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9 verblüffende Technik-Fakten über die Schweiz

9 verblüffende Technik-Fakten über die Schweiz

Vom Schraubenzieher mit Vanillegeschmack über eine Brücke aus Glacestängeli bis zur Fischerei-Revolution, die für rote Köpfe sorgt.
12.09.2024, 11:0612.09.2024, 14:03
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Ein Schweizer Schraubenzieher mit Vanillegeschmack hat die Welt erobert

Technische Zeichung Schraubenzieher, PB Swiss Tools.
Technische Zeichnung, 1953.Bild: PB Swiss Tools

Die Schraubenzieher von PB Swiss Tools aus dem Emmental werden überall auf dem Globus genutzt. Angefangen hat das Familienunternehmen als kleiner Handwerkerbetrieb. Das erste Produkt, das ab 1905 in Serie hergestellt wurde, waren Mausefallen.

Auch heute wird in der Schweiz produziert, der KMU-Betrieb beschäftigt 200 Angestellte und verkauft unglaubliche 12’000’000 Werkzeuge pro Jahr.

Der legendäre rote Kunststoff-Griff ist nicht aus Erdöl, sondern aus Holz, sogenanntem Celluloseacetat. Haken: Wenn dieses Material lange in einer Schublade oder Werkzeugkiste liegt, bildet sich ein sehr unangenehmer Geruch, wie nach Erbrochenem. Seit vielen Jahren wird deshalb eine Vanille-Essenz beigemischt. Das Patent darauf hat übrigens die Chefin, Eva Jaisli.

Das wertvollste Sabotage-Ziel der Schweiz liegt im Thurgi

Swift-Rechenzentrum in Diessenhofen TG.
An dieser idyllischen Lage befindet sich ein ganz besonderes, unterirdisches Rechenzentrum.Bild: Martin Steiger, CC BY-SA 4.0 (international)-Lizenz

Alt-Bundesrat Kaspar Villiger bezeichnete es als mögliches Ziel für einen russischen Angriff. Tatsächlich ist das Swift-Rechenzentrum in der Thurgauer Gemeinde Diessenhofen nahe dem Rhein zu den kritischsten der kritischen Infrastrukturen in Europa zu zählen.

Die wichtigsten Banken der Welt haben Swift gemeinsam gegründet und betreiben streng bewachte Rechenzentren. Darunter die vor über 20 Jahren gebaute «Festung» im Thurgi, die fünf Stockwerke tief reicht.

Die streng bewachten Server dürfen keinesfalls ausfallen: Über sie wickeln mehr als 11'000 Finanzdienstleister aus über 200 Ländern ihre Transaktionen ab. (Wobei es natürlich schon eine gewisse Redundanz gibt.)

PS: Seit Russland wegen seines verbrecherischen Angriffskrieges gegen die Ukraine 2022 vom internationalen Zahlungsverkehr ausgeschlossen wurde, steht die Anlage unter zusätzlichen Sicherheitsmassnahmen.

Die Schweiz wird ihre Emissionsziele ohne E-Autos nicht kaum erreichen

Nichts ist unmöglich, lautet ein Werbespruch. Er stammt bekanntlich von dem Autohersteller, der mit einem Wasserstoff-Auto floppte und dafür mit Plug-in-Hybrid-Fahrzeugen punktete. Damit sind wir beim Thema.

Das Potenzial der Elektromobilität ist hierzulande riesig, sowohl ökologisch wie auch ökonomisch: Zum einen ist der ökologische Reifenabdruck eines E-Autos bedeutend kleiner als bei allen anderen Antrieben. Zum andern zeigen wissenschaftliche Studien der ETH das wirtschaftliche Potenzial der umweltschonenden Technik.

  • Wenn der Umstieg auf Elektroautos durch bessere rechtliche Rahmenbedingungen zum Bau von Ladeinfrastrukturen in Mehrparteiengebäuden beschleunigt würde, liessen sich potenzielle Mehrkosten von rund 11 Milliarden Franken einsparen.
  • Eine intelligente Integration von Elektroauto-Batterien in das hiesige Energiesystem könne die Versorgungssicherheit erhöhen und die Schweizer Systemkosten um bis zu 6,5 Milliarden Franken reduzieren.

Ohne E-Autos werde die Schweiz ihre Emissionsziele nicht erreichen, erklärt der Branchenverband Swiss eMobility, der die Elektromobilität auf politischem Weg fördert. Und nächstes Jahr werde der CO2-Zielwert noch verschärft auf 93,6 Gramm CO₂ pro km.

Mittlerweile sei «eine klare negative Korrelation» zu erkennen zwischen dem Anteil an E-Autos im Fahrzeugbestand einer Nation und deren CO₂-Ausstoss: Je mehr Elektroautos desto weniger CO₂-Ausstoss.

Norwegen zeige vor, was mit einem entsprechenden politischen Willen machbar wäre. Das nordische Land unterschreite die Zielwerte der Schweiz ab 2025 (93.6 Gramm CO₂/km) bereits heute um das Siebenfache.

Wir sind Europameister bei der Forschung

Kein anderes europäisches Land hat 2023 pro Kopf so viel Geld für Forschung und Entwicklung (R&D) ausgegeben wie die Schweiz. Es sind fast 915 Euro an staatlichen Forschungsgeldern. Innerhalb der EU liegt Luxemburg mit 647 Euro pro Kopf auf Platz eins, gefolgt von Dänemark mit 552 und Deutschland mit 529 Euro. Der EU-Durchschnitt liegt bei 275,6 Euro pro Kopf.

Kein anderes europäisches Land hat 2023 pro Kopf so viel für Forschung und Entwicklung ausgegeben wie die Schweiz.
Die Grafik zu den staatlichen Forschungsgeldern stammt von Eurostat, dem statistischen Amt der Europäischen Union (EU).Bild: Eurostat

Dazu passt, dass die Schweiz im vergangenen Jahr beim Europäischen Patentamt (EPA) so viele Patente angemeldet hat wie noch nie. Mit 9410 eingereichten Gesuchen steht unser Land weltweit an siebter Stelle. Pro Kopf gerechnet belegen wir gar den ersten Platz, auch wenn es bei der Frauenquote Steigerungspotenzial gibt.

Es gibt ein digitales 3D-Modell des Landes, das zu Fuss überprüft und von Hand verbessert wird

Seit 2008 erfasst das Bundesamt für Landestopografie (Swisstopo) ein dreidimensionales, digitales Modell der Schweiz. In einer riesigen Geodatenbank sind über 25 Millionen Objekte mit Lage und Form abgelegt. Es sei der «genaueste und umfassendste 3D-Vektordatensatz der Schweiz», wie die Macher stolz betonen.

Ausschnitt aus dem Topografischen Landschaftsmodell TLM von Swisstopo
Ausschnitt aus dem Topografischen Landschaftsmodell TLM.Screenshot: swisstopo.admin.ch

Jedes Jahr überfliegen zwei Flugzeuge in rund drei Kilometern Höhe einen Drittel der Schweiz, um Veränderungen des Landschaftsbildes zu erfassen. Spezialkameras scannen die Erdoberfläche aus unterschiedlichen Blickwinkeln, zusätzlich wird alles mit GPS getrackt.

Bei Swisstopo sind sieben Topografinnen und Topografen jeden Sommer «im Feld» unterwegs sind, um auch den hintersten Winkel zu vermessen und zu kartieren. Sie marschieren dorthin, wo die Luftaufnahmen keine schlüssigen Antworten liefern können, etwa wenn ein Wanderweg um ein paar Meter abgerutscht ist.

Am Computer wird schliesslich das 3D-Modell korrigiert. Die Daten bilden die Basis für das Erstellen der Landeskarten und für weitere Dienste und Produkte. Diese stehen Privatleuten und Profis zur Verfügung.

Die Schweiz hat einen nationalen Datenkatalog mit dem kuriosen Namen «I14Y»

Die vom Bund betriebene Metadaten-Plattform funktioniere wie eine Suchmaschine für Daten, erklärte der Direktor des Bundesamts für Statistik (BfS), Georges-Simon Ulrich, in einem Interview mit der NZZ.

«Das Ziel ist es, dereinst alle Daten aller Kantone, Gemeinden, aller Unternehmen oder Vereine der Schweiz hier zu verknüpfen. Hier kann man nachschlagen, welche Daten erfasst sind, weshalb sie erhoben wurden, wie sie formatiert sind und so weiter.»

Warum dieser merkwürdige Name? Nerdige Antwort: Das «I» sei der erste Buchstabe des englischen Wortes «Interoperability», und «Y» sei der letzte Buchstabe. Die Zahl 14 stehe für die vierzehn anderen Buchstaben, die dazwischenliegen.

Und der Datenschutz? Zwar seien bei I14Y wichtige Informationen enthalten, wie die Beschreibung von Steuerdaten, wer sie verwaltet, wer darauf Zugriff hat. Aber natürlich nicht die Daten (der Besteuerten) selbst.

Eine Brücke aus Glacestängeli trägt 2 Tonnen Gewicht

Die Schweiz ist bekanntlich Weltklasse im Tunnelbau. Aber hast du gewusst, dass es auch einen nationalen Brückenbau-Wettbewerb gibt, bei dem nur Glacestäbli und Leim verwendet werden dürfen?

38 Teams mit 93 Lernenden und Studierenden aus allen Landesteilen präsentierten dieses Jahr auf Einladung des Schweizerischen Verbands der Strassen- und Verkehrsfachleute (VSS) in Biel ihre Konstruktionen.

Brücke aus Glacestäbli
Beim Zusammenbauen werden Schwachstellen besser bewusst, als bei der statischen Berechnung oder beim 3D-Modell am PC, so die Organisatoren.Bild: vss.ch

Bei den Studierenden siegte das Team der Berner Fachhochschule mit einem neuen Rekord, wie das «Grenchner Tagblatt» berichtete: Ihre rund 1,5 Kilo leichte Konstruktion trug eine Last von fast zwei Tonnen (1957 kg).

Die effektivste Brücke bei den Lernenden präsentierte ein Team aus dem Tessin, vom Centro Professionale Tecnico Lugano-Trevano. Ihre gerade mal 602 Gramm leichte Brücke trug eine Last von 458 Kilogramm.

LiveScope: Fischer setzen auf Hightech – und lösen Kontroverse aus

LiveScope-Geräte von Garmin ermöglichen das Aufspüren grosser Fische.
Verschiedene Hersteller, darunter der Navigationsgeräte-Hersteller Garmin profitieren vom Hype.screenshot: x.com

Die sogenannte LiveScope-Technologie ermöglicht es vom Boot aus, Fische und andere Unterwasserobjekte in Echtzeit auf dem Bildschirm zu verfolgen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Sonarsystemen lassen sich so grosse Raubfische in Bewegung aufspüren. In Berichten ist von einer Revolution in der Fischerei die Rede.

Das Hightech-Fisch-Tracking hat in der Schweiz jedoch auch eine öffentliche Kontroverse ausgelöst, einzelne Kantone haben bereits ein Verbot erlassen, so etwa die Fischereikommission Vierwaldstättersee. Die technikaffinen Sportfischer beschäftigen auch die Justiz, ein Fall ist 2023 bis vors Bundesgericht gelangt.

Der Schweizerische Fischereiverband appelliert an die Eigenverantwortung und schreibt, «eine extreme Optimierung der Fangchancen» entspreche nicht dem Bedürfnis einer Mehrzahl der Anglerinnen und Anglern.

In Appenzell steht die grösste Upcycling-Anlage für Bier

Food-Upcycling beim Bierbrauen (Appenzeller Bier).
Kein Foodwaste mehr beim Brauen.Bild: Brauerei Locher

Die Brauerei Locher (Appenzeller Bier) und das Appenzeller Start-up Upgrain haben Europas grösste Treberaufbereitungsanlage offiziell in Betrieb genommen.

Jährlich sollen rund 25‘000 Tonnen Treber – natürliche Nebenprodukte des Bierbrauens – in wertvolle Rohstoffe verwandelt werden. Aus dieser Menge an Treber entstünden rund 5000 bis 6000 Tonnen an Rohstoffen für die Nahrungsmittelproduktion.

Die Brauerei Locher werde so zur weltweit ersten Brauerei, die nahezu 100 Prozent ihrer Ressourcen durch Upcycling verwerte, statt sie zu verschwenden.

Die Appenzeller Brauerei nutzt ihren Biertreber schon seit mehreren Jahren, um daraus Chips, Lasagne oder Müesli herzustellen. Bisher sei die Aufbereitung von Treber jedoch nur in kleinem Massstab möglich gewesen, erklärte Brauereiinhaber Karl Locher. Dank der neuen Anlage seien auch CO2-Einsparungen möglich.

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64 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Harry Zimm
12.09.2024 11:42registriert Juli 2016
Celluloseacetat 🤦🏻‍♂️... Da musste ich 46 werden um zu lernen, warum mein Werkzeugkasten so mieft. Danke Watson 😂
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Overton Window
12.09.2024 11:39registriert August 2022
Aha. Und ich dachte schon, ich wäre der einzige mit stinkenden PB100 Schraubenzieher. Wieder was gelernt 😉.
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Aussie
12.09.2024 12:18registriert Mai 2014
Jetzt weiss ich endlich, warum meine Werkzeugkiste im Keller so stinkt! Danke Watson.
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