In der umfangreichen Quartalsberichterstattung der UBS können wichtige Informationen leicht unter das Eis geraten. Deshalb hat CH Media in einem für die Schweizer Volkswirtschaft besonders heiklen Feld den 100-seitigen Quartalsbericht der Grossbank vom Mittwoch nochmals aufgearbeitet und Spektakuläres gefunden: Die UBS hat im ersten Halbjahr den durchschnittlichen Risikozuschlag auf KMU-Kredite um 42 Prozent erhöht.
Dieser durchschnittliche Risikozuschlag ergibt sich aus dem Gesamtbestand bezogener Betriebskredite im Verhältnis zu den erwarteten Kreditverlusten, wie sie die UBS mit einem eigenen Modell berechnet. Ende Juni hatte die UBS KMU-Kredite im Umfang von 23,4 Milliarden Dollar ausstehend. Die modelltheoretisch erwarteten Verluste daraus werden im vorliegenden Quartalsbericht (Seite 73 in der PDF-Version) mit 515 Millionen Dollar beziffert. Um sich gegen diese erwarteten Verluste zu wappnen, verlangt die UBS im Durchschnitt 2,2 Prozent Risikozuschlag für jeden KMU-Kredit. Per Ende März belief sich dieser mittlere Wert noch auf 1,8 Prozent und Ende 2023 waren es 1,55 Prozent.
Die Rekalibrierungen des UBS-Modells haben also dazu geführt, dass ein durchschnittliches KMU, das sich über die UBS oder über die Credit Suisse finanziert, seit Anfang Jahr 42 Prozent mehr für das von der Bank angenommene Risiko bezahlen muss. Das ist ein spektakulärer Aufschlag, für den eine sehr markante Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage oder die Korrektur einer vorher weniger strengen Risikovorsorge verantwortlich sein können.
Im vorliegenden Fall liegt offenbar eine Mischung von beidem vor. UBS-Finanzchef Todd Tuckner sagte am Mittwoch auf einer Telefonkonferenz mit Journalisten, der starke Franken und die abgeschwächte Konjunktur in einigen Schlüsselexportmärkten für die Schweizer Industrie (Deutschland) könnten zu höheren Kreditverlusten führen. Dies gelte im Besondern auch für das Kreditbuch, das die UBS von der Credit Suisse übernommen habe.
Für eine gewisse Entlastung der KMU sorgte ab März immerhin die Schweizerische Nationalbank, die den Leitzins seither von 1,75 Prozent auf die aktuellen 1,25 Prozent reduziert hat und damit auch einen deutlichen Rückgang der längerfristigen und für viele Kreditverträge massgebenden Kapitalmarktzinsen bewirkte.
Was aber auffällt: Die UBS hat nur die Risikozuschläge für KMU erhöht. In allen anderen Kreditklassen sind die Risikozuschläge teilweise kräftig gesunken. Dazu etwa Kredite für Grossunternehmen, Immobiliengesellschaften, Rohstoffhandel und im privaten Bereich für Hypotheken oder für Konsum. In den als besonders riskant berüchtigten Konsumkrediten hat sich der Aufschlag seit Ende 2023 fast halbiert und mit 2,34 Prozent bewegt sich die durchschnittliche Prämie nur leicht über dem durchschnittliche KMU-Wert.
Ironischerweise hat das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) ebenfalls diese Woche einen ersten Wert zum Wachstum der Schweizer Wirtschaft im zweiten Quartal veröffentlicht. Und das Ergebnis ist eher beruhigend. Die Schweizer Wirtschaft ist zwischen Ende März und Ende Juni um 0,5 Prozent gewachsen, etwas schneller als im Quartal davor und das nicht zuletzt dank der Industrie.
UBS-Chef Sergio Ermotti betonte am Mittwoch besonders den Credit-Suisse-Aspekt: In einigen Segmenten im Firmenkreditgeschäft seien die Preise im Vergleich zum Risiko «inakzeptabel niedrig» gewesen. «Wir sind nicht hier um Geschäfte zu subventionieren», sagte Ermotti und zielte damit unmissverständlich auf die einstige Grossbanken-Rivalin. Ermotti sagte auch, er sehe nicht dass die UBS Marktanteile verliere. Zudem sei die Stimmung in der Kundschaft positiv, auch wenn es wahrscheinlich einige gäbe, die gerade nicht sehr glücklich seien.
Ermottis Darstellungen sind allerdings mit Vorsicht zu geniessen. Die UBS hält in Verbindung mit Credit Suisse im KMU-Kreditsegment einen Marktanteil von 40 Prozent. Die nächsten Konkurrenten sind einige wenige grosse Kantonalbanken, die Zürcher Kantonalbank (ZKB) etwa und die Banque Cantonale Vaudoise: Jede von ihnen besitzt aber nur einen Bruchteil vom UBS-Anteil. Allein aus diesem Grund dürften sich viele UBS-Firmenkunden mit Kritik an ihrer mächtigen Bank zurückhalten. Dasselbe dürfte auch für die Industrieverbände Swissmem und Swissmechanic gelten, welche das Vorgehen der UBS auf Anfrage ebenfalls nur sehr zurückhaltend kommentieren.
Interessant ist auch die Beobachtung, dass die Kreditbenutzung der UBS-KMU-Kunden zwischen Ende 2023 und Mitte 2024 um rund 10 Prozent oder etwa 2,6 Milliarden Dollar abgenommen hat. Das spricht gegen das UBS-Argument des verschlechterten Konjunkturbildes. Denn in angespannten Zeiten nimmt die Kreditnachfrage typischerweise zu.
Die Zürcher Kantonalbank beurteilt die Risikosituation bei den KMU-Krediten in ihrem Portfolio jedenfalls «als stabil und sieht aktuell keinen Handlungsbedarf», wie sie auf Anfrage sagt. Mittelfristig könne ein «moderat steigender Wertberichtigungsbedarf» aber nicht ausgeschlossen werden.
Die im Vergleich zur UBS deutlich entspanntere Risikoanalyse der ZKB könnte ein Hinweis dafür sein, dass die UBS auf dem Buckel der KMU gerade eine übervorsichtige Risikovorsorge betreibt, um das im Schweizer Firmenkreditgeschäft freigesetzte Kapital vielleicht im Ausland in mutmasslich lukrativere Geschäfte zu investieren. Für die UBS wäre das vielleicht ein guter Entscheid, für die Schweiz aber sicher nicht. (aargauerzeitung.ch)
Das Geld fehlt dann bei den KMUs, welche damit auch weniger Spielraum haben, um Stellen zu schaffen und höhere Löhne zu bezahlen.
Die wahren Leidtragenden der CS-Übernahme sind nicht die Banker. Sondern die Volkswirtschaft als Ganzes. Je früher man die UBS aufspaltet, desto besser für das Land. Nicht nur, weil die Bank für die Schweiz inzwischen Too-Big-To-Save ist.