Obwohl es empfindlich kühl ist im Prudential Center, merkt man sofort, wie wohl sie sich hier fühlt. Es ist praktisch ihr Wohnzimmer. Sie sitzt in einem der bequemen Stoffsessel im untersten Ring der noch leeren Eishockeyarena in Newark, New Jersey und erzählt aus ihrem Leben in der NHL.
Sie, das ist Amanda Stein, «Official Team Reporterin» bei den New Jersey Devils. Der Job, auf den wohl so mancher Eishockey-Fan so richtig neidisch ist. Der Job, bei dem man das ganze Jahr mit einem NHL-Team durch Nordamerika unterwegs ist, immer hautnah dabei am Geschehen.
«Als Kanadierin liegt mir das Eishockey natürlich im Blut», erklärt Stein ihre Berufswahl. Das Virus habe sie so richtig gepackt, als sie mit neun Jahren ein Spiel in Montreal gegen Erzrivale Boston gesehen habe. «Die Energie im Stadion war unbeschreiblich. Ich habe auch das Spiel sofort verstanden. Da wusste ich, dass ich später etwas machen will, das mit Eishockey zu tun hat.»
Our https://t.co/6TcVKBHY1p Panel of @TheChrisWescott, @amandacstein, and @MattLoug discusses Taylor Hall's production, Wayne Simmonds' recent play, and Mackenzie Blackwood seizing his opportunity.#WeAreTheOnes | #NJDevils pic.twitter.com/jLAYUIXeCo
— New Jersey Devils (@NJDevils) November 14, 2019
Also nutzte sie jede Möglichkeit, die sich bot, um ihren Traum zu verwirklichen. Die Québécois fokussierte sich in der Ausbildung auf Radio und Fernsehen und ergatterte sich dann einen Job beim einzigen englischsprachigen Sportradio in Montreal. Über einen Stelle beim kanadischen TV-Sender TSN landete Stein schliesslich bei den New Jersey Devils.
Sie ist direkt beim Team angestellt und muss deshalb die Balance zwischen positiver, teamfreundlicher und dennoch authentischer, teilweise kritischer Berichterstattung finden. «Ich muss nicht alles schönreden. Ich darf, ja muss in meiner Berichterstattung gar ehrlich sein, sonst würde ich meine Glaubwürdigkeit verlieren», erklärt die Kanadierin. Aber es sei natürlich ein anderer Ansatz, wenn man Teil der Organisation ist. «Es ist nicht mein Job, irgendwelchen Dreck über die Spieler auszugraben.»
Weil Stein praktisch die ganze Saison durch mit den Devils unterwegs ist und auch an die Auswärtsspiele reist, lernt sie die Athleten innerhalb der Mannschaft bestens kennen: «Ich sehe die Spieler mehr, als ich meine eigenen Freunde sehe.» Dazu gehören natürlich auch die beiden Schweizer Nico Hischier und Mirco Müller.
«Nico habe ich kennengelernt, als ich ich mich für den Job in New Jersey bewarb. Er war mein allererster Interviewpartner», erzählt Stein. Damals sei er noch deutlich scheuer gewesen, als er es heute ist. «Ich liebe Nico, es macht viel Spass mit ihm zu arbeiten. Zu sehen, wie er in die Mannschaft und die Organisation hineingewachsen ist, ist toll.»
Nicos Vater Rino wollte zu Beginn, dass Amanda Stein französisch mit seinem Sohn spricht, damit er die Sprache nicht verlernt. Sie habe es einmal versucht, erzählt die Reporterin lachend, doch Nico wollte das kein Bisschen.
«Mirco ist nochmals viel ruhiger als Nico», beschreibt Stein den zweiten Schweizer bei den Devils. Aber auch er sei einfach unglaublich nett und immer bereit, auszuhelfen.
Amanda Stein ist im NHL-Business aber nicht nur für ihre Insider-Informationen zu den Devils bekannt, sondern hat ein weiteres, ganz besonderes Merkmal: Ihre Handschrift. Sie schreibt nämlich vor jedem Training und jedem Spiel die Aufstellung der Devils auf einen Block und postet sie dann so in den sozialen Medien.
#NJDevils with some line changes against the Penguins tonight.
— Amanda Stein (@amandacstein) November 15, 2019
Here’s how things looked in warmups: pic.twitter.com/D4W9x34yAQ
Sie habe damit angefangen, weil alle anderen die Aufstellungen jeweils einfach nur getwittert hätten. «Ich dachte mir, das ist zu langweilig und fing mit dem Notizblock an. Und es ist geblieben. Als ich mich bei den Devils vorstellte, meinte General Manager Ray Shero sofort: ‹Du bist die mit der Handschrift.›»
Dass sie nur auf ihre Schrift reduziert werden könnte, stört Stein nicht: «Ich weiss, dass ich mehr bin, als nur eine Frau mit einer schönen Schrift. Gleichzeitig erlaubt es mir, mich etwas von der Masse abzuheben. Es macht mir nichts aus, dass die Fans die handgeschriebene Aufstellung mittlerweile immer erwarten.»
Ein Wiedererkennungsmerkmal braucht man als Frau in einer Branche, die immer noch stark von Männern dominiert wird, vielleicht umso mehr. «Ich glaube es stimmt wirklich, dass man als Frau in diesem Business doppelt so hart arbeiten muss, um den gleichen Respekt zu verdienen», sagt Stein. Sie hätte das Glück gehabt, dass es in den Medien in Montreal schon einige Frauen gehabt habe, die sie als Vorbild nehmen konnte.
Die anderen Journalisten, Spieler oder Teamverantwortlichen sind nicht das Problem. Dieses liegt im Netz. «Du musst als Frau wirklich darauf achten, wie du dich kleidest, wie du dich gibst. Sonst ziehen sie über dich her.»
Fuck you Amanda. I don’t care if you’re just the middle man, fuck you.
— Josh Hill (@jhillsy1) October 25, 2019
Dabei zielen die Internet-Trolle bei Frauen vor allem aufs Aussehen ab, und nicht aufs Gesagte. «Das ist extrem frustrierend», erzählt Stein. «Wir sind alles Menschen mit Gefühlen. Und es schmerzt, auch wenn es ‹nur› die Meinung eines Fremden ist. Gewisse Aussagen haben mich schon zum Weinen gebracht.» Besonders viele Kommentare gebe es, wenn es der Mannschaft schlecht laufe: «Dann bin ich der Boxsack für die frustrierten Fans.»
Am Ende seien es aber die positiven Dinge, die überwiegen. Selbst aus dem Hass im Internet entsteht Gutes: «Wenn du eine andere Reporterin triffst, die ähnliches durchmacht, können Freundschaften entstehen.»
Und natürlich gibt es noch all die Erlebnisse mit der Mannschaft. Am besten in Erinnerung hat sie das Spiel aus der Saison 2017/18, als sich die Devils mit einem Sieg gegen Toronto die Playoff-Teilnahme sicherten: «Die Energie im Stadion und in der Garderobe war unbeschreiblich. Ich kriege Gänsehaut, wenn ich daran zurückdenke.»
Ich seh meine Arbeitskollegen, wie fast jeder Arbeitnehmer „leider“ auch mehr als meine Freunde. Die heissen aber leider nicht Hischier, Hughes oder Hall, sondern Tanner, Bühler oder Bunjaku.