Operation geglückt, Patient tot. So könnte man etwas sarkastisch den Hauptbefund der PUK zusammenfassen: Die Bundesbehörden haben ihr Bestes gegeben. Sie haben in der CS-Krise zwar Fehler gemacht. Aber diese waren «nicht kausal» für das Ende der Bank – ursächlich für den Hinschied der Credit Suisse sind deren Management und Verwaltungsrat.
Dass die Operation aus Sicht der Untersuchungskommission letztlich gelungen ist, schliesst diese aus folgender Feststellung: Mit einer privatwirtschaftlichen Lösung konnte der Finanzplatz Schweiz vor Schaden bewahrt und eine globale Finanzkrise abgewendet werden. Diese privatwirtschaftliche Lösung war die Notübernahme der CS durch die UBS.
Die CS-Krise hörte also nicht auf wie bei Dürrenmatt, für den galt: «Eine Geschichte ist erst zu Ende gedacht, wenn sie ihre schlimmstmögliche Wendung genommen hat.» Die schlimmstmögliche Wendung wäre ein unkontrollierter Untergang der CS gewesen.
Wühlt man sich durch den 569 Seiten starken PUK-Bericht, wird klar: Wie das Drama enden würde, haben sich die tonangebenden Behörden und auch die UBS schon sehr früh ausgedacht. Alles lief auf den Kauf der zweitgrössten Bank durch die grösste Bank der Schweiz hinaus.
Das zeigt sich etwa bei einem Treffen, das offiziell gar nie stattgefunden hat, im PUK-Bericht aber erwähnt ist. Im Oktober 2022 stecken zwei Männer ihre Köpfe zusammen. In sicherer Distanz zu Paradeplatz und Bundeshaus, gut 6600 Kilometer entfernt: In Washington sucht Nationalbank-Chef Thomas Jordan das Gespräch mit UBS-Verwaltungsratspräsident Colm Kelleher. Er will wissen, ob er im Notfall die kriselnde Credit Suisse übernehmen würde.
Jordan konnte mit der Antwort zufrieden sein. Kelleher habe ihm die Bereitschaft der UBS «signalisiert», sollte ein solcher Schritt für die Finanzstabilität und den Schweizer Finanzplatz nötig werden. So formuliert es der PUK-Bericht. Protokolliert wurde das damalige Gespräch nicht.
In diesem heissen Oktober wurden an zahlreichen formellen und vor allem informellen Treffen die Pflöcke eingeschlagen, was rund fünf Monate später zur Zwangsübernahme der Credit Suisse durch die UBS führen sollte. Behördenintern lief der Plan unter dem Namen «Como».
Die PUK listet in ihrem Bericht weitere sechs sogenannte «Non-Meetings» auf. Zum festen Kern dieser Geheimtreffen gehören Jordan, Maurer und CS-Präsident Axel Lehmann. Was erstaunen mag: Marlene Amstad, die Präsidentin der Finanzmarktaufsicht (Finma), ist nur teilweise dabei.
Deren Absenz erklärt Maurer damit, dass man sich so «einen besseren Zugang» zu Lehmann erhofft habe. Der CS-Präsident war alles andere als gut auf die Finma zu sprechen, wie aus den Debriefing-Notizen vom 4. Dezember der Nationalbank hervorgeht. Amstad hingegen hält gegenüber der PUK fest, dass die «mangelnde Verbindlichkeit» der Treffen «aus ihrer Sicht» dazu führte, dass sich CS-Präsident Lehmann «in seiner unrealistischen Einschätzung eher bestätigt fühlte».
Ganz aussen vor bleiben Maurers Regierungskollegen. Erstmals im Bundesrat diskutiert wird die CS-Krise am 24. August. Was genau Maurer, der seit 2016 dem Finanzdepartement vorsteht, den anderen Regierungsmitgliedern sagt, war für die PUK nicht zu eruieren. Die Information sei «sehr knapp» ausgefallen, die Situation der CS aber als stabil befunden worden. Selbst zwei Monate später, am 26. Oktober, versichert Maurer dem Gremium, dass die Bank ihre Probleme mit der geplanten Restrukturierung selbst lösen können sollte.
Ein höchst zweifelhafter Befund. Denn die CS erlebt im Oktober einen Bankrun, den es bis dahin weltweit noch nie gegeben hat. 100 Milliarden Franken haben die Kunden innert eines einzigen Monats abgezogen. Maurers und Jordans Antwort darauf waren die eingangs erwähnten Non-Meetings mit Kelleher. Mehr nicht.
Mitte Dezember spricht Maurer der Credit Suisse öffentlich in einem SRF-Interview sein Vertrauen aus. Ganz so, wie er und Jordan es zuvor Lehmann in einem Geheimtreffen versprochen hatten. Maurer sagte, die Bank habe eine Reihe von guten Massnahmen beschlossen und ein Management, das diese auch effizient und sehr sparsam einsetze: «Ich bin der Meinung, dass die CS die Kurve schaffen wird ... Man muss sie jetzt einfach ein Jahr oder zwei in Ruhe lassen.» Maurer wollte so die Lage beruhigen.
Anders als Jordan und Amstad hielt Maurer es aber nicht für nötig, die Informationen aus den Geheimtreffen mit Lehmann an eine Person in seinem Departement weiterzugeben – wie es eigentlich abgemacht war. Selbst nachdem er am 2. November in einer Bundesratssitzung seine Regierungskollegen völlig überrumpelt und erstmals Notrecht zur Rettung der Bank in Betracht gezogen hatte, machte er noch am gleichen Tag einen Rückzieher und sagte eine bereits beschlossene ausserordentliche Bundesratssitzung für den übernächsten Tag ab.
Pikant: Die Absage erfolgte, nachdem sich CS-Präsident Lehmann gegen Staatshilfe ausgesprochen hatte. Aus Sicht von Maurer war damit auch keine Sitzung mehr nötig. Er fürchtete das Risiko von Indiskretionen, wie sie während der Coronapandemie geschahen. Maurer war mit dieser Angst nicht allein. Ein weiteres Bundesratsmitglied bezeichnete gegenüber der PUK «das generelle Klima im Bundesrat auch im Herbst 2022 noch belastet»: Das Risiko von Indiskretionen sei als sehr hoch einzuschätzen und Maurers Zurückhaltung bei schriftlichen Informationen daher «plausibel» gewesen.
Trotzdem kritisiert die PUK dieses Verhalten. Und nicht nur bei Maurer: «Mangelnde Sensibilität» wirft der Bericht auch der Nationalbank und der Finma vor, weil die beiden Behörden es im Frühling und Sommer 2022 nicht für nötig hielten, den Finanzminister auf dem Laufenden zu halten.
Das Jahr ging zu Ende und mit ihm die Amtszeit des Finanzministers. Maurer bereitete seine Nachfolgerin Karin Keller-Sutter gemäss mehreren von der PUK angehörten Personen nur mangelhaft auf ihren neuen Job vor. Laut Keller-Sutter lehnte er etwa ein von Finma-Präsidentin Amstad erbetenes Treffen mit ihr ebenso ab wie ein von der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen, Daniela Stoffel, «dringend» verlangtes Dreier-Meeting.
Maurer verteidigt sich gegenüber der PUK mit der Aussage, dass Keller-Sutter es seiner Meinung nach habe langsamer angehen wollen und «noch Ferien bezogen» habe. Was diese laut Bericht vehement bestreitet: Wie andere Treffen beweisen würden, habe sie mitnichten Ferien gemacht, sondern Akten zu den aktuellen Geschäften des Finanzdepartements studiert. Zur CS, das gab die Bundesrätin auch zu Protokoll, musste sie nichts lesen: Maurer habe ihr kein einziges Schriftstück zur Krisenbank übergeben.
Zwischen Weihnachten und Neujahr wird es nochmals hektisch. Es ist Finma-Präsidentin Amstad, die am 28. Dezember Alarm schlägt bei SNB-Chef Jordan und Noch-Finanzminister Maurer. Denn die Cash-Positionen der Credit Suisse lagen «im einstelligen Milliardenbereich». Es droht ein Zahlungsausfall mit Dominoeffekt, die CS könnte Liquiditätsspritzen von der Nationalbank benötigen. Amstad wurde vom Finma-Krisenstab informiert, weil der eigentliche Ansprechpartner, Finma-Direktor Urban Angehrn, «unfallbedingt nicht zur Verfügung stand», wie dem PUK-Bericht zu entnehmen ist. Tags darauf findet ein letztes Spitzentreffen von Maurer, Jordan, Amstad mit CS-Präsident Lehmann statt.
Es ist eines, das nicht folgenlos bleiben sollte. Auf Befehl von Finma-Präsidentin Amstad muss die Krisenbank nun bis zum 4. Januar 2023 verbindlich Folgendes tun: Eine Liste mit fünf plausiblen CS-Käufern liefern; einen Datenraum errichten, also eine Art virtuelles Sündenregister, sodass sich ein möglicher Käufer einen Überblick über alle heiklen Elemente in den CS-Büchern machen kann; und die CS muss alles vorbereiten, dass eine Übernahme durch die UBS am 27. Januar verkündet werden könnte.
Bis anhin hat die CS mehr oder weniger alle behördlichen Auflagen und Empfehlungen ignoriert. Maurer hatte bereits im Oktober den Eindruck, «dass sich der Verwaltungsrat der UBS ausführlicher als die CS selbst mit der Übernahme der CS auseinandergesetzt hatte», heisst es im Bericht.
Mit dem Amtsantritt Keller-Sutter ändert sich der Umgang mit der CS. Ab der Sitzung vom 11. Januar wird der Bundesrat regelmässig und zum Teil auch schriftlich über den Stand der Dinge und die Vorbereitungsarbeiten informiert.
Spätestens jetzt war für die CS-Manager fertig lustig. Die PUK «bedauert», dass die Finma bei der Credit Suisse nicht früher stärker durchgegriffen hat – etwa indem sie einzelnen CS-Managern die Gewähr entzogen hätte, was einem Berufsverbot gleichgekommen wäre.
Alarmzeichen hatte es längst gegeben. So musste die CS zwischen 2012 und 2022 über 11 Milliarden Franken für Bussen, Vergleiche oder Schadenersatz bezahlen. Gleichzeitig schüttete die CS Jahr für Jahr Boni im Wert zwischen 1 und 5 Milliarden Franken aus. Insgesamt beliefen sich diese variablen Vergütungen auf 31,7 Milliarden Franken. Im gleichen Zeitraum ergab die Summe der Jahresergebnisse einen Gesamtverlust von 32,3 Milliarden Franken. Die Finma liess die CS weitgehend gewähren.
Die PUK liess folgende Credit-Suisse-Verantwortlichen zur Befragung antraben:
Sie alle wurden befragt, aber dabei ging es vor allem darum, Informationen zum Verhalten der Behörden zu erhalten.
Was der PUK-Bericht dabei besonders scharf kritisiert: die Ausnahmen, welche die Finma der CS beim Eigenkapital gewährt hat. Dabei fällt ein Wort immer und immer wieder: der «Filter». Wie sich zeigt, dürfte es sich hier sogar um den folgenschwersten Fehler handeln, den die PUK bei den Behörden gefunden hat. Worum geht's?
Der «regulatorische Filter» war eine Hilfskonstruktion, um der CS zu helfen, sich an die neue Rechnungslegung der revidierten Bankenregulierung anzupassen. Doch letztlich trübte der Filter den Blick auf den Gesundheitszustand der Credit Suisse.
Der 2017 eingeführte Filter ist laut PUK zwar rechtmässig, aber nicht zweckmässig. Und er «wirkte deutlich stärker als ursprünglich angenommen». Bei seiner Konzeption wurde der Effekt des Filters von der Finma auf 8 Milliarden Franken geschätzt. Eine totale Fehlkalkulation, wie sich zeigen sollte. Bei seiner erstmaligen Anwendung per Ende 2019 wies die CS dafür 15,3 Milliarden Franken aus. Schlimmer noch: Ab 2021, so der PUK-Befund, wäre das Stammhaus der Credit Suisse «ohne Filter ab 2021 leicht und ab 2022 klar unterkapitalisiert gewesen».
Mit dem PUK-Bericht rückt Mark Branson in den Fokus, der die Finma von April 2014 bis Ende 2021 als Direktor geleitet hat. Unter seiner Ägide wurde der Filter gewährt und umgesetzt. Er wehrt sich, indem er betont, dass der Verwaltungsrat der Finma «quartalsweise» informiert worden sei. Gemäss der heutigen Finma-Präsidentin Amstad hingegen wurde der Verwaltungsrat «nicht ausreichend über die Existenz und die Folgen des regulatorischen Filters informiert». Erstmals seien «die Quantifizierung und die Auswirkungen des Filters dem Verwaltungsrat» 2022 präsentiert worden, also unter Bransons Nachfolger Urban Angehrn. Die PUK stützt mit Verweis auf die Verwaltungsratsprotokolle diese Ansicht.
Kritisch reagierte auch die Nationalbank auf die negativen Folgen des regulatorischen Filters. «Die CS sei aufgrund knapper Kapitalisierung, fehlenden Marktvertrauens und negativer Profitabilität in einen Teufelskreis geraten», hielt sie am Treffen mit der Finma vom 6. Dezember fest. Die «knappe Kapitalisierung» des Stammhauses «verhindert» den Abbau von Risiken. Ein Punkt, den die PUK «umso bemerkenswerter» findet, als das Stammhaus per Ende 2022 vom regulatorischen Filter in der Höhe von 14,5 Milliarden Franken profitierte. Diese Summe stellte fast die Hälfte der regulatorisch ausgewiesenen Eigenmittel des Stammhauses dar.
Missmanagement bei der CS über viele Jahre hinweg, regulatorische Fehler, eine lange Zeit lasche Finma und dann in der akuten Krise auch eine mangelhafte Koordination zwischen den Bundesbehörden: So steuerte die CS auf den Eisberg zu.
An den dramatischen vier Tagen vom 16. bis zum 19. März scheint es allen Involvierten klar gewesen zu sein, dass das Drama in der Notübernahme durch die UBS enden würde. Fast allen: Ausgerechnet die CS-Chefs begriffen die Lage nicht einmal am Sonntagmorgen, 19. März, weniger als zwölf Stunden vor der Kommunikation des UBS-Deals. Im PUK-Bericht heisst es:
Amtlich protokollierter Realitätsverlust also. Im Titanic-Film spielen die Musiker seelenruhig weiter, während Fenster zerspringen und das Schiff auseinanderbricht. Die Musiker wissen um ihr Schicksal, während die CS-Chefs ihren eigenen Untergang bis zuletzt nicht wahrhaben wollen. Statt «näher, mein Gott, zu dir» wie im Film ging es hier einfach näher zur UBS.
Effektiv war die Bank da schon seit zwei Tagen klinisch tot. Am 17. März erhielt die Credit Suisse kurz vor 15 Uhr eine Meldung der Euroclear Bank, wonach die CS mit sofortiger Wirkung nicht mehr als «Cash Correspondent» für den Schweizer Franken gelte. Geldtransfers müssten fortan über die UBS laufen, hiess es in der Meldung, wie die PUK schreibt.
Es ist rückblickend der Swissair-Moment der Credit Suisse: Das Ende der Airline war besiegelt, als die internationalen Flughäfen die Swissair-Flugzeuge nur noch gegen Barzahlung betankten. 22 Jahre nach der Swissair traf es nun ein zweites nationales Symbol, das den Namen Schweiz trug.
Und so kam es, wie es kommen musste. Die UBS übernahm die CS. Zwar hat die Finma bis zuletzt am Sanierungsplan gearbeitet. Und das durchaus ernsthaft: Sie fragte gar Sergio Ermotti als neuen CS-Verwaltungsratspräsidenten an. Doch die UBS-Lösung war von Anfang an die präferierte Option der Beteiligten – mit wohl einer bemerkenswerten Ausnahme, wie dem PUK-Bericht zu entnehmen ist.
Der damalige Vize und heutige Nationalbank-Chef Martin Schlegel hat sich für eine Verstaatlichung der CS ausgesprochen. Das jedenfalls hat Michael Schöll, Chef des Bundesamtes für Justiz, der PUK erzählt. Er verwies dabei auf Aussagen eines Spitzenbeamten in der Finanzverwaltung. Schlegel ziehe die Verstaatlichung der CS einem Zusammenschluss mit einer anderen Bank oder einer Abwicklung vor.
Die PUK verfügt gemäss eigenen Angaben «aus Anhörungen über weitere Hinweise, die darauf deuten, dass der Vizepräsident der SNB die temporäre Verstaatlichung lange für die geeignetere Lösung zur Sicherstellung der Finanzstabilität hielt». Schlegel selbst äussert sich im Bericht nicht dazu.
Aber Präsident war damals eben Thomas Jordan, und Finanzministerin war Karin Keller-Sutter, und beide drückten auf den CS-UBS-Deal.
Wäre die Geschichte anders ausgegangen, wenn Martin Schlegel Nationalbank-Präsident gewesen wäre, und – beispielsweise – Alain Berset Finanzminister? Hätte es dann eine staatliche CS neben der UBS gegeben und somit keine «Monsterbank»? Mit solchen hypothetischen Fragen befasst sich eine PUK nicht, aber das Gedankenspiel ist trotzdem interessant. Die UBS hat die CS-Übernahme nicht gesucht. Die Finanzministerin und der Nationalbankchef wirkten mit aller Kraft darauf hin, mit Notrecht.
Die Schweiz mag direktdemokratisch sein, aber in jenen dramatischen Tagen entschied ein äusserst kleiner Behördenkreis, dass die Schweiz nur noch eine Grossbank haben soll. (aargauerzeitung.ch/lyn)
SNB und Bundesrat Maurer verhandelten vorher in nicht offiziellen Treffen (geheim und ohne Absprache oder Aufzeichnungen) mit der Ubs und dann der CS das Szenario. Die Aufsichtsbehörde und der restliche Bundesrat wurden weitgehend aussen vor gelassen.
Das Risiko für den Steuerzahler war extrem und ist jetzt mit der riesigen UBS nicht besser.
Kurz gesagt.
Wie bei der Swissair oder dem Bundesanwalt.
Hinterzimmerpolitik und Alleingänge at its best.
Niemand kann heute wirklich feststellen was genau besprochen wurde.
Einer SNB und eines Bundesrates nicht würdig.