Dass Lucien Favre ein überdurchschnittlich begabter Fussballtrainer ist, weiss jeder Schweizer Fan. Egal, wo er ist: Der Romand macht jedes Team, bei dem er anheuert, besser. Der Autor Christoph Biermann entschlüsselte im vergangenen Jahr einen Teil seiner Erfolgs-DNA: Favre weist seine Spieler an, einen Angriff erst dann abzuschliessen, wenn die Aussicht auf ein Tor gut ist.
Das klingt banal, aber sehr logisch, doch die Umsetzung des Vorhabens ist nicht immer einfach. Jüngste Zahlen, vom Fussball-Institut CIES in Neuenburg und InStat erhoben, belegen schwarz auf weiss: Favres Dortmund beherrscht, was der Trainer fordert. Der BVB ist die klar effizienteste Mannschaft der Bundesliga, er benötigt für ein Tor im Durchschnitt 4,80 Schüsse.
Auf den nächsten Plätzen folgen mit Eintracht Frankfurt (5,49 Schüsse/Tor) und Borussia Mönchengladbach (5,95) zwei weitere Spitzenteams. Dortmunds erster Verfolger Bayern München, in der Tabelle sechs Punkte zurück, ist wesentlich weniger effizient. 6,80 Schüsse benötigt die Equipe von Niko Kovac, um einen Treffer zu erzielen. Auch RB Leipzig hinkt mit einem Wert von 6,0 ein wenig hinterher.
Dortmund schoss mit 50 Toren mit Abstand die meisten Treffer aller Teams, sieben mehr als Bayern. Dabei gaben die Gelb-Schwarzen nur 241 Schüsse ab, was in dieser Statistik lediglich Rang 10 bedeutet. Es ist exakt das, was Lucien Favre von seinen Teams verlangt: Erst dann zu schiessen, wenn die Position günstig ist. Qualität statt Quantität.
Wer das besonders begriffen hat, ist Paco Alcacer: Dem Spanier gelangen aus 25 Torschüssen zwölf Treffer (2,08 Schüsse/Tor). Auch die Werte der nächstbesten Dortmunder Torschützen sind bärenstark. Captain Marco Reus bringt es auf eine Quote von 4,08 (49 Torschüsse, 12 Tore), Shootingstar Jadon Sancho auf 2,83 (17 Schüsse, 6 Tore). Qualität statt Quantität.
Zum Vergleich die drei Bundesliga-Spieler mit den meisten Torschüssen in dieser Saison: Timo Werner kommt auf eine Quote von 6,09 (67 Schüsse, 11 Tore), Robert Lewandowski auf 5,41 (65 Schüsse, 12 Tore) und Max Kruse auf 13,75 (55 Schüsse, 4 Tore). Torschützenleader Luca Jovic bringt's auf 3,69 (48 Schüsse, 13 Tore), dessen Frankfurter Klubkollege Sébastien Haller auf 3,73 (41 Schüsse, 11 Tore).
Lucien Favre sei ein Trainer mit einem Alleinstellungsmerkmal, schlussfolgerte Autor Biermann, weil er Mannschaften durch seine Spielweise schlichtweg besser mache. «Im Grunde ist es erstaunlich, dass er bis heute noch keine internationale Spitzenmannschaft trainiert hat, denn höchstwahrscheinlich würde er auch eine solche besser machen.»
Die aktuelle Saison mit Borussia Dortmund scheint diese Einschätzung zu bestätigen. Ob sie am Ende mit dem Gewinn des Meistertitels gekrönt wird?