Die aus NHL-Sicht grösste Attraktion in der Schweizer National League ist ein Österreicher. David Reinbacher hat sich beim EHC Kloten trotz seiner erst 18 Jahre als bester Verteidiger etabliert. Er hat sich so mitten ins Interesse der Scouts gespielt. 40 NHL-Scouts tauchten unlängst im Zürcher Unterland auf, um den jungen Österreicher bei seiner Arbeit zu beobachten.
Aufgrund seiner Spielweise erinnert Reinbacher ein wenig an Roman Josi, den er auch zu seinen Vorbildern zählt. David Reinbacher als Österreichs Antwort auf Roman Josi? «Dieser Vergleich ist noch zu gewagt», findet NHL-Draft-Experte Corey Pronman auf Anfrage von watson. Schliesslich sei Josi Captain seines NHL-Teams und Gewinner der Norris Trophy für den besten Verteidiger der Liga.
Allerdings gebe es auch Gemeinsamkeiten: «Josi und Reinbacher sind die zwei besten jungen Verteidiger, die die National League je herausgebracht hat. Als Teenager spielten sie in einer eigenen Liga.» Woher kommt also das Talent des 18-Jährigen? Was macht ihn so gut? Und wohin führt die Karriere des Österreichers noch?
David Reinbacher wird am 25. Oktober 2004 geboren. Seine Kindheit verbringt er in Hohenems, direkt an der Schweizer Grenze. Mit dem Eishockey beginnt er im Nachbardorf beim EHC Lustenau.
Doch noch im Kindesalter folgte der Wechsel in die Schweiz zum EHC Kloten. «Mein Bruder war immer mein Vorbild. Ich wollte nur in der Schweiz spielen, weil er auch hier war», erklärt Reinbacher den Schritt im Podcast von MySports. Er habe sich auch die Red-Bull-Akademie in Salzburg angeschaut, sich dort aber nicht wohlgefühlt.
Der Anfang in Kloten war vorwiegend für die Eltern des jungen Verteidigers streng. «Damals pendelten wir noch von Österreich», erinnert sich Reinbacher. «Wir fuhren um 16 Uhr ab ins Training und waren um Mitternacht wieder zuhause.» Er sei dankbar, dass die Eltern das auf sich genommen haben, denn als Familienmensch habe ihn rasch das Heimweh geplagt.
Nach einiger Zeit entschied sich Reinbachers Vater allerdings, mit seinen zwei Söhnen nach Kloten zu ziehen. Alles fürs Eishockey – wobei sich David zuhause ein Hockeyverbot wünscht, um auch mal abschalten zu können: «Papa kann das nicht immer einhalten, ich schon», erzählt der 18-Jährige mit einem Schmunzeln.
Beim EHC Kloten durchläuft Reinbacher alle Juniorenstufen. Er ist dabei, als die Zürcher Unterländer im Frühling 2022 wieder in die National League aufsteigen. Und auch in der obersten Schweizer Spielklasse ist der Teenager sofort ein wichtiger Bestandteil der Klotener Mannschaft.
«Ich hätte nicht erwartet, dass ich gleich eine so grosse Rolle spiele», zeigt sich Reinbacher selbst überrascht. Er sei dankbar für das Vertrauen und versuche es mit guten Leistungen zurückzuzahlen. Gleichzeitig gibt sich der Österreicher auch selbstbewusst: «Man hat mir nichts geschenkt, ich habe mir das erarbeitet.» Er geniesse jeden Moment.
Dass sich Reinbacher in der National League bereits derart überzeugend etablieren konnte, liegt an seinem reifen Spielstil. Obwohl er erst 18 Jahre alt ist, wirkt er selten aufgeregt oder gar überhastet.
Reinbachers grösste Stärke ist, dass er eben keine herausragende Schwäche hat. Er ist für sein junges Alter bereits ein bemerkenswert kompletter Verteidiger und damit vorne und hinten eine Verstärkung. Er ist ein beweglicher Skater. Das ermöglicht es ihm, beim Verteidigen stets die richtige Distanz zum Gegner zu halten – die sogenannte «Gap Control».
So kann er entweder mit dem Stock oder auch mit seinem Körper die Gegenspieler stören. Corey Pronman sagt: «Ich glaube, Reinbacher hat die Qualitäten, um auch die besten NHL-Stürmer in Schach zu halten.»
Die Beweglichkeit hilft dem Österreicher auch, den Spielaufbau seiner Mannschaft zu prägen. Er schafft es immer wieder mit scheinbarer Leichtigkeit, den Puck in die Offensivzone zu tragen.
David Reinbacher (#64) zeigt seine Mobilität und Abgebrühtheit auf beiden Seiten des Spielfelds.
Kloten setzt den Youngster auch im Powerplay ein. Dort beweist er immer wieder seine Übersicht – entweder mit klugen Pässen oder mit guten Pucks aufs Tor. Es fällt auf, dass Reinbacher in der Lage ist, seine Schüsse regelmässig an den Blocks der gegnerischen Spieler vorbei zu bringen. Damit schafft er es, regelmässig für Gefahr durch Abpraller oder Ablenker zu sorgen.
Reinbachers Schüsse sorgen für Tore und Abpraller.
Mit 189 Zentimetern und 85 Kilogramm bringt Reinbacher bereits jetzt körperliche Gardemasse mit. Auch wenn er mitunter auch mal einen Check austeilt, wünschen sich die NHL-Scouts von ihm, dass er seinen Körper in den Zweikämpfen noch öfter und besser einsetzt.
In der eigenen Zone hat der junge Verteidiger manchmal eine Tendenz, etwas passiv zu werden. Dann fokussiert sich Reinbacher zu fest auf den Puck, statt Passlinien zuzustellen oder die gegnerischen Angreifer unter Druck zu setzen. Und auch wenn Reinbacher ein guter, mobiler Skater ist, so fehlt es ihm am Top-Speed, um Gegner einfach zu überlaufen.
Reinbachers Saison in Kloten ist nach dem gestrigen Out in den Pre-Playoffs gegen Bern zu Ende. Doch dem jungen Österreicher steht noch viel bevor. Im Mai steht die WM an und Teamchef Roger Bader wird mit Freude auf die Dienste des jungen Verteidigers zählen. Der 18-Jährige spricht zwar perfekt Schweizerdeutsch, für die Nati von Patrick Fischer zu spielen, kam aber nie in Frage: «Die Schweizer Nati war nie ein Thema. Ich bin stolzer Österreicher. Es ist immer wieder eine Freude, für mein Land zu spielen.»
Und im Frühsommer steht dann das bislang grösste Highlight in Reinbachers noch junger Karriere an: der NHL-Draft. Corey Pronman sieht den 18-Jährigen als besten Verteidiger eines starken Draft-Jahrgangs: «Ich glaube, er wird sicher in den Top 15, vielleicht sogar in den Top 10 gezogen.»
Der Spieler wollte sich damit während der laufenden Saison noch nicht beschäftigen: «Ich bin hier, um für Kloten zu spielen, und alles andere ist in der Zukunft», sagte Reinbacher Anfang Jahr. Es komme zwar ab und an vor, dass Scouts mit ihm sprechen, doch das könne er gut ausblenden. Wenn er wählen könnte, würde der Österreicher am liebsten in Nashville spielen, denn «mal mit Josi zu spielen wäre ein Traum».
Eine schlechte Nachricht gibt es noch für die Fans des EHC Kloten. Aufgrund seiner starken Leistungen wird es immer wahrscheinlicher, dass Reinbacher nächste Saison nicht mehr ins Zürcher Unterland zurückkehrt. Corey Pronman glaubt: «Nächste Saison wird Reinbacher in der AHL spielen, vielleicht sogar schon in der NHL.»