Täter in Schutz genommen.
Besonders fällt mir dieser Hinweis auf:
Bei der Kontrolle wird ein Mitarbeiter trotz Anwesenheit der Polizei mehrfach von Ulrich K. bedroht. Mit einem Metallschaber mit Holzstiel in der Hand schreit er: «Du verdammte Dreckschaib ich schlahn di abe, ich bring di um.»
Warum hat hier die Justiz nicht eingegriffen?
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winglet55
20.11.2024 11:37registriert März 2016
Im Grunde müsste der Kerl, meiner Meinung nach, lebenslänglich erhalten, inkl. Einzug sämtlicher Vermögenswerte.
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_kokolorix
20.11.2024 13:59registriert Januar 2015
Ich stelle fest, gewaltfrei gegen Klimasünder protestieren, wird mit unerbittlicher Härte von der Staatsanwaltschaft verfolgt.
30 Jahre lang auf sämtliche Vorschriften pfeifen, Leute mit dem Tod bedrohen, Tiere quälen und die Umwelt verschmutzen, endet mit einem Freispruch wegen Formfehler in der Anklage.
Finde den Fehler.
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