Zwei Monate sind vergangen seit jenem Wochenende im März, an dem das Schicksal der Credit Suisse entschieden wurde. In einer veritablen «Feuerwehrübung» verordnete der Bundesrat im Einklang mit Nationalbank und Finanzmarktaufsicht Finma per Notrecht die Fusion der offenbar kurz vor dem Kollaps stehenden Grossbank mit der UBS.
Es sei nicht einfach gewesen, die CS-Chefs vom Ernst der Lage zu überzeugen, erzählt ein Insider. Bis zuletzt hätten sie sich an die Illusion geklammert, ihre durch massive Abflüsse von Kundengeldern ausgeblutete Bank retten zu können. Am Ende mussten sie sich in das Unvermeidliche fügen. Doch viele Fragen um den Bankendeal bleiben offen.
Schon kurz nach Bekanntgabe an der Medienkonferenz vom 19. März wurde die Einsetzung einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) gefordert. Büro und Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Nationalrats reagierten rasch und sprachen sich grundsätzlich dafür aus, doch die Gremien des Ständerats liessen sich Zeit.
Das liess Befürchtungen aufkommen, es könne kommen wie nach der Rettung der UBS während der Finanzkrise 2008. Damals hatte der Ständerat eine PUK verhindert. Am Montag aber hat sich dessen GPK «grossmehrheitlich» dafür ausgesprochen, wie ihr Präsident, der Zuger FDP-Ständerat Matthias Michel, in der «Tagesschau» sagte.
Am Mittwoch wird sich das Büro des Ständerats mit der PUK befassen, doch der Entscheid dürfte Formsache sein. Danach ist das Parlament am Zug, womöglich schon in der Sommersession. Eine PUK ist sein schärfstes Kontrollinstrument. Ihre Befugnisse gehen deutlich weiter als die der GPK, die sonst für solche Fälle zuständig ist.
So kann die PUK Zeugen vorladen und einvernehmen sowie geheime Unterlagen einsehen. Das ist im konkreten Fall besonders wichtig, denn ein grosser Teil der Dokumente zur CS-Übernahme wird unter Verschluss gehalten. Gesuche von Medien, sie unter Berufung auf das Öffentlichkeitsgesetz einzusehen, wurden von der Verwaltung abgeblockt.
Der Bundesrat beruft sich unter anderem auf Geschäftsgeheimnisse. Doch selbst Sergio Ermotti, der CEO der neuen «Super-UBS», forderte letzte Woche am Swiss Media Forum in Luzern «eine komplette 360-Grad-Untersuchung» zum Niedergang der Credit Suisse. Das dürfte auch die bankenfreundlichen Bürgerlichen im Parlament überzeugt haben.
Ermotti stellt sich eine Untersuchung vor, die lange zurückreicht, also die Skandale und Fehlentscheide umfasst, die das Ende der CS besiegelt hatten. Dabei geht es nicht zuletzt um die Rolle des langjährigen Verwaltungsratspräsidenten Urs Rohner. Ob eine PUK dafür die Kompetenzen und Kapazitäten hat, muss noch definiert werden.
Der Auftrag der PUK müsse knapp umschrieben werden, wie bei früheren Untersuchungen, forderte SP-Co-Präsident Cédric Wermuth gegenüber den Tamedia-Zeitungen. Gleichzeitig müsse er so offen formuliert sein, dass die PUK nicht eingeschränkt werde. Er befindet sich dabei in seltener Eintracht mit SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi, der es gleich sieht.
Mit Sicherheit aber muss sich die PUK mit der Finma beschäftigen und der Frage, ob sie ihre Aufsichtspflicht bei der Credit Suisse in genügendem Umfang wahrgenommen hat. Und ob ihre vorhandenen Instrumente ausreichend sind. Ein wichtiger Punkt ist auch die Rolle von Finanzdepartement und Bundesrat seit dem letzten Oktober.
Gerüchte in den sozialen Medien hatten CS-Kunden zur «Kapitalflucht» veranlasst. Offenbar war man in Bern durchaus alarmiert. Der damalige Finanzminister Ueli Maurer soll eine ausserordentliche Bundesratssitzung erwogen und am Ende doch abgesagt haben. Anscheinend fürchtete er Indiskretionen aus anderen Departementen.
Im Zentrum der PUK-Ermittlungen aber werden die turbulenten Tage im März stehen. Waren Bundesrat, Finma und Nationalbank auf das «Worst Case»-Szenario vorbereitet, zu dem es nach dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank und der Signature Bank in den USA kam? Ausserdem werden diverse Aspekte der Übernahme von Rechtsexperten kritisiert.
Dazu gehört die Frage, ob die Anwendung von Notrecht gerechtfertigt war. Und warum das für solche Fälle geschaffene «Too big to fail»-Gesetz «unbrauchbar» war. Kontrovers diskutiert wird auch die Frage, ob das Nein des Nationalrats zu den Kreditgarantien des Bundes von 109 Milliarden Franken in der ausserordentlichen Session eine Rolle spielt.
Es sind komplexe Fragen, mit denen sich eine CS-PUK beschäftigen muss. Ihr Schlussbericht wird Erkenntnisse liefern im Hinblick auf mögliche künftige Regulierungen. Im Raum stehen etwa Boni-Verbote, höhere Eigenkapital-Vorschriften und zusätzliche Kompetenzen für die Finma. Denn die neue «Monster-UBS» ist erst recht «too big to fail».
Falls das Ständeratsbüro am Mittwoch für die PUK votiert, muss ihr Aufgabenbereich bestimmt werden. Nach einer Zustimmung durch National- und Ständerat sind die Büros erneut am Zug. Sie müssen die personelle Zusammensetzung der Kommission bestimmen, wobei einzig vorgeschrieben ist, dass gleich viele Mitglieder beider Räte vertreten sind.
Ein «Gerangel» könnte es um das Präsidium geben. Grüne und Grünliberale haben ihren Anspruch bereits angemeldet, doch es ist schwer vorstellbar, dass die Bundesratsparteien ihnen diesen Prestigeposten überlassen werden. Obwohl erst viermal eine PUK eingesetzt wurde, erwies sich das Präsidium in zwei Fällen als Sprungbrett für höhere Weihen.
So präsidierte Kurt Furgler (CVP) 1964 die erste PUK überhaupt, die sich mit dem Debakel um die Beschaffung der Mirage-Kampfjets befasste. Ein paar Jahre später war er Bundesrat. Und Moritz Leuenberger (SP) leitete 1989 die PUK zu der nach dem Rücktritt von Elisabeth Kopp aufgeflogenen Fichenaffäre. Ein paar Jahre später war er Bundesrat.
Die CS hat schlicht die lange Leine genutzt, die ihr das Parlament gegeben hat.
Alles eine Farce.