Wie seine Teamkollegen steht Mirco Müller nach der ärgerlichen Niederlage gegen Ottawa in der fast gespenstisch ruhigen Kabine der New Jersey Devils und versucht zu erklären, was gerade passiert ist. Er sagt: «Eigentlich haben wir mehrheitlich gut gespielt. Aber irgendwie haben wir den Moment verpasst, den Sack zuzumachen.»
Und genau so war es. Zum wiederholten Mal in dieser Saison hatten die Devils ein Spiel im Griff und verspielten die Ausgangslage im letzten Drittel. «Man müsste das abstellen können, aber die Gedanken an die vergangenen Spiele kommen teilweise einfach wieder – wie ein Déjà-vu», erzählt der Schweizer.
Der Frust bei den Fans wächst, sie suchen einen Sündenbock. Und kaum jemand eignet sich da besser als Mirco Müller.
Das liegt an der undankbaren Rolle des Winterthurers. Wenn ein Team etwas «veryoungboyst» (darf man das nach zwei Meistertiteln in Serie überhaupt noch sagen?), dann kriegen zumeist Torhüter oder Verteidiger ihr Fett weg. Allerdings werden Gegentore bei Verteidigern, die auch regelmässig skoren, noch eher mal verziehen. Müllers Spiel ist solid, aber unspektakulär. Offensive Inputs gehören bei einem Defensivverteidiger wie ihm nur selten dazu.
Deshalb fordern einige Fans nach dem Spiel auch zum wiederholten Mal, dass Müller und sein Defensivpartner Matt Tennyson aus dem Kader gestrichen werden – wenigstens im Fall des Schweizers zu Unrecht.
Der 24-Jährige steht zwar bei zweien der vier Gegentore gegen Ottawa auf dem Eis, trägt dabei aber keine Schuld. Wie auch sonst im ganzen Spiel, ist der Nationalverteidiger in beiden Situationen gut positioniert, hat seinen Mann. Bei beiden Treffern führen Fehler der Mitspieler zum Tor, die Müller nicht mehr korrigieren kann.
Dennoch scheinen auch die Coaches kein bedingungsloses Vertrauen in den Schweizer zu haben. Schon sieben Spiele musste er in dieser Saison von der Tribüne aus verfolgen. Trotzdem ist Müller mit seiner persönlichen Saison bislang zufrieden: «Wenn ich gespielt habe, tat ich das meistens gut.»
Die Zahlen unterstützen die Aussage des Spielers, trotz gewisser Widerstände. Kaum ein Spieler bei den Devils startet so viele seiner Einsätze im defensiven Drittel wie Mirco Müller. Zudem spielt er derzeit mit dem bereits zuvor erwähnten Matt Tennyson zusammen, einem durchschnittlichen AHL-Verteidiger, was die Aufgabe in jedem Einsatz auch nicht einfacher macht.
Dennoch präsentiert sich der Winterthurer defensiv stabil. Mit ihm auf dem Eis lassen die Devils rund fünf Prozent weniger Chancen zu als der Ligadurchschnitt. Seine Expected-Goals-For-Percentage ist mit 53,29 Prozent hinter Andy Greene die zweitbeste aller Devils-Verteidiger.
Frustriert über die Tatsache, dass er dennoch jeweils nicht weiss, ob er am nächsten Tag spielen darf, ist Müller aber nicht. «Es ist ja nicht das erste Jahr, dass ich in dieser Situation bin. Mit der Zeit habe ich mich daran gewöhnt und gelernt, damit umzugehen.»
Wichtig sei, dass er immer bereit ist. «Ich habe immer Freude, wenn ich spielen darf, und gebe dann mein Bestes. Das ist alles, was ich derzeit machen kann», sagt der 24-Jährige. Und es ist wichtig, dass ihm das weiterhin gelingt. Denn Mirco Müller hat für nächstes Jahr noch keinen Vertrag.