Schweiz
UNO

Schweiz im UNO-Sicherheitsrat: So will die SVP den Bundesrat ausbremsen

Die Schweiz im UNO-Sicherheitsrat: So will die SVP den Bundesrat ausbremsen

Die SVP will die Kandidatur für den UNO-Sicherheitsrat in letzter Minute stoppen und argumentiert mit der angespannten internationalen Lage. Trotz neu entbrannter Neutralitätsdiskussion dürfte der Angriff scheitern.
10.03.2022, 06:45
Christoph Bernet / ch media
Mehr «Schweiz»

Es scheint sich ein Kreis zu schliessen: Fast auf den Tag genau vor 20 Jahren stimmte die Bevölkerung dem Beitritt der Schweiz zu den Vereinten Nationen zu. 54.6 Prozent und 12 Stände nahmen die Volksintiative für einen Uno-Beitritt am 3. März 2002 an. Der Abstimmungskampf war geprägt vom Streit über die Neutralität. Die Gegner unter der Führung des damaligen SVP-Nationalrats Christoph Blocher sahen diese durch einen UNO-Beitritt der Schweiz bedroht. Ihr Plakatsujet: ein Beil, das auf den Schriftzug «Neutralität» niedergeht.

T. S. Tirumurti, permanent representative of India to the United Nations, speaks during a meeting of the security council, Monday, Feb. 28, 2022, at United Nations Headquarters. The U.N.'s two ma ...
Eine Sitzung des UNO-Sicherheitsrats in New York im Februar 2022: Sitzt die Schweiz bald mit am Tisch?Bild: keystone

Auf Seiten der Befürworter standen der Bundesrat und die grossen Parteien mit Ausnahme der SVP. Das Plakat der Ja-Kampagne zeigte Wilhelm Tell und den Slogan: «Die Schweiz ist stolz auf ihre Neu­tralität und sagt Ja zur UNO».

Heute Donnerstag befasst sich der Nationalrat erneut mit der UNO – und das übergeordnete Thema ist wieder die Neutralität. Dieser von vielerlei Mythen umrankte, aber in seiner konkreten Bedeutung häufig im Ungefähren bleibende Kernbegriff des Schweizer Staatsverständnisses ist derzeit wieder in aller Munde. Ausgelöst durch die russische Invasion in der Ukraine und die Frage, welche Sanktionen die Schweiz ergreifen soll, ist erneut eine heftige Debatte über Sinn, Zweck und Bedeutung der Neutralität entbrannt.

SVP sieht gar den «inneren Frieden des Landes» in Gefahr

Die SVP will mit einer Motion erreichen, dass der Bundesrat die Kandidatur der Schweiz als nichtständiges Mitglied des UNO-Sicherheitsrats für die Wahlperiode 2023-24 im letzten Moment zurückzieht. Die Wahl findet im kommenden Juni statt. Weil es keine Gegenkandidaturen gibt, wäre die Wahl der Schweiz reine Formsache.

Für die SVP würde eine Mitgliedschaft im wichtigsten Gremium der Vereinten Nationen «mit der jahrhundertealten Tradition der Schweizer Neutralität brechen», wie es in der Begründung der Motion heisst. Die nationalrätliche Debatte heute wird eine kurze Angelegenheit sein. Lediglich dreissig Minuten hat das Büro des Nationalrats dafür vorgesehen. Einen Rückkommensantrag der SVP für eine ausführlichere Behandlung lehnte es ab.

Bundespraesident Ignazio Cassis spricht waehrend der Fragestunde, waehrend der Fruehlingssession der Eidgenoessischen Raete, am Montag, 7. Maerz 2022, im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Aussenminister Ignazio Cassis während der Frühlingssession im Nationalratssaal.Bild: keystone

Doch die Bedenken der Partei waren bereits am Montag bei der Fragestunde des Nationalrats zu hören. Nicht weniger als zehn Fragen zum Thema reichte sie ein. Nebst der Neutralität sahen die SVP-Vertreter auch die Guten Dienste der Schweizer Diplomatie, den inneren Frieden des Landes sowie das Mitbestimmungsrecht des Parlaments in Gefahr, sollte der Bundesrat an der Kandidatur festhalten.

Lange Vorgeschichte im Parlament

In seinen Antworten an die SVP erinnerte Bundespräsident und Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) daran, dass der Bundesrat gegenüber dem Parlament bereits ausführlich zu den Auswirkungen einer Mitgliedschaft im Sicherheitsrat auf die Schweizer Neutralität Stellung bezogen hat. Mit Verweis auf einen im Auftrag der aussenpolitischen Kommission des Nationalrats erstellten Bericht sagte Cassis, dass die Schweiz ihre Neutralität im Sicherheitsrat «unverändert und vollumfänglich» ausüben könne. Auch ihr friedenspolitisches Engagement sei damit vereinbar, sagte Cassis:

«Die Schweizer Neutralität bedeutet nicht Gleichgültigkeit. Im gegenwärtigen polarisierten Kontext ist die Neutralität ein Vorteil, kein Hindernis.»

Der Gesamtbundesrat und Aussenminister Cassis im Besonderen mussten sich jüngst aus allen politischen Lagern viel Kritik für ihren aussenpolitischen Kurs anhören - wie vorletzte Woche bei der Kommunikation rund um den Entscheid, die EU-Sanktionen gegen Russland zu übernehmen.

Dennoch ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass der Bundesrat bei der Kandidatur für den UNO-Sicherheitsrat vom Nationalrat zurückgepfiffen wird. Das Anliegen hat eine lange parlamentarische Geschichte – und fand während dieser ganzen Zeit eine eindeutige Mehrheit.

Formell hatte der Bundesrat im Januar 2011 den Entschluss gefasst, eine Kandidatur der Schweiz für einen der beiden Sitze der Gruppe der westeuropäischen und anderen Staaten anzumelden. Bereits zuvor hatte er sich in einer mehrjährigen «Reflexions- und Konsultationsphase» die Unterstützung der aussenpolitischen Kommissionen des Parlaments gesichert. Im Plenum scheiterten seither alle aus den Reihen der SVP initiierten Versuche, die Kandidatur zu stoppen. Zuletzt hatte sich der Nationalrat im März 2020 mit 157 zu 52 Stimmen für die Kandidatur ausgesprochen.

Zweifel in der Mitte dürften Resultat nicht ändern

Könnte es dieses Mal anders kommen? Immerhin sprachen sich mit Parteipräsident Gerhard Pfister und Fraktionschef Philipp Bregy jüngst zwei Schwergewichte der Mitte-Partei öffentlich gegen die Kandidatur aus. Doch gemäss CH-Media-Informationen unterlagen Pfister und Bregy vergangene Woche in der Fraktionssitzung mit einem Antrag, die Motion der SVP zu unterstützen. Pfisters und Bregys Zweifel an der Kandidatur sind nicht neu. Sie und neun weitere Mitte-Vertreter hatten sich bei der Abstimmung 2020 enthalten. Erfahrene Aussenpolitiker rechnen deshalb – trotz angespannter weltpolitischer Lage und einer neuentbrannten Neutralitätsdiskussion – mit einem ähnlichen Ergebnis im Nationalrat wie beim letzten Mal.

Und so dürfte die Mitgliedschaft der Schweiz im UNO-Sicherheitsrat am Donnerstag die vorletzte Klippe umschiffen, bevor sich der Ständerat nächste Woche damit befasst. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
«Was zur Hölle tun Sie hier!?» Ukrainerin schreit russischen Soldaten an – und weitere Eindrücke aus der Ukraine
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
19 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Verbesserer
10.03.2022 07:03registriert Mai 2020
Die SVP ist gegen alles! Was hat diese Partei als Regierungspartei im Parlament noch verloren? Die SVP soll in die Opposition wechseln, was sie eh schon tut. Das wäre wenigstens ehrlicher.
4811
Melden
Zum Kommentar
avatar
Pontifax
10.03.2022 07:20registriert Mai 2021
In der UNO kann die Schweiz problemlos mitmachen. Bei der NATO sieht das ganze etwas anders aus. Die SVP geht mir langsam auf den Senkel mit ihrem kindsköpfigen, bockigen Gehabe. Ob die wohl je etwas brauchbares liefern können? IRGENDETWAS?
4610
Melden
Zum Kommentar
avatar
Fernrohr
10.03.2022 07:56registriert Januar 2019
So lasst uns denn die SVP bei den nächsten Wahlen ausbremsen!
357
Melden
Zum Kommentar
19
Velotouren für Geniesser: Wenig Höhenmeter, super Aussichten
Die Schweiz ist zwar das Land der Berge. Für Velofahrer bedeutet dies meist: Es geht immer wieder hinauf und du musst kräftig in die Pedale treten. Doch das gilt nicht überall. Wir haben dir hier Velostrecken für Geniesser zusammengestellt, bei denen die Höhenmeter eher runter führen.

Der Frühling lockt und bald schon können wir das Velo wieder aus dem Keller nehmen. Doch das Velofieber packt nicht nur alte Hasen, auch Newbies schwingen sich gerne aufs Velo. Für diese hatte Kollege Ralf Meile hier mal 20 goldene Ratschläge zusammengestellt. Wenn du diese beherzigst, kannst du dich auf folgende Touren freuen.

Zur Story