Als Finanzministerin Karin Keller-Sutter das Ende der Credit Suisse verkündete, breitete sich in den Rektoraten einiger Hochschulen Nervosität aus. Die Bank finanziert schweizweit zehn Lehrstühle mit insgesamt 3.6 Millionen Franken pro Jahr. Die Bildungsinstitutionen sind auf diese Drittmittel angewiesen, da sie die Kosten nicht aus ihrem regulären Budget decken können. Die bange Frage lautete: Wie lange sind die Löhne dieser Wirtschaftsprofessoren noch gesichert?
Mittlerweile hat sich die Anspannung gelöst, da die Bank noch einige Jahre weitergeführt wird und sie die Gelder weiterhin an die Hochschulen überweisen will.
Damit entsteht allerdings ein neues Problem. Je länger der Name der Bank bestehen bleibt, desto länger leiden die Hochschulen unter dem Reputationsschaden der Bank. Denn die meisten haben sich verpflichtet, den Namen prominent zu vermarkten.
Offiziell sprechen die Universitäten und Banken zwar von Spenden. Tatsächlich handelt es sich aber in der Regel um Sponsoring. Eine Spenderin erwartet nämlich keine Gegenleistung. Ihr Name wird nur aus Gründen der Transparenz und der Höflichkeit erwähnt, klein und ohne Logo.
Eine Sponsorin hingegen stellt Bedingungen und lässt vertraglich festhalten, wie sie sich marketingmässig inszenieren lassen will. Und genau dies macht die Credit Suisse in der Regel und die Universitäten lassen sich darauf ein.
Das ist schon in normalen Zeiten ein Problem. Ein Credit-Suisse-Schriftzug auf einem Forschungspapier oder einer Türe eines Hörsaals erweckt den Anschein von Befangenheit. Die Glaubwürdigkeit – das höchste Gut der Wissenschaft – ist damit infrage gestellt, obschon sich die Hochschulen die Freiheit von Lehre und Forschung vertraglich zusichern lassen.
Der Ruf der Credit Suisse war zwar schon beim Abschluss der Verträge schlecht. Die Bank stand aber immerhin für ein erfolgreiches Geschäftsmodell. Ein von der Credit Suisse gesponsertes Institut konnte so seine Praxisnähe betonen.
Inzwischen lässt sich nichts mehr schönreden. Eine Bank, die wegen einer toxischen Firmenkultur weltweit das Vertrauen verloren und deshalb staatliche Hilfe nötig hat, ist ein denkbar schlechter Namensgeber für ökonomische Spitzenforschung.
Entscheidend ist für die Hochschulen deshalb, welche Bedingungen sie ausgehandelt haben. Diese Zeitung hat Einsicht in alle Verträge zwischen Schweizer Hochschulen und der Credit Suisse verlangt und erhalten. Nicht von der Credit Suisse, die daraus ein Geschäftsgeheimnis macht. Sondern von den Hochschulen, die durch das Öffentlichkeitsprinzip zur Transparenz verpflichtet sind. Interessant ist, wie unterschiedlich die Deals sind.
Die ETH Zürich hat die längste Geschichte mit der Credit Suisse. Sie beginnt mit einer Verfilzung, die so heute nicht mehr denkbar wäre. Credit-Suisse-Gründer Alfred Escher amtete in den ersten Jahren der ETH gleichzeitig als Vizepräsident der Schulleitung.
Inzwischen hat diese jedoch eines der strengsten Regelwerke im Umgang mit Sponsoring verabschiedet. Sie verbietet die Namensnennung von Sponsoren in der Bezeichnung von Professuren. Erlaubt ist aber die Beschriftung von Hörsälen und Bauten.
Im Vorfeld des Jubiläums zu 150 Jahren ETH war die Beschriftung eines Vorlesungssaals mit dem Namen der Credit Suisse tatsächlich ein Thema. Das geht aus einem Brief aus dem Jahr 2003 hervor, in dem die damalige CS-Spitze bestehend aus Walter Kielholz und Oswald Grübel diese Möglichkeit erwähnte. Die Pläne wurden aber nie umgesetzt.
Heute muss man auf dem ETH-Campus lange suchen, um den Namen der Bank zu finden. Er wird auf einer Tafel im Dozentenfoyer – das ist eine Kantine im obersten Stock des ETH-Hauptgebäudes – auf einer grossen Tafel ganz klein vermerkt, ohne Logo.
Der Bank wird dafür gedankt, dass sie eine Professur für Robotik mit sieben Millionen Franken in zehn Jahren finanziert. Die Gelder stammen von der Credit Suisse Asset Management. Sie hat sich im Vertrag mit der ETH Zürich Foundation, welche die Gelder akquiriert, folgende Privilegien zusichern lassen.
Sie wird von der ETH zu Anlässen und Gesprächen eingeladen, um auf dem neusten Stand der Forschung zu bleiben. Zudem nehmen ETH-Wissenschafter in einem «Advisory Board» Einsitz, um die Bank über technologische Trends zu informieren. Ausserdem darf die Bank ETH-Forscher mit separaten Verträgen als Berater engagieren.
Die Credit Suisse erhält von der ETH also Wissenstransfer, aber keine Namensrechte.
Die Universität St. Gallen hingegen verleiht der Credit Suisse den exklusiven Status als «Campus Bank» und als Gründungspartner des «Center for Financial Services Innovation». Dafür erhält sie 20 Millionen Franken in zehn Jahren.
Die Bank will keinen Wettbewerb. «Weitere strategische Partner aus dem Bankbereich sind ausgeschlossen», heisst es im Vertrag. Die Credit Suisse liess sich sogar das Recht zusichern, bei der Wahl anderer strategischer Partner mitreden zu können.
Früher bedeutete «Campus Bank», dass das Institut mit einem Bancomaten auf dem Hochschulgelände präsent sein durfte. Seit die Studierenden kaum Bargeld mehr benötigen, darf die Bank eine «virtuelle Filiale» im Intranet der Hochschule betreiben und allen Studierenden im digitalen Einschreibeprozess ein Angebot für ein CS-Konto unterbreiten.
Hinzu kommt ein prominenter Werbeauftritt im Hauptgebäude. Auch einen Raum im Learning Center durfte die Bank mit ihrem Namen anschreiben. Er heisst «Credit Suisse Co-Creation Space».
Das gesponserte Finanz-Zentrum besteht aus sieben Professuren. Sie müssen den Namen der Bank nicht in ihrem Titel tragen. Aber auf der Institutswebsite muss er gemäss Vertrag mit Logo stehen. Zudem darf die Bank im Beirat des Zentrums Einsitz nehmen.
Wirtschaftsprofessor Thomas Zellweger ist Prorektor der Universität und hat die Verträge mitunterzeichnet. Im Gespräch mit dieser Zeitung versucht er den Reputationsschaden der Credit Suisse zu relativieren:
Business as usual also. Die Universität sieht deshalb kein Problem darin, weiterhin für die Bank Werbung machen zu müssen.
Ein besonders seltsames Namensrecht hat die Universität Basel der Credit Suisse eingeräumt. Um während zehn Jahren insgesamt 5,5 Millionen Franken für eine Professur zu erhalten, gibt sie dieser folgenden Namen: «Credit Suisse Asset Management (Schweiz) AG – Professur für DLT/Fintech».
Der Name der Bank wird also noch vor dem Forschungsgebiet genannt. Diese sperrige Bezeichnung muss gemäss dem Vertrag «in sämtlicher Kommunikation» der Universität genannt werden.
Auch die Universität Zürich muss die Bank im Namen einer Professur erwähnen. Und zwar so: «Professur für die Ökonomie der Unternehmenskultur, Geschäftsethik und sozialer Verantwortung, gestiftet von der Credit Suisse». Dafür wird sie von der Bank mit drei Millionen Franken in zehn Jahren alimentiert.
Im Vertrag beschreiben die Parteien, warum es diese Professur braucht. Ethisches Verhalten sei für Banken entscheidend und eigentlich klar reguliert. Dennoch würden Mitarbeitende immer wieder Verhaltensregeln verletzen. Der Grund dafür sei, dass das Potenzial für unethisches und korruptes Verhalten in grossen Unternehmen oft lange unentdeckt bleibe.
Neuere Studien der Verhaltensökonomie würden zeigen, dass die Kultur und Führung eines Unternehmens dabei eine entscheidende Rolle spielen würden. Wie müssten diese genau aussehen? Diese «Forschungslücke» solle die Professur füllen.
Für die Credit Suisse wird die Antwort zu spät kommen. Wegen ihrer toxischen Unternehmenskultur hat sie alles Vertrauen verspielt. Es ist allerdings auch fraglich, ob der von der Credit Suisse gesponserte Professor eine Antwort gefunden hat. Denn in der medialen Debatte zum CS-Debakel ist er stillgeblieben. Auf Anfrage reagiert er nicht.
Noch viel weiter geht allerdings die UBS bei der Aushandlung von Namensrechten. Sie finanziert an der Universität Zürich das «UBS Center», das von der UBS-Stiftung gleich selber geführt wird. Auch die Professoren müssen den Namen der Bank im Titel führen. Dafür erhält die Universität 27 Millionen Franken in zehn Jahren.
Wenn dereinst die UBS als Rechtsnachfolgerin die CS-Verträge mit den Hochschulen also übernehmen sollte, könnten harte Nachverhandlungen anstehen.
Das ist ja wohl eine Gefahr für die Schweizer Wirtschaft, wenn noch mehr Studenten die Unternehmenskultur, Geschäftsethik und sozialer Verantwortung der CS erlernen 😂🤦🏻
Ist das für die Banken eigentlich steuertechnisch gleich, ob es als spende pder sponsoring deklariert ist, oder wird hier der Staat um steuern geprellt?