Fall Mike Ben Peter: Alle sechs Polizisten freigesprochen
Das Waadtländer Berufungsgericht hat am Montag den Freispruch für sechs Lausanner Stadtpolizisten in einem Fall von mutmasslicher Polizeigewalt bestätigt. 2018 war ein 39-jähriger nigerianischer Drogendealer bei einer Festnahme ums Leben gekommen. Die Richter kamen wie die Vorinstanz zum Schluss, dass der Polizeieinsatz verhältnismässig gewesen war.
Nach einem dreitägigen Berufungsverfahren lag es an den drei Richtern des Berufungsgerichts zu entscheiden, ob sich die sechs Beamten der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht hatten. Zudem mussten die Richter über Amtsmissbrauch urteilen, der in zweiter Instanz als Anklagepunkt hinzugefügt worden war. Sie sprachen die Polizisten in beiden Punkten frei.
Die Richter verwiesen insbesondere auf die gerichtsmedizinischen Gutachten. Diese hatten festgestellt, dass es unmöglich sei, mit Sicherheit zu sagen, dass der Dealer aufgrund des Polizeieinsatzes und insbesondere aufgrund des Festhaltens in Bauchlage gestorben sei.
Das Berufungsgericht befand ausserdem, dass die Polizisten ihre Sorgfaltspflicht nicht «schuldhaft» verletzt hätten. Der Nigerianer habe «nie aufgegeben, sich mit heftigem Widerstand zu wehren», argumentierten sie.
«Einsatz verhältnismässig»
«Man kann den Polizisten nichts vorwerfen. Die Festnahme war gerechtfertigt, legitim und verhältnismässig», sagte der Gerichtspräsident. Der Herz-Kreislauf-Stillstand sei somit unabhängig von der Art und Weise der Positionierung des Opfers eingetreten, so die Richter.
«Die Ursachen für seinen Tod sind multifaktoriellen Ursprungs», erklärten sie. Damit schlossen sie einen kausalen Zusammenhang zwischen der Art und Weise des Eingreifens der Polizisten und dem Tod des festgenommenen Nigerianers aus, so wie es 2023 die Vorinstanz getan hatte.
Weiterzug wahrscheinlich
Der Anwalt der Familie des Opfers, Simon Ntah, hatte eine Verurteilung der Polizisten gefordert. Seiner Ansicht nach haben die Polizisten bei der Festnahme unverhältnismässig viel Gewalt angewendet. Nach der Urteilsverkündung wollte er sich nicht äussern. Er hatte jedoch immer angedeutet, dass er den Fall bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) weiterverfolgen würde.
Die Witwe des Opfers äusserte sich hingegen, als sie das Gerichtsgebäude verliess. «Ich fühle mich sehr schlecht. Wir wollen Gerechtigkeit für meinen Mann, die Familie und meine Kinder (...). Die Polizisten wissen, dass sie falsch lagen», sagte sie den Medien.
Auf Seiten der Verteidiger herrschte Zufriedenheit. «Wir sind natürlich erleichtert und zufrieden, zumal die Polizisten von den Richtern des Berufungsgerichts nicht geschont wurden. Es ist keine kostenlose Bestätigung eines Freispruchs», sagte Christian Favre, Anwalt eines der Polizisten, gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Die Staatsanwaltschaft erklärte, sie nehme das Urteil der zweiten Instanz zur Kenntnis. Die Staatsanwaltschaft selbst hatte ihren Anklagepunkt der fahrlässigen Tötung bereits in erster Instanz fallen gelassen und in der Berufungsverhandlung letzte Woche die Abweisung des Amtsmissbrauchs beantragt.
Vergleiche mit George Floyd
Der Nigerianer starb 2018 am Tag nach seiner Festnahme an einem Herz-Kreislauf-Stillstand, nachdem er vor Ort notversorgt und anschliessend ins Universitätsspital Chuv in Lausanne gebracht worden war.
Der Fall sorgte über die Westschweiz hinaus für Schlagzeilen. Seit dem Todesfall fanden in den Strassen der waadtländischen Hauptstadt mehrere Demonstrationen statt, bei denen Rassismus und Polizeigewalt angeprangert wurden.
Es wurden Vergleiche gezogen zwischen ihm und dem Afroamerikaner George Floyd, der 2020 in Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota von einem weissen Polizisten getötet worden war. (sda)
