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Die mysteriösen Wege des russischen Goldes in die Schweiz

Anhand von Daten der Eidgenössischen Finanzverwaltung lassen sich die Wirtschaftszweige identifizieren, die möglicherweise russisches Gold bestellt haben.
Anhand von Daten der Eidgenössischen Finanzverwaltung lassen sich die Wirtschaftszweige identifizieren, die möglicherweise russisches Gold bestellt haben.image: shutterstock

Die mysteriösen Wege des russischen Goldes in die Schweiz

Anhand der von der Eidgenössischen Finanzverwaltung bereitgestellten Daten können Player identifiziert werden, die möglicherweise russisches Gold bestellt haben. Dennoch bleibt bei den umstrittenen Gold-Transaktionen vieles im Dunkeln.
24.06.2022, 11:2624.06.2022, 14:11
Antoine Menusier
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«Wir kennen die Identitäten des Importeurs und der Empfänger dieses Goldes, aber aus datenschutzrechtlichen Gründen dürfen wir sie nicht öffentlich bekannt geben.» Auf Anfrage von watson gab die Eidgenössische Zollverwaltung die Namen der Schweizer Kunden nicht bekannt, die im vergangenen Monat das Moratorium für die Einfuhr von russischem Gold gebrochen hatten, das hierzulande seit dem Einmarsch von Putins Panzern in die Ukraine Ende Februar in Kraft ist. Insgesamt wurden 3,1 Tonnen Gold aus Russland über Grossbritannien in die Schweiz eingeführt, wie die englischsprachige Nachrichtenagentur Bloomberg am 21. Juni berichtete. Dies entspricht 194 Millionen Franken.

Die Namen der Kunden sind bislang nicht bekannt, wohl aber die Branchen, aus denen sie stammen. Laut den Daten, die watson von der Eidgenössischen Zollverwaltung zur Verfügung gestellt wurden, sind folgende dies:

  • 2943 kg des importierten Goldes gingen an «Raffinerien» für Edelmetalle und «Industrieunternehmen», die Gold als Bestandteil verwenden können. Die Schmuck- und Uhrenindustrie ist hier a priori nicht betroffen.
  • Für die restlichen 146 kg Gold wurden als potenzielle Kunden die Branchen «Banken und andere Finanzinstitute» genannt.

Edelmetallraffinerien könnten zu den Schweizer Abnehmern des fraglichen Goldes gehören, vermutet die Zollverwaltung. Merkwürdig, denn der Schweizer Dachverband der Branche, die Schweizerische Vereinigung der Edelmetallfabrikanten und -händler, der 13 Unternehmen angehören, behauptet seinerseits, dass sich keines ihrer Mitglieder an den 3,1 Tonnen bedient habe.

Das Geheimnis der Schmelzer

Gibt es in der Schweiz noch andere Goldveredelungsunternehmen als die im Dachverband organisierten? Ein Experte, der in der Unternehmenskommunikation tätig ist und anonym bleiben möchte, bezweifelt dies. Hat er Recht? Marc Ummel, Rohstoffbeauftragter der NGO Swissaid, sagt: «In der Schweiz gibt es insgesamt 23 Unternehmen mit dem Patent als Goldschmelzer, darunter der Grossteil der 13 Unternehmen, die den Dachverband bilden. Mit anderen Worten: Alle oder ein Teil der 2943 kg Gold hätten von einem der Schmelzer eingeschmolzen werden können. Es ist gut möglich, dass die Schmuck- und Uhrenindustrie später davon profitieren wird.»

Wie das Westschweizer RTS auf seiner Website in Erinnerung ruft, «unterstehen die grossen Schweizer Raffinerien alle der London Bullion Market Association (LBMA), einer Vereinigung, die den Kauf von russischem Gold seit Kriegsbeginn verbietet».

Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass die Schweizer Sanktionen gegen Russland nicht für Gold gelten. Laut der Eidgenössischen Zollverwaltung ist es nicht verboten, russisches Gold in die Schweiz einzuführen, wohl aber, es aus der Schweiz nach Russland auszuführen.

Russische Barren sind explosiv

Eine weitere wichtige Frage ist, wer die russischen Exporteure dieser 3,1 Tonnen sind. Die Eidgenössische Zollverwaltung weiss es offenbar, beruft sich aber auch hier auf den Datenschutz, um die Frage nicht zu beantworten. Die LBMA wiederum verbietet westlichen Raffinierern, von den grössten russischen Schmelzern zu kaufen. Könnten die 3,1 Tonnen russischen Goldes von einer der Schmelzen stammen, die von der LBMA betroffen sind? Die Eidgenössische Zollverwaltung hüllt sich in Schweigen.

Es besteht die Gefahr, dass das im Mai eingeführte Gold ganz oder teilweise aus den Goldbeständen der russischen Zentralbank stammt, die durch den Verkauf des gelben Metalls Devisen zur Finanzierung ihrer Kriegsanstrengungen erhalten würde. In der Schweiz, wo die Erinnerung an das «Nazigold» noch immer lebendig ist, kommt dieser Fall nicht gut an.

Dubai als fragwürdiger Lieferant

Die Schweizer Unternehmen, die das gelbe Metall verarbeiten, beziehen ihr Gold aus vielen Ländern. Nur, dass Russland einer der drei grössten Goldproduzenten der Welt ist. Gold wandert und es könnte sein, dass Gold, das nicht in Russland gekauft wird, in Wirklichkeit russisch ist. Dieser Verdacht besteht derzeit bei Gold, das aus den Vereinigten Arabischen Emiraten importiert wird. Im März und April, kurz nach dem Inkrafttreten der Sanktionen gegen Russland, kaufte die Schweiz Gold im Wert von 56 Milliarden Franken in Dubai - so viel wie seit sechs Jahren nicht mehr. Gold zweifelhafter Herkunft, das teilweise oder grösstenteils aus Russland stammen könnte.

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90 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Lil-Lil
24.06.2022 12:28registriert Februar 2021
Da ist rein gar nichts "umstritten"! Es wurde Gold mit Herkunft Russland importiert und es sollte mutmasslich wohl in den Raffinerien reingewaschen werden. Ein Stempel von Valcambi o.ä. und alles ist i.O?
Skandalös!
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Sam1984
24.06.2022 11:38registriert Dezember 2014
Die Herkunft ist bei Gold allgemein ein Problem. Einmal ein- oder umgeschmolzen können Sie keine Herkunft mehr nachweisen.

Praktisch niemand mit Goldschmuck weiss, woher das Gold dafür kommt. Es könnte durchaus sein, dass das Gold von Ihrem Schmuck aus illegalen Goldminen in Südamerika oder Afrika kommt, dass damit Kriege oder autokratische Herrscher oder die organisierte Kriminalität finanziert wird.
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Pontifax
24.06.2022 12:59registriert Mai 2021
Wird der Datenschutz also wieder mal dazu verwendet, Verbrecher zu schützen. Wie viele davon wohl SVP-ler sind? Und jetzt könnt Ihr blitzen.
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