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Tetris soll bei Trauma nach der Geburt helfen – sagt Schweizer Studie

Geburt
Geburten können belastend und traumatisierend sein: Die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist dabei ein klassisches Krankheitsbild.Bild: shutterstock

Tetris soll bei Trauma nach der Geburt helfen – sagt diese Schweizer Studie

Das Spiel Tetris soll traumatisierten Müttern helfen, Flashbacks an die Geburt zu reduzieren. Das haben Forschende der Universität Lausanne herausgefunden. Ihre Studie soll nun mit rund 757'000 Franken unterstützt und weitergeführt werden.
20.02.2022, 14:1621.02.2022, 15:13
Vanessa Hann
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Dieser Artikel thematisiert post-traumatische Belastungsstörungen nach der Geburt. Für Betroffene könnte der Inhalt möglicherweise retraumatisierend sein.

Die Geburt ist ein einzigartiges Erlebnis. Leider kann sie auch schmerzhaft und traumatisierend sein. Eine Folge davon sind posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS), die sich beispielsweise durch unangenehme Erinnerungen an die Geburt äussern. Forschende der Universität Lausanne haben nun eine Therapie für betroffene Frauen entwickelt. Das teilte die Hochschulleitung am Dienstag mit.

Die Therapie der westschweizer Forschenden enthält ein bekanntes Computerspiel: Als Erstes erzählen die Frauen in der Sitzung von der schmerzhaften Erinnerungen an die Geburt und danach spielen sie eine Runde Tetris. «Um ehrlich zu sein, als ich Tetris gespielt habe, habe ich nicht wirklich an eine Wirkung geglaubt», wird eine Teilnehmerin zitiert. «Jetzt habe ich keine Albträume mehr, keine Flashbacks, keine Angstzustände. Bei mir hat es also sehr gut funktioniert».

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Tetris ist der Klassiker unter den Computer-Spielen.Bild: giphy

Die Studie ist nocht nicht peer-reviewed, also von anderen Forschenden auf ihre Qualität begutachtet. Ausserdem wurde die Therapie erst mit 18 Frauen getestet. Jedoch soll sie nun in einem grösseren Rahmen weitergeführt werden: Der Schweizerische Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNF) unterstützt das Projekt mit rund 757'000 Franken. Neben der Tetris-Studie gehören andere Untersuchungen über Stressreaktionen nach traumatischen Geburten zum Forschungs-Dossier.

4 Prozent leiden an «Birth-Flashbacks»

Die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist ein bekanntes Krankheitsbild. Rund vier Prozent der Frauen entwickeln nach der Geburt entsprechende Symptome. Dazu zählen Schlafstörungen, Wutausbrüche, dauernde Angespanntheit oder sogenannte «Birth-Flashbacks»: schmerzhafte Bilder an die Geburt, die immer wieder im Kopf auftauchen, wie der Anblick des toten Babys.

Problematisch seien besonders die falschen Vorstellungen der Geburt, sagt die Psychologin Almut Dorn gegenüber der deutschen Wochenzeitung «Die Zeit». Viele Frauen würden sich im Internet über Geburtsmethoden informieren und daraus eine Wunschliste zusammenstellen. «Jede Vorbereitung impliziert, dass man eine Geburt in irgendeiner Form üben kann – und das ist ein Trugschluss.»

Genau dieses Dilemma sei die Herausforderung von Geburtsvorbereitungskursen: «Frauen dabei zu helfen, sich gut vorbereitet zu fühlen, aber zugleich dafür zu sorgen, dass sie offen bleiben für all das Unberechenbare, was eine Geburt mit sich bringt.» Dorn wünsche sich, dass jede Geburt noch in der Klinik nachbesprochen wird. In ihrer Praxis lasse sie betroffene Frauen als Erstes einen Geburtsbericht schreiben.

Tetris soll das Einnisten der Bilder verhindern

Aktuell gebe es nur wenige Behandlungsmöglichkeiten für betroffene Mütter, schreibt das Forscherteam der Universität Lausanne. «Wir glauben, dass eine visuell-räumliche Aufgabe wie Tetris verhindert, dass sich traumatische Bilder der Flashbacks im Gedächtnis verfestigen und dann ungewollt im Kopf auftauchen», erklären Antje Horsch und Camille Deforges, die an der Studie massgeblich beteiligt waren.

Ganz neu ist diese Vermutung nicht: Ältere Studien konnten die therapeutische Wirkung des Computerspiels bereits aufzeigen. So bestand eine Untersuchung im Jahr 2018 darin, dass Betroffene eine traumatische Erinnerung beschrieben und danach 25 Minuten lang Tetris spielten. Die Flashbacks hätten sich darauf markant verbessert.

Auch die Pilotstudie der Universität Lausanne ergab, dass die Birth-Flashbacks nach der Therapie um über 80 Prozent zurückgingen.

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18 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Gutemine
20.02.2022 21:13registriert Juli 2018
"Dorn wünsche sich, dass jede Geburt noch in der Klinik nachbesprochen wird."
Meine Klinik bot (und bietet immer noch) den Frauen an, zu einer Geburts-Besprechung zu kommen nach 3-4 Wochen. Dabei ist die Hebamme, welche die Geburt geleitet hat, und das Gespräch findet wenn immer möglich und gewünscht im Geburtszimmer statt, in welchem auch die Geburt stattfand. Ich konnte bis zu diesem Gespräch niemandem von der Geburt erzählen, ohne einen Weinkrampf zu kriegen. Das Gespräch, die Einsicht ins Protokoll, die Erläuterungen der Hebamme haben mir geholfen, bis dahin Unverstandenes einzuordnen.
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Garp
20.02.2022 15:13registriert August 2018
Wurde auch schon für andere Traumata untersucht und kann hilfreich sein.
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