Welches Wissen existiert zu meiner Person? Vor gut drei Jahren fing ich an, mir die Frage ein bisschen systematischer zu stellen. Ich wusste, dass es Firmen und «Datenkraken» gibt, die alles Mögliche über mich sammeln. Doch was genau da war, blieb mir unbekannt. 2018 änderte ich dies: Ich fing an nachzufragen, wer was über mich weiss. Geholfen hat mir das schweizerische Datenschutzgesetz, das mir erlaubt, von jeder Firma Auskunft über meine Daten zu verlangen.
Aus dieser Neugierde wurde über die Monate ein Projekt, das ganze Bundesordner füllte. Nach Migros, Coop, Swisscom und Co., kamen Bundesämter, Facebook und Instagram hinzu – bis ich schliesslich herausfand, woher Firmen wie die «Weltwoche» meine Adresse hatten, um mir personalisierte Postwerbung zu schicken. Und ich stolperte über lustige Dinge in meiner Biografie, an die ich mich erst dank fremden Datensammlungen erinnern konnte.
Eine Selbstrecherche, die nun alle ganz einfach selbst machen können. Details dazu gibts am Ende der Story.
So zeigte mir die rund 34-seitige Antwort der Swisscom etwa auf, wann ich welchen Vertrag abgeschlossen habe und welche Vertragsmutation ich verlangte. Schön belegt durch firmeninterne Notizen – aber auch mit Scans von Verträgen, darunter auch von meinem allerersten Handy: einem Nokia 5310.
Bei den internen Notizen war alles vermerkt. So etwa, dass ich 2011 an einem Donnerstagabend mich über mein iPhone beschwerte. «Lautlosknopf hat Wackelkontakt. Bitte Gesamtkontrolle», so der Protokolleintrag des Swisscom-Angestellten. Der kurze Satz erinnerte mich daran, wie ich als Kantischüler nachsitzen durfte, weil mein vermeintlich lautloses Handy im Unterricht klingelte …
Die Post lieferte ein rund 200-seitiges (!) Dokument, wo alle Verträge, Korrespondenzen, Auszüge und Briefe drin waren. Alle. Die Post führte so akribisch genau und fast schon beängstigend gut die Datensammlung über mich, dass ich dort sogar ein Foto von meinem 8-jährigen «Ich» fand. Dies, weil die Postfinance alle meine Passport- und Identitätskarten-Kopien digital abgespeichert hatte.
Beängstigend – und diesmal ernst gemeint – wurde es, als das Inkasso-Büro Intrum meine Daten schickte. Ihr Auszug war wenige Seiten lang und führte oberflächlich aus, wieso meine Bonität als «hoch» eingeschätzt wird, obwohl ich Jahre zuvor auch schon mal eine Rechnung bisschen zu spät bezahlt habe.
Der Auszug enthielt nicht nur die Basics wie «Adresshistorie», sondern auch einen Google-Maps-Screenshot meiner damaligen Wohnadresse. Mir war zunächst nicht ganz klar, wieso Mitarbeitende des Inkasso-Büros wissen müssen, wie es bei mir zu Hause aussieht. Ein Bekannter lieferte später eine glaubhafte Vermutung: «So sehen die, ob du einen Pool hast!»
Und dann gabs auch die Firmen, die mit «Vorurteilen» arbeiten. Personen mit Migrationshintergrund wissen, was ich meine: Es gibt Unternehmen, die rufen zu Hause an und versuchen mir in meiner vermeintlichen Muttersprache Versicherungen für mein Auto anzudrehen.
Solche «Vorurteile» mögen zwar in der Werbebranche gang und gäbe sein. Sie werden anhand von «statistischen Methoden» generiert und ergeben ab und zu durchaus Sinn: So liegt es auf der Hand, dass am Zürichberg eher reichere Leute wohnen. Manchmal sind sie aber so falsch, dass es wieder lustig wirkt. So schätzte mich eine Firma als «Single» mit «slawischem» Vornamen ein. Zudem wurde vermutet, dass ich einen «Kleinwagen» fahre. Ich war damals glücklich vergeben und bin bis heute glücklicher Velofahrer.
Die Auskunft beim Direktmarketing-Unternehmen Künzler Bachmann zeigte mir zudem auf, warum gewisse Firmen wie die «Weltwoche» personalisierte Werbepost verschicken können: Sie kaufen sich diese ganz einfach. Künzler Bachmann war nur ein Adresshändler unter vielen – er zeigte aber transparent auf, wem er meine Daten verkauft hatte.
Mein kleines Recherche-Projekt dauerte mehrere Monate, weil ich zuerst überhaupt herausfinden musste, wer alles Daten über mich sammeln könnte. Seit heute ist das für alle einfacher möglich: Der Verein «Digitale Gesellschaft» hat einen Online-Generator lanciert, mit dem verschiedene Arten von Auskunftsbegehren mit wenigen Mausklicks erstellt werden können.
» Hier gehts zum Online-Generator
Der Verein hat den Generator so konzipiert, dass er gar keine User-Daten speichern muss und die Briefvorlagen direkt im Browser generiert. «Wir gehen mit gutem Beispiel voran und setzen zu 100 Prozent auf ‹Privacy by Design›», lässt sich Erik Schönenberger, Geschäftsleiter der Digitalen Gesellschaft und Leiter des Projekts, in einer Medienmitteilung zitieren. Das Projekt ist open source, der Programmcode wurde auf Github veröffentlicht.