Das Schweizer Bildungssystem erweckt mindestens auf den ersten Blick nicht den Eindruck von Gerechtigkeit. Mit einer gymnasialen Maturitätsquote von 22,6 Prozent liegt unser Land im internationalen Vergleich nach wie vor deutlich im Rückstand. Dementsprechend gering ist mit 15,9 Prozent der Anteil der hiesigen Wohnbevölkerung, der einen universitären Abschluss schafft.
Zählt man zu den rein akademischen Diplomen die höheren Berufsbildungsabschlüsse hinzu, die von der Meisterprüfung bis zur Fachhochschule reichen, kommt die Quote nur leicht über den Durchschnitt der in der OECD zusammengeschlossenen Industrieländer zu stehen. 42,5 Prozent der gesamten Erwerbsbevölkerung in der Schweiz verfügen über einen Bildungsabschluss auf der tertiären Stufe. Für ein Hochlohnland, wie die Schweiz eines ist, kommt das Bildungsniveau eher bescheiden daher.
In Frankreich zum Beispiel beläuft sich die Maturitätsquote auf über 80 Prozent, und weit mehr als die Hälfte der erwerbsfähigen Französinnen und Franzosen können einen tertiären Abschluss vorweisen. Aber die nationalen Bildungssysteme haben immer ihre nationalen Eigenarten und sind deshalb nur sehr schwer über Grenzen hinweg vergleichbar.
Was sich hingegen eindeutig feststellen lässt, ist die Tatsache, dass auch auf der Schweizer Bildungsleiter die jüngeren Generationen im Durchschnitt höher steigen als ihre Vorfahren. Diese sogenannte Bildungsmobilität ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass es in einer Gesellschaft Chancengleichheit geben kann.
Die Frauen haben diesbezüglich gerade eine neue Wegmarke passiert, stellen die beiden Soziologen Richard Nennstiel und Rolf Becker von der Universität Bern in einem aktuellen Aufsatz in der wissenschaftlichen Publikationsreihe «Social Change in Switzerland» fest.
Den Untersuchungen der beiden Wissenschafter zufolge sind die Frauen in puncto Bildungsmobilität inzwischen mit den Männern gleichgezogen. Vorbei sind offensichtlich die Zeiten, in denen sich die Frauen mit dem Verrichten unbezahlter Hausarbeit begnügen mussten und deshalb auch keine höhere Bildung zugestanden erhielten.
Unabhängig vom Geschlecht haben nun auch in der Schweiz mehr als 50 Prozent der in der Zeit von 1986 bis 1990 geborenen Frauen und Männer einen Tertiärabschluss erreicht und das Bildungsniveau ihrer direkten Vorfahren damit übertroffen. Nennstiel und Becker stützen die Befunde ihrer Untersuchung auf die eindrückliche Zahl von einer halben Million Bildungsabschlüssen, die sie mit jenen der Elterngeneration verglichen haben.
Zu ähnlichen Schlüssen gelangte kürzlich auch der an der Universität von Genf tätige Soziologe Philippe Wanner bei der Bildungsmobilität von Personen mit Migrationshintergrund. Migrantenkinder erreichen im Mittel ein höheres Bildungsniveau als ihre Eltern, und die Secondos klettern die Bildungsleiter nicht langsamer hoch als die Einheimischen.
Rein statistisch stelle der Migrationshintergrund deshalb keinen Nachteil für die jüngeren Generationen von Secondos im Bildungswettbewerb mit den Einheimischen dar, konstatierte Wanner – ohne allerdings zu unterschlagen, dass der Zugang zu tertiärer Bildung für Kinder aus Deutschland, Frankreich, Spanien, Portugal und Italien wesentlich besser ist als für Kinder, die aus den Balkanländern stammen.
Das heisst: Die Chancengleichheit hat zugenommen. Gleichzeitig ist der Weg dahin auch fordernd. Was die Immatrikulationszahlen an den höheren Schweizer Bildungsinstitutionen eigentlich schon längst anzeigen, wird nun auch statistisch untermauert: Wer in der Schweiz lebt und arbeitet, muss sich schon in jungen Jahren in der Ausbildung sputen. Das Land, das in Bezug auf das Preisniveau zu den teuersten der Welt gehört, lässt der Bevölkerung wenig Zeit für Müssiggang. Aber wie erwähnt, ist der Trend zu höheren Bildungsabschlüssen der tertiären Stufe kein schweizerisches Phänomen.
In vielen Ländern ist die Gesellschaft auf dem Pfad dieser Bildungsexpansion schon deutlich weiter als in der Schweiz. Erstaunlich ist diese Erscheinung vor allem deshalb, weil selbst in Ländern mit einer vergleichsweise hohen Bildungsexpansion die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt auf eine Polarisierung hinweisen.
Während Stellen im mittleren Qualifikationsbereich – wie etwa Buchhalter, Sachbearbeiter oder Maschinisten – zunehmend ausradiert werden, wächst vielerorts ein grosser Tieflohnsektor heran, in dem offenbar nicht nur unqualifiziertes Personal landet. Es lohnt sich deshalb, nicht nur die Verteilung von Bildung an sich anzuschauen, sondern auch den ökonomischen Wert dieser Bildung genauer unter die Lupe zu nehmen.
Ökonomisch oder finanziell messbar wird der Wert von Bildung durch einen Vergleich der Bildungsmobilität mit der Einkommensmobilität. Letztere fällt für die Schweiz äusserst günstig aus, wie Reto Föllmi, Wirtschaftsprofessor an der Universität St. Gallen feststellt: «Die Einkommensmobilität in der Schweiz ist im internationalen Vergleich sehr hoch.» Föllmi stützt seine Aussage auf eine stark beachtete Untersuchung, welche die beiden Forscher Caroline und Patrick Chuard 2021 an der Hochschule St. Gallen durchgeführt hatten.
Die Analyse der AHV-basierten Einkommensdaten von fast einer Million Erwerbstätigen zeigt zum Beispiel, dass die Einkommensmobilität zwischen den Generationen in der Schweiz mehr als doppelt so hoch ist wie in den USA. Ein Kind, dessen Eltern in einer virtuellen Einkommensrangliste auf dem vordersten Platz (Position 100) waren, landet nach den Berechnungen der Forscher mit der höchsten Wahrscheinlichkeit nur noch im oberen Mittelfeld (Rang 57). Umgekehrt haben Kinder aus der tiefsten Einkommensschicht die grösste Chance, im unteren Mittelfeld (Rang 43) zu landen.
Der finanziell diametral unterschiedliche familiäre Hintergrund trennt die Vertreter der nächsten Generation also nur noch um 14 Ränge oder um zwei mittlere Monatslöhne. Im Land des «American Dream» bleiben die Einkommensschichten auch in der zweiten Generation ganze 34 Ränge weit auseinander. Selbst in Schweden, einem Land, das traditionell sehr grossen Wert auf Ausgleich legt, hinterlässt die familiäre Herkunft auch in der zweiten Generation einen breiteren Einkommensgraben als in der Schweiz.
Ebenso zeigt die Statistik, dass die Wahrscheinlichkeit, eine Tellerwäscher-Karriere zu schaffen, das heisst, in einem Leben von der untersten in die oberste Einkommensschicht aufzusteigen, in der Schweiz rund 30 Prozent grösser ist als in den USA. Und nicht zuletzt zeigt die Statistik, dass Secondos eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, ihre finanzielle Position im Vergleich zu den eigenen Eltern zu verbessern als Einheimische. Auch dieser Wert sticht im internationalen Vergleich heraus und ist vermutlich mit ein Grund für hohe Attraktivität der Schweiz als Einwanderungsland.
Föllmi erklärt die positiven Befunde mit dem Argument, dass tertiäre Bildungsabschlüsse in der Schweiz mehrheitlich und viel häufiger als in anderen Ländern aus höheren Berufsausbildungen und weniger aus der universitären Hochschulbildung hervorgehen. «Das duale Bildungssystem sorgt dafür, dass sich Angebot und Nachfrage im Bildungsbereich schneller an die Gegebenheiten im Arbeitsmarkt anpassen können», sagt der Professor.
Auf die Frage, was das hiesige Bildungssystem auf die ökonomische Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern leistet, hält die Wissenschaft allerdings noch keine eindeutige Antwort bereit. Zwar sind die Frauen bezüglich Bildungsniveau nicht mehr im Rückstand gegenüber den Männern.
Dennoch haben Männer gemäss der St.Galler Studie noch immer eine dreimal höhere Wahrscheinlichkeit als Frauen, von ganz unten in der Einkommensverteilung nach ganz oben zu gelangen. Zwar übertreffen 74 Prozent der Frauen aus jüngeren Generationen die Einkommen ihrer Mütter. Aber nur 18 Prozent schaffen es, ihre Väter zu übertrumpfen.
Ein wichtiger Grund ist zweifellos die Tatsache, dass der Anteil der Frauen mit einem Teilzeitpensum zwischen 50 Prozent und 90 Prozent in der Schweiz immer noch dreimal höher ist als bei den Männern. Noch gibt es aber keine zuverlässigen Untersuchungen dafür, ob die von Frauen gewählten höheren Bildungswege ökonomisch den gleichen Wert besitzen wie jene der Männer. Es gibt das Klischee von den höheren Töchtern, die das Vermögen ihrer Eltern mit vermeintlich brotlosen Studien wie Kunstgeschichte verprassen.
Es wäre gut, wenn die Wissenschaft den Stammtisch auch in dieser Frage bald mit belastbaren Fakten bereichern könnte. (aargauerzeitung.ch)
Wir haben uns, trotz Einkommenseinbussen, entschieden, diese Aufzuteilen, 50% / 50%. Mein damaliger Chef stellte sich quer und wollte nicht akzeptieren, dass ich ab dato Geburt, mein Pensum verringere. Erst nachdem ich ihn vor die Wahl stellte, ich künde oder sie willigen ein, kam er mir entgegen.
Wir Männer müssen einfach mehr Verantwortung in diesem Bereich übernehmen und ….