Sei es Glace verkaufen in der Badi oder Pedalos vermieten am See: Die Sommerzeit ist die Zeit der Studi-Jobs. Touristische Betriebe lechzen nach zusätzlichen Angestellten, viele Branchen kämpfen mit Ferienabwesenheiten. Da kommen die Semesterferien der Studierenden zwischen Juni und September gerade recht.
Das ist in Genf nicht anders als im Rest der Schweiz. Anders ist, dass die Entlöhnung in Genf wenig Spielraum zulässt. Wie Basel-Stadt, Neuenburg, Jura und Tessin kennt der Westschweizer Kanton einen Mindestlohn. Mit 24.32 Franken pro Stunde (monatlich 4400 Franken) handelt es sich um den höchsten des Landes. Während Studierende bei diesen Summen frohlocken, geraten Unternehmer ins Grübeln.
Die Zahl der Sommerjobs habe sich seit der Einführung des Mindestlohnes im November 2020 «sehr stark» reduziert, warnt die Genfer FDP diese Woche in einer Mitteilung. Sie verlangt in einem Gesetzesentwurf, dass Firmen bei Sommerjobs vom Mindestlohn abweichen dürfen. Profitieren sollen Studierende unter 25 Jahren, die in den Semesterferien für maximal sechzig Tage angestellt werden. Heute sind tiefere Löhne nur dann möglich, wenn die Branche über einen Gesamtarbeitsvertrag verfügt und eine Übereinkunft der Sozialpartner besteht. Das ist fast nie der Fall.
«Anstatt einen Sommerjob mit dem Mindestlohn zu entlöhnen, stellen Unternehmen für dieses Geld lieber jemanden mit mehr beruflicher Erfahrung an», sagt FDP-Kantonsrätin Véronique Kämpfen, die auch Kommunikationschefin des Verbands der Westschweizer Unternehmen ist. Die Genferin kann keine Zahlen vorlegen. Sie erhalte aber viele entsprechende Rückmeldungen von Firmenchefs, sagt Kämpfen. Auch Junge würden sich über mangelnde Sommerjobs beklagen.
Für José Ramirez, Wirtschaftsprofessor an der Uni Genf, kommen die Probleme nicht überraschend. Es sei schwer vorstellbar, dass alle Arbeitgeber gewillt seien, für einen saisonalen Job den Mindestlohn zu bezahlen.
Ramirez untersucht die Auswirkungen des Genfer Mindestlohnes wissenschaftlich. In einem Bericht von Ende 2023 kam er zum Schluss, dass sich der Mindestlohn nicht auf die Arbeitslosigkeit in der Gesamtbevölkerung ausgewirkt hat. Einzig bei jungen Erwachsenen unter 25 Jahren ist diese leicht erhöht. Dies könnte damit zusammenhängen, dass junge Erwachsene wegen des Mindestlohnes aus Sicht der Arbeitgeber weniger attraktiv sind. Sie können nicht mehr zu tieferen Löhnen eingestellt werden als Personen mit mehr Erfahrung.
Zeigt sich das nun auch bei den Sommerjobs? Nein, meint Wirtschaftsprofessor Ramirez. «Es ist unwahrscheinlich, dass eine besser qualifizierte Arbeitskraft eingestellt wird, wenn das Unternehmen sie nur für zwei Monate im Sommer braucht.» Dagegen könne es sein, dass anstelle der Studierenden vermehrt Jugendliche unter achtzehn Jahren eingesetzt würden. Für sie gilt der Mindestlohn nicht. Belegen lasse sich diese Vermutung nicht, betont Ramirez. Ihm lägen keine Zahlen vor. Gerade deshalb begrüsse er die aktuelle Debatte.
Wenig Freude haben die Gewerkschaften. Sie sprechen von einem Angriff auf den Mindestlohn. «Nur weil es Sommer ist und es sich um Studierende handelt, heisst das nicht, dass Lohndumping plötzlich akzeptabel wird», sagt Davide De Filippo von der Gewerkschaft SIT. Ihn störe, dass die FDP von Sackgeld spreche. Für viele Studierenden gehe es darum, sich ihr Studium zu finanzieren. «Das ist angesichts der steigenden Lebenskosten schwieriger denn je.»